Mit Most und Wein auf Wanderschaft

Spaziergang im Schwäbischen Mostviertel mit Ensemblemitgliedern des Rietenauer Theaters und vielen lukullischen Verlockungen

„Obstwiese trifft Weinberg“ – unter diesem Motto stand der Spaziergang im Schwäbischen Mostviertel, der zur Wein- und Mostprobe und mancherlei sonstigen Überraschungen einlud.

Rolf Butsch schenkt aus: Auf die Teilnehmer warteten an mehreren Stationen Kostproben aus dem vergorenen Saft von Trauben und Äpfeln, die in der Gemeinde Aspach geerntet wurden. Fotos: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Rolf Butsch schenkt aus: Auf die Teilnehmer warteten an mehreren Stationen Kostproben aus dem vergorenen Saft von Trauben und Äpfeln, die in der Gemeinde Aspach geerntet wurden. Fotos: A. Becher

Von Renate Schweizer

ASPACH. Alles beginnt mit einem ordentlichen Vesperbrot. Und spritzigem Apfelsekt: wenig Umdrehungen, viel Erfrischung im Glas. Man hat Großes vor, das erfordert eine solide Grundlage. Denn es geht um die endgültige Klärung einer uralten Menschheitsfrage: Ist Moscht oder Wein das bessere Getränk für Schwaben? (Schwäbinnen übrigens, die knappe Mehrheit bei diesem ehrenwerten Unternehmen, sind natürlich an dieser Stelle und im weiteren Text wertschätzend mitgemeint – schließlich ist die Berichterstatterin auch eine.)

Rietenau, lieblich gelegen zwischen Streuobstwiesen und Weinbergen, an einem herrlichen Spätsommernachmittag im September, ist der ideale Ort zur idealen Zeit, um eine Forschungsexpedition in dieser wichtigen Frage durchzuführen. Als Expeditionsleiter, Experten und Teilnehmer sind versammelt: Albrecht Dietz, Obmann des Schwäbischen Albvereins, Sektion Backnang, als Wanderführer und Expeditionsleiter. Zur Seite stehen ihm drei Ensemblemitglieder des Rietenauer Theaters: in feinem Zwirn Herr Hämmerle (im bürgerlichen Leben Siegfried Mauthe), ein Wengerter und deshalb natürlich Vertreter der Viertelesfraktion. Und Jakob, der Obstbauer, der keinen Nachnamen braucht und dessen Hose ein wenig auf Halbmast in den Hosenträgern hängt – er wirbt sehr überzeugend fürs Mosttrinken und heißt an anderen Tagen Rolf Butsch. Und schließlich Lea Loreley (sonst: Lea Butsch) als „Wasserfrau“, die dafür sorgt, dass alle Expeditionsteilnehmer zwischendurch mindestens ebenso viel Wasser wie alkoholische Getränke zu sich nehmen – wie sich noch herausstellen wird, eine wirklich gute Idee. Und nicht zuletzt ganz wichtig: Thomas Kube vom gleichnamigen Gasthaus in Großaspach. Er kümmert sich darum, dass die beforschten Getränke im Magen der Teilnehmenden das Umfeld vorfinden, das ihnen am besten zusagt: besagtes Vesperbrot zum Beispiel und im weiteren Verlauf des Nachmittags Maultäschle und Kartoffelsalat, Steinpilz-Kartoffelsuppe, Gulasch vom Rietenauer Reh (in der Vorwoche von ihm selbst geschossen) und zum krönenden Abschluss noch Bayrisch Creme mit Pfirsich aus dem Garten des Onkels. Regionaler geht’s nicht. Schöner und besser auch nicht. Außerdem als Gastgeber im Einsatz: die Fischereivereinigung Aspach und der Obst- und Gartenbauverein (OGV) Rietenau.

Wie jedes wissenschaftliche Experiment brauchte auch dieses freiwillige Probanden, die bereit waren, sich ein Henkelglas um den Hals hängen zu lassen und so gut wie alles zu schlucken, was ihnen unterwegs eingegossen wurde.

Als Spaziergang im schwäbischen Mostviertel war das Unternehmen angekündigt, und zumindest die Wiederholungstäter unter den Teilnehmenden wussten das schwäbische Understatement einzuschätzen und erschienen gut beschuht, gut gelaunt und viele mit öffentlichen Verkehrsmitteln am Ausgangspunkt Rietenauer Rathaus. Von dort ging es hügelan durch Wald und Streuobstwiesen mit Station am Fischteich bis hinauf zum Wengert Güldenkern und über das Pfarrgütle wieder zurück bis zur Theaterscheuer.

Unterwegs Streicheleinheiten für Körper, Geist und Seele: Schwäbische Dichter und Denker und ihre Kommentare zu Wein und Welt, den launigen Wettstreit zwischen Bauer und Wengerter, allerlei Infos zur Umgebung und Ortsgeschichte vom Wanderführer, kulinarische Höhepunkte, grandiose Aussichten, Wiesen voller Herbstzeitlose, Bäume voller Äpfel und immer wieder Tropfen im Glas, die Anlass zum Staunen boten. Hier genannt seien stellvertretend nur zwei: Den weiß ausgebauten Trollinger vom Weingut Gruber erkannte keiner der Teilnehmer als die schwäbischste aller Rebsorten, so leichtfüßig und geradezu elegant kam er daher – das ideale Getränk für einen Samstagnachmittag im Freien.

Eine absolute Rarität zum Schluss der heiteren Tour

Und am Ende der Wanderung gab’s einen „Rietenauer Sämling“, eine absolute Rarität: ein Obstbrand sortenrein von einem einzigen Baum am Rande des Pfarrgütles, der einstens als Sämling hochgeschossen war. Niemand hat je herausgefunden, welche Apfelsorte es ist, ein Unikum in jeder Hinsicht. Die Berichterstatterin wird möglicherweise nie erfahren, wie der wundersame Tropfen schmeckt, denn als es so weit war, ihn zu probieren, hatte sie längst die Waffen gestreckt – sie wäre sonst vermutlich nicht lebend nach Hause gekommen.

Ach so, und die Forschungsfrage, Moscht oder Wein? Blieb letztlich ungeklärt – vermutlich wird sie die Menschheit noch ein paar Tausend Jahre beschäftigen. Hoffentlich.

Edle Varianten von schwäbischem Most und Wein: Lemberger Kabinett und Apfel Kir.

© Pressefotografie Alexander Beche

Edle Varianten von schwäbischem Most und Wein: Lemberger Kabinett und Apfel Kir.

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Erstellt:
16. September 2019, 06:00 Uhr

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