Mit Schwätzverbot zu besserer Luft
Backnanger Karnevals-Club übernimmt nach hartem Schlagabtausch mit OB Frank Nopper die Regentschaft im Rathaus
Nein, zimperlich geht es beim Rathaussturm wahrlich nicht zu. Der Backnanger Karnevals-Club rückte am Sonntag, 11. November, pünktlich um 11.11 Uhr mit Verstärkung der Lohkäs-Trampler und befreundeter Vereine vor dem historischen Amtssitz des Oberbürgermeisters an, um das Regiment zu übernehmen. Ihre Narrenkappen hatten die Mitglieder gegen Fahrradhelme getauscht und machten damit deutlich: Um die Fahrradtauglichkeit Backnangs ist es nicht besonders gut bestellt.

© Jörg Fiedler
Oberbürgermeister Frank Nopper kapituliert mit einem Lächeln und übergibt Präsidentin Gabi Kallfaß den Rathausschlüssel. Dafür hat der Backnanger Karnevals-Club ein Fahrrad für ihn im Gepäck.
Der BKC thematisiert beim Rathaussturm nämlich neben der Narren- auch die Fahrradtauglichkeit Backnangs. Foto: J. Fiedler
Von Christine Schick
BACKNANG. Bei Sonnenschein und milden Temperaturen versammeln sich Backnanger und Gäste, die sich einen ersten Glühwein und den traditionellen Schlagabtausch zwischen Oberbürgermeister Frank Nopper und dem Backnanger Karnevals-Club (BKC) nicht entgehen lassen wollen. Sie werden nicht enttäuscht, es geht hoch her beim Kampf um das Rathaus. BKC-Präsidentin Gabi Kallfaß versucht es anfangs noch mit einer List, gibt vor, mit dem OB gar ein wenig Mitleid zu haben, da der um die Frühstücksbrötchen gebracht wird, die seine Frau gerade nach Hause getragen hat. Ihr Vorschlag angesichts der Siegessicherheit: „Machen wir es kurz, und Sie sind ratzfatz wieder am Frühstückstisch.“
Das beeindruckt den Amtschef wenig: „Werdet bloß nicht frech, solche Tranfunzeln und Hurgler wie Ihr können doch nicht einmal einen Saustall stürmen, geschweige denn ein Rathaus.“ Also lässt Gabi Kallfaß ihre Gefolgschaft und Unterstützer – die Carnevalsfreunde Württemberg aus Rudersberg, die Murreder Henderwäldler, den Unterweissacher Carnevalsclub, die Reichenberger Burghexen und die Schbiallombaschlotzer aus Auenwald – Aufstellung nehmen. Ihre BKC-Mitstreiterinnen Sara Bay und Yvonne Laib erklären denn auch, warum die Backnanger statt Narrenkappe einen Helm tragen. Sie testen die Fahrradtauglichkeit Backnangs und hoffen, an einem Sonntag so etwas für die Stadt zu tun, die mit ihrem Platz auf der Feinstaubliste kein Ruhmesblatt abgibt.
Selbst der OB muss einräumen: „Auf dieser Liste stehen wir leider mit unserer Grenzwertüberschreitung relativ weit oben.“ Nach den Maßnahmen gefragt, schießt er zurück: „Laut unseren Experten sind heiße Luft, Dampfplauderei und saudummes Geschwätz mit ursächlich für die Grenzüberschreitungen. Für alle BKC-Narren soll deswegen während der fünften Jahreszeit kein Fahrverbot, sondern ein Schwätzverbot angeordnet werden. Wenn der Mist, den Ihr verzapft, wegfällt, ist die Luft bald wieder sauberer.“
Sara Bay und Yvonne Laib indes beharren auf den Fakten. Bei ihrer Radtour durch Backnang sind sie „bei der Aspacher Brücke fast ins Wasser gefallen“ und haben beim Ritt die Marktstraße herunter, Fahrräder sowie Leib und Leben riskiert. Ihr Fazit: „Fahrradtauglichkeit sieht anders aus.“ Auf Noppers Konter, dass die BKC-Truppe weder fahrradtauglich, noch besonders fesch aussähe, fragt Yvonne Laib: „Herr Dr. Nopper, bei Ihnen spricht man doch auch vom Auto-OB. Wie schaut’s eigentlich mit Ihrem Beitrag zur fahrradtauglichen Stadt aus?“ Der stellt fest, dass er schon viel Rad in seinem Leben gefahren sei, aber immer noch auf einen guten Narrenwitz vonseiten des BKC warte. Die Narren kontern mit einer Überraschung: Sie haben ihm ein Fahrrad mitgebracht, sozusagen keine Mühe gescheut, obwohl es weder Fahrradverleih noch -ständer hier gebe. Den Vorschlag „Kommen Sie runter und drehen Sie mit dem Rad eine Runde durch die Stadt“ lehnt Nopper lächelnd ab: „Das glaubt Ihr doch wohl selbst nicht, dass ich auf einen solch billigen Trick reinfalle.“ Weil auch die Stichelei, dass ihm das Fahrrad vielleicht zu groß sei, nicht zieht, muss das Frauentrio zu Plan B greifen.
Wie es mit der Wertschätzung närrischer Umtriebe aussieht
Sie setzen auf Nachbesserungen in Sachen Fahrradtauglichkeit und machen sich an ein neues Testthema: die Narrentauglichkeit Backnangs. Dazu haben sie sich einfach am Fragebogen der städtischen Homepage orientiert und die Stoßrichtung vom Radverkehr auf Serviceleistungen in puncto Wertschätzung närrischer Umtriebe geändert. „Das lassen wir die Bürger jetzt bewerten“, sagt Yvonne Laib. Nopper, alles andere als zimperlich: „Hoffentlich dürfen die Bürger auch euch Lachnummern und Vollpfosten vom BKC bewerten.“
Als der BKC dann noch über das Straßenfest in seiner Position als Noppers fünfte Jahreszeit abstimmen lassen will, weil er den Fasching ebenfalls als Anwärter sieht, kommt der Amtschef aus dem Schimpfen gar nicht mehr heraus: „Auf gar keinen Fall! Das Straßenfest ist ein Fest mit schönen Worten, mit schöner Musik und mit schönen Frauen. Ihr dagegen seid Bauchredner, schräge Vögel und Krawallmusikanten.“
Auch der Vorschlag, den der BKC zur Abstimmung stellt, kostenlosen Glühwein nicht nur beim närrischen Wochenmarkt, sondern einmal im Monat auszuschenken, stößt beim OB auf wenig Gegenliebe. Als die Narren dann den Fragebogen einfach auf die Homepage stellen wollen, weil sie ja öffentliches WLAN vor Ort haben, muss sich Frank Nopper dann doch auf die Socken nach unten machen. Noppers „den Fragebogen werdet Ihr Pappnasen nicht hochladen, nur über meine Leiche“ begegnet der BKC mit einer überraschenden Charmeoffensive. „Ach Gabi, eigentlich wissen wir doch, dass die Stadt Backnang narrentauglich ist. Den Fragebogen brauchen wir gar nicht“, sagt Sara Bay. Gabi Kallfaß nickt: „Absolut, und neben uns steht jetzt nicht der Auto-OB, nicht der Fahrrad-OB, sondern der uneingeschränkt narrentaugliche OB.“ Die Strategie zeigt Wirkung. „Auch ich habe mich in meinem Leben noch nie so geirrt wie heute. Der BKC gehört zum Besten, zum Allerbesten, was unsere Stadt zu bieten hat“, sagt Frank Nopper, und ringt sich durch: „Solch vertrauenswürdigen und erfreulichen Persönlichkeiten übergebe ich natürlich liebend gerne meinen Rathausschlüssel.“
Quasi zur Belohnung darf der Oberbürgermeister auch noch eine Runde auf dem bereitgestellten Fahrrad drehen, die allerdings angesichts der vielen Gäste nicht ganz so groß ausfällt.
Im Anschluss geht es in die gute Stube, in der Narren, närrische Gäste und OB zusammen anstoßen.