Mithilfe des Laufens zurück ins alte Leben

Virtueller Backnanger Silvesterlauf: Nach einem Schlaganfall vor dreieinhalb Jahren hat der frühere Fußballer Jürgen Trzcinski die Liebe zu einer anderen Sportart entdeckt und mittlerweile bereits seinen ersten Halbmarathon hinter sich gebracht.

Bei den Silvesterläufen der beiden vergangenen Jahre bestens im Bilde: Jürgen „Cheasy“ Trzcinski. Der gebürtige Backnanger und ehemalige Fußballer hat sich nach großen gesundheitlichen Problemen mittlerweile wieder aufgerappelt und ist zum überzeugten Läufer geworden. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Bei den Silvesterläufen der beiden vergangenen Jahre bestens im Bilde: Jürgen „Cheasy“ Trzcinski. Der gebürtige Backnanger und ehemalige Fußballer hat sich nach großen gesundheitlichen Problemen mittlerweile wieder aufgerappelt und ist zum überzeugten Läufer geworden. Foto: A. Becher

Von Uwe Flegel

„Jeden Sonntag zwischen 10 und 11 Uhr“ ist Jürgen Trzcinski in der Backnanger Innenstadt im Laufschritt unterwegs. Immer auf der „originalen Silvesterlaufstrecke“, erzählt der 54-Jährige und sagt schmunzelnd: „Da begegne ich meist keinem Menschen.“ Wobei das etwas ist, das Trzcinski nicht unbedingt haben muss, schließlich sucht er als DJ Cheasy bei vielen, vielen Veranstaltungen das große Publikum. Hat er allerdings die Laufschuhe an den Füßen und die Sportklamotten am Leib, dann genießt er durchaus auch die Stille und das Schwitzen auf dem Kurs, auf dem in normalen Zeiten am letzten Tag des Jahres etwas mehr als 1000 Sportler per pedes durchs Zentrum der Murr-Metropole eilen. Diesmal nicht. Des Coronavirus wegen. Der virtuelle Silvesterlauf gibt den Lauffans trotzdem die Möglichkeit, sich zwischen dem ersten Weihnachtsfeiertag und den letzten Minuten des Jahres sportlich zu betätigen. Trzcinski will die Chance beim Schopf ergreifen: „Ich bin am Start – auf der Originalstrecke.“

Bis vor knapp drei Jahren hatte der gebürtige Backnanger mit Laufen wenig am Hut. Mit Sport jedoch schon, kickte er doch viel Jahre beim SV Steinbach. Der SVS ist sein Verein, dem er nur einmal untreu wurde: „Ein Jahr habe ich unter Trainer Hans Herb beim TSV Oberbrüden gespielt“, gesteht er ein und fügt schnell an: „Aber nur weil ich zuvor eine Art Wette gegen das damalige TSG-Vorstandsmitglied Pitt Kloos verloren habe.“

Eine Begründung, die man nicht jedem abnehmen würde. Cheasy schon. Schließlich genießt er den Ruf, zwar nicht für jeden Jux, aber für die allermeisten Späße zu haben zu sein. Als DJ bei vielen Feten und Festen, als Macher von Mucke wie „Hummer in the City“, als Mensch und Kumpel sowie seit fast drei Jahren auch als Läufer. Wobei Letzteres einen ernsten Hintergrund hat. „Am 26. Juni 2017 um halb acht“, nennt Trzcinski den Moment, als bei ihm Schluss mit lustig war, denn: „Da habe ich einen Schlaganfall erlitten.“ Was der waschechte Backnanger noch hinzufügt: „Es war der Straßenfest-Montag.“ Ausgerechnet am sogenannten Festfeiertag seiner Heimatstadt lag der baumlange Kerl, der seit vielen Jahren ein fester Bestandteil der hiesigen Partyszene ist, gesundheitlich am Boden.

Zwischenzeitlich hat er sich wieder aufgerappelt und sagt dreieinhalb Jahre später: „Ich bin so weit wieder hergestellt. Ich habe nur noch minimale Defizite.“ Und das, obwohl er zunächst nicht gehen, nicht reden und nichts greifen konnte. Was ihm auf dem Weg zurück zu alter Stärke geholfen habe, sei der Sport und dort insbesondere das Laufen gewesen. Einfach und kurz war der Weg allerdings nicht. Beim ersten Versuch brauchte es noch Stöcke als Hilfe, um wenigstens eine Nordic-Walking-Strecke zu bewältigen, und „da war ich selbst gegen 80-Jährige der Langsamste“.

Der ehemalige Fußballer merkte dann aber schnell, dass es bei ihm immer besser ging. Deshalb setzte er sich im Herbst 2018 zum Ziel: „Dieses Jahr bin ich beim Silvesterlauf dabei, egal in welcher Zeit.“ Zumindest für den 5-Kilometer-Lauf reichte es. Vergangenes Jahr lief er bereits die 10 Kilometer. Selbst einen Halbmarathon hat er jüngst geschafft. Mangels Möglichkeiten in der Coronazeit allerdings nur für sich selbst. Schonung gab es deshalb trotzdem keine. Von seiner Wohnung in Kleinaspach führte die Strecke in Richtung Einöd, Oberstenfeld und zurück, an Kleinaspach vorbei und wieder retour. Nach 2:13:58 Stunden waren die 21,11 Kilometer mit 215 Höhenmetern erfolgreich bewältigt und Trzcinski weiß: „Das war schon brutal.“ Es war aber auch Motivation, dranzubleiben, weiterhin meist drei-, zumindest aber zweimal pro Woche zu trainieren.

Vom Winter, von Schnee und Kälte lässt er sich dabei nur höchst selten stoppen. Zumal er das nächste Ziel schon vor Augen hat – den virtuellen Backnanger Silvesterlauf. „Klar bin ich dabei“, sagt Jürgen Trzcinski. Zumal er diesen Sommer bereits beim Stuttgart-Lauf, der ebenfalls nur virtuell stattfand, die 7 Kilometer absolviert hat. „Ich finde es ideal, dass es solche Angebote wie in Stuttgart oder jetzt hier in Backnang gibt und die Leute dadurch sportlich was machen können“, gibt es von dem 54-Jährigen ein dickes Lob für die Organisatoren.

Eine Anerkennung, die bei ihm aus tiefstem Herzen kommt. Auch weil er nun gerade außerhalb des Sports erlebt, was es heißt, zur Tatenlosigkeit verurteilt zu sein. Als DJ und Musiker geht wegen der Coronapandemie nichts. Weder auf Hochzeiten oder beim Fasching noch auf Feten und Partyveranstaltungen durfte er das machen, was ihm so am Herzen liegt: für gute Stimmung sorgen. Aufgeben ist seine Sache allerdings auch in dieser Hinsicht nicht. „Ich hoffe, dass es bald wieder losgeht“, sagt er mit dem Wissen, dass er schon viel schlimmere Schicksalsschläge erlebt hat und trotzdem nicht am Boden liegen geblieben ist. Das bestätigt sich Cheasy Trzcinski Sonntag für Sonntag selbst, wenn er zwischen 10 und 11 Uhr in der Backnanger Innenstadt alleine seine Runden dreht.

Mit Laufshirt und Startnummer ins Rennen gehen

Bis der virtuelle Backnanger Silvesterlauf am Freitag, 25. Dezember, und damit am ersten Weihnachtsfeiertag um 12 Uhr startet, sind es noch 16 Tage. Wer sich im Zeitraum bis Donnerstag, 31. Dezember, um 23.59 Uhr im passenden Outfit auf den Weg machen will, kann das extra für die Aktion vom veranstaltenden Förderkreis der TSG-Fußballer entworfene, knallgelbe Laufshirt aber schon jetzt bestellen. Alle nötigen Informationen gibt es im Internet unter www.backnanger-silvesterlauf.de und unter www.bkz.de. Das Shirt kostet 18 Euro und ist in den Größen S, M, L und XL erhältlich. Es kann entweder etwa fünf Tage nach dem Bestelleingang bei Intersport-Hettich in Backnang abgeholt werden oder es wird gegen eine entsprechende Gebühr etwa sechs Tage nach dem Bestelleingang mit der Post verschickt.

Das knallgelbe Laufshirt ist ein Hingucker.

Das knallgelbe Laufshirt ist ein Hingucker.

Fürs echte Wettkampfgefühl bieten die Organisatoren den Teilnehmern unter www.backnanger-silvesterlauf.de auch die Möglichkeit, eine individuelle Startnummer zu generieren, auszudrucken und am Shirt zu befestigen. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt: Es kann die Lieblingszahl, der Name oder Spitzname oder ein kurzer Slogan sein.

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Erstellt:
9. Dezember 2020, 06:00 Uhr

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