Moderner Marktbrunnen im Gespräch

Die Stadt Marbach am Neckar gestaltet die Fußgängerzone neu. Dabei muss auch ein Wahrzeichen der Stadt nun weichen. Sie will auch den Brunnen am neuen Standort zwischen den beiden Rathäusern verändern.

Der kniende Mann mit Fisch soll weichen. Ein Unternehmen hat die Skulptur eingelagert. Foto: L. Obleser

Der kniende Mann mit Fisch soll weichen. Ein Unternehmen hat die Skulptur eingelagert. Foto: L. Obleser

Von Oliver von Schaewen

Marbach am Neckar. So langsam nimmt die Sanierung der Marbacher Fußgängerzone Fahrt auf. Erkennbar ist es unter anderem am Abbau des Marktbrunnens. Das Wahrzeichen vor dem Rathaus muss weichen, weil der gesamte Platz umgestaltet wird und der Brunnen nun vor das neue Rathaus soll. Der Blick in die Geschichte zeigt indes: Es ist nicht das erste Mal, dass der Marktbrunnen an eine andere Stelle wandert.

Ursprünglich stand der Marktbrunnen unweit des alten Rathauses beim heutigen Stadtinfoladen. Der Stadtarchivar Albrecht Gühring fand den alten Brunnen mit seiner „Weltkugel“, die später verschrottet wurde, ganz ansehnlich. Der Marktbrunnen hatte 1811 die Nachfolge des Wilde-Mann-Brunnens angetreten, der zu Schillers Geburtshaus in die Niklastorstraße verlegt wurde, berichtet Gühring. Dafür sei dann der von dem Schmied Gottlieb Friedrich Renz im Jahr zuvor gegossene gusseiserne Brunnen aufgestellt worden.

Der klassizistische Stil des alten Brunnens mit der Weltkugel habe ihn beeindruckt, sagt der Marbacher Historiker Hermann Schick. Der Gemeinderat habe 1956 die neue Brunnenfigur mit dem knienden Mann und dem Fisch beschlossen, den der Bildhauer Erwin Scheerer für 15000 D-Mark anfertigte. Die Stadt verlegte den Standort in den 1970er-Jahren auf die schräg gegenüberliegende Seite, weil die Fußgängerzone neu errichtet wurde. „Aus heutiger Sicht ist der Brunnen eine der mittleren Sünden der Stadt“, sagt Schick, der bezweifelt, dass die Fischerei im Neckar für die Stadt derartig wichtig war.

Der geschichtsinteressierte Leiter der Freien Schule Christophine, Lorenz Obleser, erinnert an die Bedeutung der Brunnenfigur und sieht in dem Brunnen ein Zeugnis der Nachkriegsgeschichte. Eine Flüchtlingsfraktion im Gemeinderat habe damals den Spruch „Halte fest, was du gewonnen, denn es ist so leicht zerronnen“ sehr bewusst gewählt, habe er in einem Artikel der Marbacher Zeitung gelesen. „Flüchtlinge hatten fast alles zurücklassen müssen und konnten sich in dem Bild und den Worten spiegeln, wie sehr sie sich über das Wenige freuten, das sie hier erwirtschaften konnten“, berichtet Obleser. Jetzt werde eine solche Geschichtserfahrung nach 65 Jahren einfach weggeräumt, wiewohl sie zumindest in einem Stadtmuseum einen würdigen Platz verdient hätte. Ein Rückbezug auf Flüchtlinge ist im Artikel über die Aufstellung des Brunnens vom 29. Januar 1957 nicht zu finden, hat Albrecht Gühring recherchiert. In dem Artikel klingt an, dass die Figur gerade nicht Geschichtliches aufgreifen wolle und dass der Verlust von Erworbenem eine allgemein menschliche Erfahrung sei. Dass es aber die BHE-Fraktion des Bundes der Heimatvertriebenen und Entrechteten bis 1968 in Marbach gab, bestätigt Hermann Schick.

Der Marbacher Gemeinderat hat jetzt beschlossen, sich über eine alternative Skulptur Gedanken zu machen. Dabei soll offenbar der Astronom Tobias Mayer, neben Friedrich Schiller der zweite ruhmreiche Sohn der Stadt, zu Ehren kommen. Der Bürgermeister Jan Trost will in der ersten oder zweiten Sitzung im neuen Jahr definitiv klären, ob es finanziell denkbar ist, die Figur auszutauschen, und welche Rahmenbedingungen ein Künstlerwettbewerb hätte. Dabei gehe es um die Zahl der einzuladenden Künstler, den Kostenrahmen und um Materialvorgaben.

Ein erstes Sondierungsgespräch hat bereits am 20. November stattgefunden. Auf Initiative der Marbacher Galeristin Monika Schreiber nahmen unter anderem drei potenzielle Künstler sowie Vertreter des Gemeinderats und Armin Hüttermann, Vorsitzender des Tobias-Mayer-Vereins, teil. „Ich halte die Figur mit ihrer knienden Haltung für nicht mehr zeitgemäß“, sagt Monika Schreiber, die außerdem findet, dass der Brunnen mit seiner massiven Erscheinung stilistisch nicht zwischen die beiden ebenfalls massiv wirkenden Rathäuser passt.

Der Brunnen um 1960. Foto: Stadt Marbach

Der Brunnen um 1960. Foto: Stadt Marbach

Aktuelle Situation der Marbacher Fußgängerzone

Der Standort Der Brunnen soll künftig vor dem neuen Rathaus in der Marktstraße stehen. Am bisherigen Standort soll eine neue Stufenanlage mit Sitzpodesten entstehen. Östlich davon soll Platz für den Weihnachtsbaum und für das neue Wasserspiel mit Bodenfontänen sein.

Die Arbeiten Der Abtransport des Brunnentroges steht noch aus, teilt das Marbacher Bauamt mit. Diese Arbeit wird derzeit von der ausführenden Firma vorbereitet. Der Trog wiegt etwa zehn Tonnen und muss mit einem Kran auf einen Schwertransporter verladen werden. Losgelöst von diesem Brunnen arbeitet die Firma Amos zum Leitungsbau im Abschnitt zwischen Oberer Holdergasse und Stadtkirche. Dort ist bereits die Tragschicht eingebaut. Die Obere Holdergasse wird wieder befahrbar.

Die Lagerung Der Brunnen wird bei der Firma Herzig in Rot am See eingelagert. Die Firma baut den Brunnen auch wieder auf. Das Unternehmen ist für die Stadt zudem für die Natursteinarbeiten am neuen Rathaus tätig. Die Auftragssumme liegt bei 64000 Euro. ole

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Erstellt:
8. Dezember 2021, 11:30 Uhr

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