Einzelhandel in Stuttgart

Zara prescht vor – hat die klassische Kasse bald ausgedient?

Eine Kasse ohne Mitarbeiter, das wird immer öfter zum Standard. Wie die Modekette Zara ihr Konzept in der Stuttgarter Filiale erklärt – und was Verbraucherschützer dazu sagen.

Der Gang zur Selbstbedienungskasse gehört vielerorts längst dazu (Symbolbild)

© IMAGO/Zoonar

Der Gang zur Selbstbedienungskasse gehört vielerorts längst dazu (Symbolbild)

Von Lea Krug

Die klassische Kasse im hinteren Teil des Geschäfts steht noch, doch Kassiererinnen und Kassierer gibt es hier nicht mehr. In der Zara-Filiale in der Stuttgarter Königstraße hat sich das Einkaufen spürbar verändert. Wer bezahlt, tut das nun meist allein – vor einem Terminal, ohne Blickkontakt, ohne abschließendes Gespräch.

Wo früher meist Mitarbeiterinnen standen, übernimmt heute der Bildschirm. Kleidungsstücke werden in einen kleinen Kasten gelegt, das System erkennt sie automatisch, listet sie auf und führt Schritt für Schritt zum Bezahlen. Bei vielen Geschäften gibt es eine Wahlmöglichkeit, mancherorts setzen Unternehmen jedoch auf die ausschließliche Möglichkeit des digitalen Zahlens, eine Bargeldkasse gibt es dann – wie im Fall von Zara auf der Königstraße – überhaupt nicht mehr.

Was einst wie eine technische Spielerei wirkte, ist für viele Handelsketten zur Strategie geworden. Nicht nur Supermärkte und Drogerien, auch Modehäuser wie H&M, Decathlon oder eben Zara setzen zunehmend auf Selbstbedienungskassen. Für die Kundschaft bedeutet das weniger Personal im Laden – für die Unternehmen mutmaßlich geringere Kosten. Welche betriebswirtschaftliche Logik genau dahintersteckt, darüber schweigen sich die meisten allerdings aus. Eine ganz einfache Rechnung dürfte sich nicht ergeben, denn mit dem Ausbau steigt auch die Zahl der Ladendiebstähle.

Der Mutterkonzern Inditex gibt sich bedeckt

Eine Sprecherin des Zara-Mutterkonzerns Inditex gibt aber zumindest etwas Einblick in die Strategie und den hier sogenannten „Assistant-Checkout“. „Es ist nie so, dass es nur diese Kassen gibt“, sagt die Sprecherin. Verkaufspersonal sei stets vor Ort, um bei Problemen zu helfen. Das Konzept entlaste die Mitarbeitenden und ermögliche es ihnen, sich stärker auf den Service zu konzentrieren. „Das Einkaufserlebnis wird dadurch moderner und der Einkauf bequemer“, heißt es aus dem Konzern. Je nach Standort setze man aber weiterhin auch auf klassische Kassen – das System werde individuell angepasst.

Verbraucherschützer blicken jedoch kritisch auf die zunehmende Verbreitung von Selbstbedienungskassen. Sabine Holzäpfel, Referentin bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, betont, dass die Automaten nicht nur den Händlern zugutekommen dürften: „Es sollte auch dem Verbraucher einen Vorteil bringen, nicht nur den Unternehmen.“ Besonders wichtig sei die Wahlfreiheit: „Im Interesse der Verbraucher ist es, dass es eine digitale und eine bare Möglichkeit gibt – und eine Entscheidungsmöglichkeit.“

Und auch der Datenschutz spiele eine Rolle: „Die Kartenzahlung hinterlässt digitale Fußspuren, der Kunde muss selbst entscheiden können, ob er das will.“ Gleichzeitig müsse sichergestellt sein, dass bei Problemen Ansprechpartner vorhanden sind: „Manchmal gibt es ja auch Fehlermeldungen und Schwierigkeiten.“ Ob die SB-Kassen tatsächlich Zeit sparen, hänge stark vom Einzelfall ab. „Wenn Schwierigkeiten beim Scannen der Artikel oder beim Bezahlen auftreten, kann es sogar länger dauern“, so Holzäpfel. Insgesamt betrachtet sie die Entwicklung als Teil eines fortlaufenden Prozesses: „Wir stecken in einer Entwicklung, deshalb ist es wichtig alle mitzunehmen.“

Eine Bedrohung für Arbeitsplätze?

Auch die Gewerkschaft Verdi äußert Bedenken und fürchtet den Wegfall klassischer Kassenarbeitsplätze, selbst wenn Unternehmen betonen, die Mitarbeitenden künftig auf der Verkaufsfläche einzusetzen. „Die Digitalisierung im Einzelhandel nimmt zu. Wir wissen, dass das ganz oft ohne die Beteiligung der Beschäftigten passiert“, erklärt Verdi-Bundesvorstandsmitglied Silke Zimmer. Oft gehe es darum, die Personalkosten zu senken.

Grundsätzlich stellt Zimmer fest: „Wer glaubt, dass Handel ohne Verkaufspersonal stattfinden kann, der irrt.“ Ihrer Ansicht nach verfolgen viele Arbeitgeber zudem das Ziel, die höheren Eingruppierungen von Kassiererinnen und Kassierern abzuschaffen. Die technische Entwicklung dürfe nicht nur der Arbeitgeberseite zugute kommen, findet sie. „Digitalisierung muss dazu führen, die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten zu verbessern und wieder mehr Zeit für das Beraten und Verkaufen zu erhalten“, so Zimmer. Schließlich unterscheide genau das den stationären Handel vom Online-Geschäft.

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Erstellt:
15. September 2025, 14:58 Uhr
Aktualisiert:
15. September 2025, 16:47 Uhr

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