Mord an Georgier: Fehlende russische Kooperation beklagt

dpa Berlin. In wenigen Wochen beginnt in Berlin einer der spektakulärsten Polit-Prozesse der vergangenen Jahre: Es geht um den Mord an einem Georgier, hinter dem die Bundesanwaltschaft die russische Regierung als Drahtzieher vermutet. Schon jetzt hat der Fall politische Folgen.

Im Kleinen Tiergarten werden im August Spuren am Tatort gesichert. Foto: Christoph Soeder/dpa

Im Kleinen Tiergarten werden im August Spuren am Tatort gesichert. Foto: Christoph Soeder/dpa

Knapp ein Jahr nach dem mutmaßlichen Auftragsmord an einem Georgier in Berlin wartet die Bundesregierung weiter auf russische Kooperation bei der Aufklärung.

In der Antwort auf eine Anfrage der Linken-Außenpolitikerin Sevim Dagdelen weist das Justizministerium darauf hin, dass deutsche Regierungsstellen und Behörden von August bis November 2019 mehr als ein Dutzend Mal Kontakt mit russischen Stellen gesucht hätten, um an Informationen zu dem Fall zu gelangen. Im Dezember seien zudem zwei formelle Rechtshilfeersuchen gestellt worden.

„Die letztlich erfolgte Beantwortung seitens der russischen Generalstaatsanwaltschaft mit Datum vom 2. Juni 2020 lieferte in der Sache weiterhin keine substanziellen russischen Beiträge zur Aufklärung“, heißt es in der Antwort, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Der Mord hatte im vergangenen Jahr eine Krise in den deutsch-russischen Beziehungen ausgelöst. Am 23. August wurde ein 40-jährige Tschetschene mit georgischer Staatsangehörigkeit im Kleinen Tiergarten in Berlin-Moabit aus nächster Nähe von einem Fahrrad aus erschossen. Ein dringend tatverdächtiger Russe wurde noch am selben Tag gefasst und sitzt seitdem in Untersuchungshaft.

Die Bundesanwaltschaft erhob Mitte Juni Anklage gegen ihn und geht davon aus, dass er mehr als einen Monat vor der Tat von „staatlichen Stellen der Zentralregierung der Russischen Föderation“ beauftragt wurde. Der Prozess soll noch in diesem Jahr vor dem Berliner Kammergericht beginnen, einen Termin gibt es aber noch nicht.

Die Bundesregierung hatte Russland schon im Dezember fehlende Kooperation bei der Aufklärung des Mordes vorgeworfen und deshalb zwei russische Diplomaten ausgewiesen. Moskau hatte mit der Ausweisung zweier deutscher Diplomaten reagiert.

Nach der Anklage im Juni hatte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) mit einer weiteren Strafaktion gedroht: „Die Bundesregierung behält sich weitere Maßnahmen in diesem Fall ausdrücklich vor“, sagte er. „Das ist sicherlich ein außerordentlich schwerwiegender Vorgang.“ Der russische Botschafter Sergej Netschajew wies die Vorwürfe dagegen als „unbegründet und haltlos“ zurück.

Die Linken-Politikerin Dagdelen mahnte eine bessere Kooperation auf beiden Seiten in dem Fall an: „Vorverurteilungen und das gegenseitige Zurückhalten von Informationen sind für die notwendige Aufklärung des Mordes nicht hilfreich. Es gilt, die deutsch-russische Rechtshilfe zu stärken und beiderseitiges Vertrauen zu schaffen, um das Verbrechen dringend aufzuklären statt weiter Spekulationen zu befördern.“

An diesem Dienstag reist Maas nach Moskau, um sich mit seinem Kollegen Sergej Lawrow zu treffen. Neben den Konflikten in Libyen, der Ukraine und Syrien könnte es dabei auch um die zunehmenden Probleme in den bilateralen Beziehungen gehen. Die Verärgerung in der Bundesregierung über Russland wächst jedenfalls.

Neben dem Mord im Kleinen Tiergarten gibt es nämlich noch einen anderen Fall, in dem sich der Generalbundesanwalt mit Russland befasst: die bisher größte Cyber-Attacke auf den Bundestag im Mai 2015. Rechner in zahlreichen Abgeordnetenbüros waren damals mit Spionagesoftware infiziert worden, darunter auch Computer im Bundestagsbüro der Kanzlerin.

© dpa-infocom, dpa:200810-99-105995/2

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Erstellt:
10. August 2020, 05:11 Uhr

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