Mordprozess wird neu aufgerollt

Nach Formfehler im Urteil gegen den Ex-Freund der 22-jährigen Backnangerin Katharina K. wird ab Mittwoch neu verhandelt

Symbolfoto: Erwin Wodicka

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Von Lorena Greppo

BACKNANG/STUTTGART. Im Dezember 2018 hatte das Stuttgarter Landgericht den damals 25-jährigen Daniel E. des Mordes an seiner ehemaligen Lebensgefährtin, der Backnangerin Katharina K. verurteilt. Die Richter ordneten die Höchststrafe an, lebenslange Haft, und erkannten zudem die besondere Schwere der Schuld.

Der Verteidiger legte Revision ein – ein übliches Vorgehen, wenn der Mandant die Höchststrafe bekommt. Ende Oktober 2019 dann kam die überraschende Nachricht vom Bundesgerichtshof: Dieser erkannte einen Formfehler und hob das Urteil zum Teil auf. In der zugelassenen Anklage war das Motiv noch anders dargestellt worden, als später in der Urteilsbegründung. Darauf hätte der Angeklagte zumindest förmlich hingewiesen werden müssen. Die Folge des Ganzen: Der Prozess muss neu aufgerollt werden, der BGH hat die Sache zurück an eine andere Strafkammer des Landgerichts verwiesen. Am kommenden Mittwoch, 13. Mai, ist der Auftakt dessen.

Muss nun also die ganze, monatelang dauernde Beweisaufnahme wiederholt werden? Nicht ganz. Denn, das hatte auch Daniel E.s Verteidiger, der Backnanger Rechtsanwalt Thomas Raich, bekräftigt: „Der BGH hat nicht beanstandet, dass er Katharina K. getötet hat. Darüber muss kein Beweis mehr erhoben werden.“ Es bestanden folglich auch keine Zweifel, dass Daniel E. solange in Haft blieb – und das nicht nur, weil er auch noch wegen eines anderen Vergehens verurteilt wurde. Es ist unstrittig, dass er am Abend des 8. November 2017 die 22-jährige Katharina K. in deren Wohnung in Backnang-Strümpfelbach erwürgt hat, während die beiden Söhne der jungen Frau nebenan schliefen. Im Anschluss brachte er die Leiche seiner ehemaligen Lebensgefährtin auf ein Gartenstück in Eglosheim, ein Stadtteil von Ludwigsburg, übergoss sie mit Dieselbrennstoff und zündete sie an. Die verkohlten Überreste der 22-Jährigen deponierte der damals 24-Jährige schließlich auf dem Komposthaufen eines Schrebergartens in Asperg.

Die Motivlage muss erneut geklärt werden

All diese Umstände werden zum äußeren Geschehen gezählt. Sie wurden hinreichend bewiesen und bleiben gültig. Außer E. selbst, der bis zum Schluss abstritt, Katharina K. getötet zu haben, hatte auch während des Prozesses niemand seine Täterschaft infrage gestellt. Das Vorgehen sei kaltblütig gewesen, hatte der Vorsitzende Richter Uwe Tetzlaff bei der Urteilsbegründung ausgeführt. Es zeige, wie planvoll Daniel E. vorgegangen sei.

Wenn all das nicht infrage gestellt wird, was muss dann neu verhandelt werden? Entscheidend ist hierbei das Motiv der Tat. In der zugelassenen Anklage hatte es lediglich geheißen, dass E. seine Ex-Freundin umbrachte, damit diese seine Falschangaben im Streit um das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn nicht aufdeckte. Der Angeklagte hatte in verschiedenen Unterlagen die Unterschrift Katharina K.s gefälscht und der jungen Mutter ihre Post vorenthalten. So hatte er sich das Sorgerecht erschlichen. Die 22-Jährige war dem auf die Schliche gekommen und hatte sich bei einer Backnanger Anwältin Unterstützung geholt.

Ein anderer Aspekt spielte jedoch in der Urteilsbegründung ebenfalls eine Rolle: Gegen Daniel E. lief zu jener Zeit ein Verfahren wegen Betrugs, eine Verurteilung gegen ihn zeichnete sich ab. Hätte er das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn innegehabt, so die Vermutung, könnte er dem Strafvollzug womöglich entgehen.

Zugleich hatte Katharina K. jedoch mithilfe ihrer Anwältin das alleinige Sorgerecht angestrebt. E. habe also den Verlust des Sorgerechts auch deshalb verhindern wollen, um eine Haftstrafe zu vermeiden. Zu diesem Schluss kamen zumindest die Richter nach der mehrmonatigen Beweisaufnahme. Nur war dieses Motiv in der Anklageschrift eben nicht genannt worden.

Das wiederum monierte der Bundesgerichtshof. „Dem Angeklagten hätte ein förmlicher Hinweis darauf erteilt werden müssen, dass das Landgericht die Annahme des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe auf eine Motivlage zu stützen gedachte, die von der in der Anklageschrift angenommenen deutlich abwich“, erklärte der erste Strafsenat in seinem Beschluss. Dem seien die Richter nicht nachgekommen.

Thomas Raich hofft nun, in der Neuverhandlung den Vorwurf des Mordes vom Tisch zu bekommen und stattdessen eine Verurteilung wegen Totschlags zu erwirken. Er hatte die Tat bereits in seinem Plädoyer 2018 als spontane Tat dargestellt. Demnach sei ein Streit um das Sorgerecht aus dem Ruder gelaufen. Einen Tötungsvorsatz, ein planvolles Vorgehen, wollte der Verteidiger daher im Gegensatz zu Staatsanwaltschaft und Nebenklage nicht erkennen.

Welche Version des Vorgefallenen zutrifft, wird nun erneut vor dem Stuttgarter Landgericht erörtert. Um Klarheit über das Motiv zu erlangen, wird neu verhandelt. Es müsse die Frage geklärt werden, was in den Wochen vorher sowie unmittelbar vor der Tat passiert sei, erklärt der Verteidiger. „Es wird wohl eine relativ aufwendige Beweisaufnahme“, mutmaßt Thomas Raich.

Vorerst sind für die Neuverhandlung vor der Ersten Großen Strafkammer sieben Prozesstage angesetzt worden. Diese erstrecken sich bis in den Juli, bei Bedarf können sogar noch zusätzliche Termine anberaumt werden.

Info

Auch im Landgericht gelten derzeit Hygieneregeln zum Schutz vor einer Infektion mit dem Coronavirus. „Das Tragen einer Alltagsmaske wird in den öffentlichen Bereichen der Gerichtsgebäude dringend empfohlen. Eine Maskenpflicht kann für Zuhörer im Sitzungssaal angeordnet sein“, heißt es vom Landgericht Stuttgart.

In den Sitzungssälen sind die Plätze der Verfahrensbeteiligten außerdem so angeordnet, dass sie ausreichenden Abstand einhalten können und/oder es wird ein „Spuckschutz“ (Plexiglasscheiben) bereitgestellt.

Besucher werden außerdem dazu angehalten, zu jeder Zeit mindestens 1,50 Meter Abstand zu anderen Personen einzuhalten. Es können außerdem Einlasskontrollen stattfinden, Nebeneingänge sind möglicherweise geschlossen.

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Erstellt:
11. Mai 2020, 06:00 Uhr

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