Morgendliche Rangelei in der Tankstelle

Geschehen ließ sich trotz vieler Zeugen nicht aufklären – Angeklagter akzeptierte den Strafbefehl über 2100 Euro

Morgendliche Rangelei in der Tankstelle

© Pressefotografie Alexander Beche

Von Hans-Christoph Werner

BACKNANG. Die frühen Morgenstunden eines Tages sind gefährlich. Allzu oft tragen sich Dinge zu, die dann vor dem Amtsgericht mühsam aufgearbeitet werden müssen. So geschah es auch einem 39-jährigen Kfz-Kommunikationstechniker aus Backnang. Seine Beteiligung am Geschehen brachte ihm eine Anklage wegen Körperverletzung ein.

Ein früher Morgen im August letzten Jahres, kurz vor fünf Uhr. Der Kommunikationstechniker hält an einer Backnanger Tankstelle. Und die verkauft nicht nur Benzin, sondern auch Kleinigkeiten zum Essen. Selbst zu dieser Stunde. Er bestellt zwei Toasts und eine Schachtel Zigaretten. Bei dem Tankstellenmitarbeiter ist es die erste Nachtschicht, die er im Einsatz ist. Er ist mit den Abläufen noch nicht so vertraut. Bei der Eingabe in die Kasse vertut er sich und verlangt von dem Kunden 22 statt zwölf Euro. Der, im Kopfrechnen gut, weist die Forderung zurück. Die Aufregung bei dem einen und die Empörung bei dem anderen macht’s, dass der Bezahlvorgang etwas länger dauert. Just in diesem Augenblick stellen sich andere Kunden, eine Gruppe von fünf jungen Frauen und Männern, ein, die es auch nach etwas Essbarem gelüstet. War es der Alkoholgenuss die Stunden zuvor, war es die Müdigkeit, die sich zu solch früher Stunde bei allen Beteiligten so langsam einstellte, die Reizbarkeit aller war deutlich erhöht. Der Kommunikationstechniker diskutiert mit dem Tankstellenmitarbeiter, drei der anderen Herrschaften stehen dahinter und äußern ihren Unwillen darüber, dass es so lange dauert. Zu allem, was nun folgt, gibt es unterschiedliche Versionen. Trotz großer Bemühungen von Richterin, Staatsanwältin und Verteidiger ließ sich das Geschehen nicht mehr restlos aufklären. Nicht gerade verständnisvoll wird der Kommunikationstechniker von einem der neu Hinzugekommenen angegangen. Dem missfällt das aufs Äußerste, er dreht sich um, bereit, den Redenden mit einer Ohrfeige abzustrafen, trifft aber nicht diesen, sondern eine der beteiligten Frauen. Möglich auch, so erzählt es der Angeklagte, dass er zuerst eine gelangt bekommt. Wie auch immer. Der Anfang ist gemacht, die Herren finden Gefallen daran, sich zu so früher Stunde unter Einsatz ihrer Körperkräfte zu messen. Eine heftige Rangelei entwickelt sich. Jeder teilt aus und jeder steckt ein. Freimütig gestehen alle, dass sie zugeschlagen hätten. Die miteinander Ringenden stoßen gegen Regale im Verkaufsraum der Tankstelle. Der Inhalt der Regale, vor allem Getränkedosen und Trinkflaschen, ergießt sich auf den Boden. Wobei der Kommunikationstechniker – er gibt das auch zu – etwas heftiger austeilt als die anderen. Einer der anderen trägt einen Nasenbeinbruch davon. Zudem wird ihm der Ohrring abgerissen. Die anderen wiederum lassen den Kommunikationstechniker ihre Verachtung spüren. „Hurensohn“ nennen sie ihn.

Es ergibt sich kein einheitliches Bild des Geschehens

Und das nicht nur einmal. Als der Blessuren genug sind, tritt eine kurze Pause ein. Auf der Toilette der Tankstelle befreien sich die Beteiligten von den Blutspuren ihres Kampfes. Der Kommunikationstechniker verlässt den Ladenraum. Einer aus der Gruppe, ein 23-Jähriger, Verkäufer von Beruf, ruft ihm etwas nach. Es kann nichts Schönes gewesen sein, denn prompt kommt der Backnanger wieder in Wallung. Er nimmt den Schimpfwortrufer tüchtig in den Schwitzkasten, beide verlieren das Gleichgewicht und prallen gegen ein Auto. An diesem entsteht eine Dalle. Ein entsetzlicher Schaden für die Wagenbesitzerin. Mehrfach betont sie in ihrer Vernehmung, dass ausgerechnet ihr Wagen in Mitleidenschaft gezogen wurde. Weitere Kampfrunden unterbindet die Polizei, die, von einer Tankstellenmitarbeiterin gerufen, in diesem Augenblick eintrifft.

Aufgrund des Vorfalls erhält der Kommunikationstechniker einen Strafbefehl über 2100 Euro. Mithilfe eines Rechtsanwalts erhebt er Einspruch. Infolgedessen trifft man sich zur Verhandlung vor dem Amtsgericht. Sieben Zeugen sagen aus. Aber es ergibt sich kein einheitliches Bild des Geschehens. Nach gut zweistündiger Verhandlung zieht die Richterin ein vorläufiges Resümee und macht darauf aufmerksam, dass der Widerspruch gegen einen Strafbefehl meist zur Folge hat, dass die Geldstrafe im Fall einer Verurteilung noch höher ausfällt. Bei der Rangelei hätten sich alle beteiligt. Wohl sei der Angeklagte provoziert worden, aber er habe auch nicht wenig an Schlägen ausgeteilt. Einer der Damen musste sogar infolge der erlittenen Ohrfeige ein Backenzahn gezogen werden.

Dem Angeklagtem und seinem Verteidiger wird Gelegenheit gegeben, sich zu beraten. Sie tun das, eine knappe Viertelstunde lang. Mit dem Ergebnis: Der Einspruch gegen den Strafbefehl wird zurückgenommen. Der Angeklagte hat die im Strafbefehl genannte Summe zu bezahlen. Die Verhandlung ist damit beendet. Und etwas Schadenfreude blitzt bei den Geschädigten auf.

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Erstellt:
17. Juli 2019, 06:00 Uhr

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