Mühevolle Handarbeit ohne Maschine

Zehnte Ausstellung der Quilterinnen in Unterweissach – Vielfältige und überraschend detaillierte Kunstwerke zu sehen

„Quilterinnen sind Universalgelehrte.“So haben die zahlreichen Besucher, die in das Unterweissacher Bürgerhaus zur Vernissage von Quilt im Tal (Qu. i. T.) geströmt waren, das sicher noch nie betrachtet. Ilse Thater, seit 2001 schöpferisches und auch redegewandtes Mitglied der Gruppe, klärt darüber auf, dass man bei Weitem nicht nur einer Ausstellungseröffnung beiwohne, sondern sich gar auf einem wissenschaftlichen Symposium befinde.

Künstlerin Monika Pleger (rechts) erklärt den Besuchern das Gemeinschaftswerk auf der Quiltausstellung im Bürgerhaus Unterweissach. Foto: T. Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Künstlerin Monika Pleger (rechts) erklärt den Besuchern das Gemeinschaftswerk auf der Quiltausstellung im Bürgerhaus Unterweissach. Foto: T. Sellmaier

Von Simone Schneider-Seebeck

WEISSACH IM TAL. Zum Quilten gehört nicht nur handarbeitliches Geschick, sondern auch Kenntnisse in Mathematik – Berechnung der notwendigen Stoffmenge – , Kunst und Gestaltung, Sprache – viele Fachbegriffe sind auf Englisch – sowie Geometrie, denn es muss auch alles zusammenpassen. Und die Ergebnisse des perfekten Zusammenspiels all dieser Fertigkeiten können seit Mittwochabend auf drei Etagen im Bürgerhaus bewundert werden.

Unglaublich viel Kreativität zeigt sich dort. Die 22 Mitglieder der Quiltgruppe haben regelrecht gezaubert. Klassische Entwürfe aus geometrischen und grafischen Mustern finden sich, große bunte Decken und kleine Wandbehänge. Da sind etwa unzählige kleine Dreiecke sorgfältig aneinandergenäht und bilden so das Bild „Lebendiges Wasser“. Dieser Entwurf stammt von Marieluise Schmidgall, die das Quilten ins Tal gebracht hat. In den 90ern war das. Zunächst hatte sich eine kleine Runde interessierter Damen in den heimischen Wohnzimmern zusammengefunden, um zu quilten. Seit 1993 gibt es auch Volkshochschulkurse zum Thema. Aktuell hat die Gruppe zwei Kursleiterinnen, Renate Spahmann hat ihre Ausbildung erst vor wenigen Tagen mit der Abschlussnote 1,0 bestanden. Birgit Schönbrunn ist schon länger als Kursleiterin tätig. Mittlerweile haben die Quilterinnen ein festes Quartier.

Nachwuchs zu finden,

ist nicht einfach

Im ehemaligen Bürgermeisteramt zu Bruch stehen ihnen zwei Räume zur Verfügung, in denen das Material auch eingelagert werden kann. Ebenso wie die Herzkissen, die den Damen im Alter von etwa 30 bis über 70 Jahren ein besonderes Anliegen sind. Damit werden Brustkrebspatientinnen unterstützt. Unter den Arm geklemmt, schützen sie den erkrankten Bereich der Brust und lindern so Schmerzen. Die Kissen dürfen nicht verkauft, sondern nur verschenkt werden und kommen viel im Krankenhaus zum Einsatz. „Wir bekommen nur positive Rückmeldungen“, so Eva Pondelik und Helga Voell, die schon seit vielen Jahren zur Gruppe gehören.

Alles ist möglich bei der Gestaltung, wie die bereits zehnte Ausstellung in Unterweissach zeigt. Nicht nur große Patchworkdecken, die zum Einkuscheln einladen, sind zu sehen, auch viele andere Ideen überraschen das Auge des Betrachters. Da gibt es etwa den gepatchten Ballon, in dessen ebenfalls gepatchtem Korb ein Teddy sitzt und den Besucher freundlich betrachtet. Ein Adventskalender findet sich auf der Empore, darauf ist die Lokomotive Emma auf ihrem Weg in den Weihnachtswald zu sehen. Es gibt abstrakte und figürliche Motive, dezente Farben und kräftige Kontraste. Ein klassischer Hochzeitsquilt ist ausgestellt, der mit Spitzen- und Wäscheresten aus altem Familienbesitz gefertigt ist, bestickt mit Knöpfen und Perlen. Auf einem Wandbehang ranken sich Blumen und Schmetterlinge um verspielte Stoffstücke.

Alles in mühevoller Handarbeit ohne Maschine genäht und appliziert, wie Ute Herold hervorhebt. Man braucht Zeit und Geduld, um diese Kunstwerke herzustellen. Das mag mit ein Grund sein, weshalb es schwierig ist, Nachwuchs zu bekommen, bedauert Eva Pondelik. Es sei oft schwierig, genügend Zeit am Stück für die aufwendigen Näharbeiten zu finden. Eine Quilterin nutzt dafür die Fahrt zur Arbeit in der S-Bahn.

Neben den individuellen Kunstwerken sind auch Gemeinschaftsprojekte ausgestellt. Seit Jahren beispielsweise gibt es den Gruppenquilt. Zu einem bestimmten Thema steuert jede ein oder mehrere Stücke bei, und daraus wird am Schluss ein gemeinsames großes Kunstwerk. Traditionell ist dieses dann der erste Preis bei der Verlosung am letzten Tag der Ausstellung. In diesem Jahr geht der Erlös an den Verein Bauchgefühl, der sich für eine natürliche Geburt einsetzt. Seit 2014 gibt es noch weitere Gemeinschaftsprojekte. Angefangen hat es mit der „Pinnwand“. Eine Frau hat einen Hintergrund entworfen, sich dazu ein Thema überlegt und dieses dann weitergegeben. Die Weiterentwicklung blieb streng geheim. Alle paar Wochen wanderte das Werk weiter und kam schließlich zum Ursprung zurück. Ganz überraschende und sehr kreative Kunstwerke ergaben sich daraus.

Ebenso wie beim Projekt Round Robin. Ursprünglich bezeichnet dies ein Mittelstück, um das herum weitere Quilterinnen „anbauen“. Hier nun wurde ebenfalls ein Thema vorgegeben, beispielsweise „Märchen“, „1001 Nacht“, „Filmklassiker“ oder „Meer“. Ganz erstaunliche Dinge sind so geschaffen worden, etwa ein Wandbehang aus mehreren Teilen, mit Wolkenhimmel, Leuchtturm, grasenden Schafen. Vor den Märchenszenen auf kleinen Tafeln hat sich eine Gruppe Besucher versammelt, die lebhaft über die Geschichten diskutiert und sich gegenseitig auf die vielen kunstvollen Details aufmerksam macht.

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Erstellt:
15. Dezember 2018, 06:00 Uhr

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