Müllwagenfahrer bei Unfall in Erbstetten tödlich verletzt
Caddy-Fahrer kracht zwischen Erbstetten und Nellmersbach auf das Heck eines Müllfahrzeugs und erfasst den Fahrer, der gerade einem Kollegen beim Rangieren der Container hilft. Der Unfallverursacher erleidet einen Schock und wird in ein Krankenhaus gebracht.

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Das 57-jährige Opfer starb noch vor Ort an den Folgen der Kollision. Foto: 7aktuell/Kevin Lermer
Von Matthias Nothstein
Burgstetten. Zu einem tödlichen Unfall ist es am gestrigen Donnerstag auf der Kreisstraße1836 zwischen Erbstetten und Nellmersbach gekommen. Der 57-jährige Fahrer eines Müllfahrzeugs kam dabei ums Leben. Der Mann war gegen 9.15 Uhr auf der Kreisstraße bei den Sportanlagen zusammen mit seinem Kollegen mit der Leerung von Papiercontainern beschäftigt. Laut Polizeiangaben stand er dazu hinter seinem Fahrzeug, als ein nachfolgender, in Richtung Nellmersbach fahrender VW Caddy auf das Heck des Lastwagens auffuhr und dabei den 57-Jährigen erfasste. Das Opfer wurde so schwer verletzt, dass es noch an der Unfallstelle verstarb. Der 74-jährige Fahrer des Caddy erlitt einen Schock und musste notfallmedizinisch versorgt und in ein Krankenhaus gebracht werden. Der zweite Mitarbeiter, der mit den Leerungen der Container beschäftigt war, blieb unverletzt.
Am Caddy entstand ein Totalschaden in Höhe von rund 25000 Euro. Der Sachschaden am Müllwagen wurde von der Polizei auf 10000 Euro beziffert. Die Fahrbahn war zur Räumung der Unfallstelle für mehrere Stunden komplett gesperrt.
Der Schock bei der Murrhardter Firma Schäf, bei der der Verunglückte angestellt war, ist riesengroß. Schäf-Prokurist Roland March ringt um Fassung, als er über den Familienvater sagt, er sei ein absolut untadeliger Mitarbeiter gewesen, der seit vier Jahren im Betrieb angestellt war und noch keinen Unfall gehabt habe. Vielmehr habe sich der Mann immer vorbildlich verhalten. Zu seinem Team und den Umständen vor Ort sagte March: „Unsere Mitarbeiter haben von ihrer Seite alles richtig gemacht.“
Einen Unfall von solch einer Dimension hat es bei Schäf noch nie gegeben
Der Prokurist bestätigt, dass der Unfall allen Mitarbeitern seines Betriebs nahegeht. „Es gibt immer mal wieder einen Unfall, meist nur Kleinigkeiten, aber doch auch schwerere Vorfälle. Aber einen Unfall von dieser Dimension hat es bei Schäf noch nie gegeben.“ Und dann trifft es einen doch, „aus heiterem Himmel“. Das Murrhardter Abfallentsorgungsunternehmen beschäftigt ungefähr 140 Mitarbeiter und ist für die Müllentsorgung in etwa zwei Drittel des Rems-Murr-Kreises verantwortlich.
Marcus Siegel, der Vorstandsvorsitzende der Abfallwirtschaft Rems-Murr (AWRM), zeigte sich gestern geschockt: „In Gedanken sind wir heute bei der Familie des Opfers und bei den Kollegen und Mitarbeitern der Firma.“ Siegel erinnert daran, dass laut Statistik die Beschäftigten bei der Abfallentsorgung zu den Berufsgruppen gehören, die bei ihrer Tätigkeit am gefährdetsten sind. Da bei der AWRM der Arbeitsschutz ganz groß geschrieben werde, musste Siegel bislang nur – was die Anzahl angeht – Arbeitsunfälle im kleinen einstelligen Bereich registrieren. Und dann waren es meist keine schlimmen Vorkommnisse. Umso mehr ist Siegel nach dem Unfall geschockt. Er zollt den Ladern ohnehin Hochachtung, da diese „tagtäglich bei Wind und Wetter einen Riesenjob machen“. Er stellt sich vor, um wie viel mehr es ihnen nun schwerfallen wird, in den nächsten Tagen wieder den so wichtigen Dienst zu verrichten. Siegel: „Alle Achtung vor jedem, der diese Arbeit leistet.“
Leider kommt es sehr oft zu Unfällen
Die Menschen, die in der Abfallwirtschaft arbeiten, erfahren laut Jakob Becker vom Verdi-Bezirk Stuttgart in Deutschland nicht die nötige Wertschätzung für ihre gesellschaftlich so wichtigen Tätigkeiten. Dabei gehe es nicht nur um den Stellenwert, sondern auch um die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung. Becker: „Was allerdings noch weniger Beachtung findet, ist die Gefährlichkeit der Tätigkeiten im Straßenverkehr und die fehlende Achtsamkeit anderer Verkehrsteilnehmer mit den Beschäftigten in der Entsorgung. Leider kommt es daher sehr oft zu Unfällen und wie in diesem Fall auch zu tödlichen.“ Der Verdi-Vertreter spricht den Angehörigen des Verstorbenen und auch dem Kollegen, der den Unfall miterleben musste, seine Anteilnahme aus. „Wir hoffen, dass nicht nur durch diesen tragischen Fall sowohl die Politik als auch die Arbeitgeber mehr Anstrengungen unternehmen, um die Beschäftigten zu schützen.“
Der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Aalen, Rudolf Biehlmaier, betonte gestern nochmals, dass die Unfallursache weiter unklar sei. Er kündigte an, dass von der Staatsanwaltschaft Stuttgart ein Sachverständiger hinzugezogen werde, um die näheren Umstände zu prüfen.
Eine vereiste Scheibe hat möglicherweise die Sicht des Autofahrers beeinträchtigt
Gleichzeitig sagte Biehlmaier aber auch: „Möglicherweise hat eine vereiste Windschutzscheibe in Kombination mit einer ungünstigen Sonneneinstrahlung die Sicht des 74-jährigen Autofahrers beeinträchtigt.“
Risiko Das höchste Risiko, einen Arbeitsunfall zu erleiden, trugen in den vergangenen Jahren Beschäftigte in Bauberufen wie Maurer, Zimmerleute oder Steinmetze. So wurden zum Beispiel im Jahr 2018 auf 1000 Vollarbeiter in diesen Berufen 138 meldepflichtige Arbeitsunfälle registriert. Gleich auf Platz zwei rangieren die Beschäftigten in der Abfallentsorgung. Sie arbeiten ebenfalls mit einem hohen Gefährdungspotenzial und kommen auf 108 meldepflichtige Arbeitsunfälle pro 1000 Vollarbeiter. Auf Platz drei liegen Lokomotivführer mit 100 meldepflichtigen Unfällen. Zu diesen Ergebnissen kommt die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) in ihrer neuen Broschüre „Arbeitsunfallgeschehen“. Bei einer Unfallquote von 94 liegen Ausbaufachkräfte, das sind Dachdecker, Boden-, Fliesenleger, aber auch Stuckateure und Glaser. Es schließen sich an: Berufe der Nahrungsmittelverarbeitung wie Beschäftigte im Bäcker-, Konditor- und Fleischereigewerbe mit einer Unfallquote von 89. Weitere Quoten: Beschäftigte im Berufssport kamen auf 80 meldepflichtige Arbeitsunfälle je 1000 Arbeitnehmer, Beschäftigte, die mobile Anlagen bedienen wie Gabelstapler, Erdbewegungsmaschinen und Kräne, auf 77 und die Bergleute auf 67. Am wenigsten gefährdet sind laut der DGUV-Erhebung Büro- und Sekretariatskräfte (4) und Friseure (10).
Unfälle Müllfahrzeuge sind immer wieder in tödliche Unfälle verwickelt. Vor eineinhalb Jahre wurde in Halle ein fünfjähriges Mädchen von einem Müllfahrzeug überrollt und getötet. Die Ermittlungen gegen den 40-jährigen Müllfahrer wurden dieser Tage endgültig eingestellt. Im August 2017 fuhr bei Nagold ein 54-Jähriger mit seinem Müllauto zu schnell in eine Kreuzung. Der Lkw kippte auf ein voll besetztes Auto, in dem alle fünf Insassen starben, darunter zwei Kinder. Der Fahrer wurde wegen fahrlässiger Tötung zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. Im Prozess hatte er gesagt, die Bremsen hätten nicht funktioniert. Ein Gutachter konnte aber keinen technischen Defekt feststellen. In Uhingen ist Ende Dezember 2021 eine 88-jährige Frau, die mit einem Rollator unterwegs war, von einem Müllauto überfahren und tödlich verletzt worden. Der Fahrer gab an, dass er angehalten hatte, da er die Frau auf dem Gehweg gesehen hatte. Anschließend fuhr er wieder los und erkannte im Rückspiegel oder in der Heckkamera, dass die Frau auf der Straße lag. Bei einem Unfall in Kunnersdorf (Landkreis Görlitz) ist im Januar 2021 ein Müllwerker zwischen seinem Müllauto und einem Bus eingeklemmt worden und gestorben. Der 56-Jährige wollte einen Busfahrer vor einer Straßensperrung warnen. Als er aus seinem Fahrzeug ausstieg, rollte das Müllauto los.