Multitalente für nachhaltige Entwicklung

Vertreter deutscher Natur- und Geoparks treffen sich am Fornsbacher Waldsee – Austausch und Auszeichnungen

„Mensch und Natur ist zurzeit das Topthema“, sagte Landrat Richard Sigel am Donnerstagabend mit Blick auf den Klimastreiktag und seine Aktionen auch im Kreis. Als Vorsitzender des gastgebenden Naturparks Schwäbisch-Fränkischer Wald, der eine dreitägige Tagung ausrichtet, hieß er rund 90 Vertreter aus 50deutschen Natur- und Geoparks am Fornsbacher Waldsee willkommen. Im Mittelpunkt des Treffens stehen Austausch und Netzwerkarbeit. Zudem gab es Auszeichnungen für einzelne Naturparks und ein Vorzeigeprojekt.

Begegnung und Naturerleben im Schwäbisch-Fränkischen Wald: Naturparkführer Walter Hieber (vorne Mitte, in Schwarz) mit der Wandergruppe beim Hörschhof, die sich auf eine 24-Stunden-Tour unter dem Motto „Schlaflos im Schwäbischen Wald“ gemacht hat. Archivfoto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Begegnung und Naturerleben im Schwäbisch-Fränkischen Wald: Naturparkführer Walter Hieber (vorne Mitte, in Schwarz) mit der Wandergruppe beim Hörschhof, die sich auf eine 24-Stunden-Tour unter dem Motto „Schlaflos im Schwäbischen Wald“ gemacht hat. Archivfoto: A. Becher

Von Christine Schick

MURRHARDT. Vor dem Hintergrund eines brennenden Amazonas, aber auch verdurstenden Wäldern im Rems-Murr-Kreis beziehungsweise im Naturpark betonte Landrat Sigel, wie wichtig die Thematik sei und dass sie gleichsam durch und mit der Arbeit der Naturparks auch bei den Menschen ankomme. Insofern unterstrich er das frühe Aufgreifen von Themen wie Biodiversität sowie die Ausrichtung des Naturparks Schwäbisch-Fränkischer Wald als einen, der alle Menschen im Sinne der Inklusion zusammenbringen möchte. Neben dem Format „Ebnisee für alle“ und den inklusiven Wanderbotschaftern ist das jüngste Beispiel dafür das inklusive Geburtstagsevent mit Schlagersängerin Andrea Berg rund ums 40-jährige Bestehen des Naturparks.

Friedel Heuwinkel, Präsident des Verbands Deutscher Naturparke, verwies ebenso auf die Aktualität der mit der Naturparkarbeit verbundenen Themen, erinnerte aber auch daran, dass die Naturparks nicht immer im Mittelpunkt des Interesses gestanden hätten. Trotzdem könnten sie enorm punkten – mit der Verbindung von städtischen und ländlichen Räumen sowie in Sachen Nachhaltigkeit, Ernährung und Lebensqualität. „Auch der Klimaschutz wird uns als besondere Aufgabe weiterhin beschäftigen“, sagte Heuwinkel. Besonderes Potenzial sah er durch die Umweltbildung in Naturparkschulen und Naturparkkitas. Vielleicht holen die Kinder dann auch ihre Eltern (wieder) mit ins Boot, so die Überlegung des Präsidenten.

Dass der Mensch die Natur braucht, aber sie ihn umgekehrt nicht, macht die Arbeit für Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg zu einer herausfordernden. Dabei gehe es auch darum, die entstandene Kulturlandschaft zu pflegen und Naturschutzaspekte weiterzuentwickeln. Der Umweltbildung falle eine Schlüsselrolle zu, weil auch entlang der aktuellen Diskussionen die tiefergehenden Zusammenhänge nicht immer erfasst würden.

Der Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald erhält die Auszeichnung „Qualitäts-Naturpark“ (von links): Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch, Naturparkgeschäftsführer Bernhard Drixler, Landrat Richard Sigel und Friedel Heuwinkel, Präsident Verband Deutscher Naturparke, bei der Verleihung im Kulinarium am Fornsbacher Waldsee. Darüber hinaus gab es eine Urkunde zum 40-jährigen Bestehen des Naturparks. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Der Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald erhält die Auszeichnung „Qualitäts-Naturpark“ (von links): Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch, Naturparkgeschäftsführer Bernhard Drixler, Landrat Richard Sigel und Friedel Heuwinkel, Präsident Verband Deutscher Naturparke, bei der Verleihung im Kulinarium am Fornsbacher Waldsee. Darüber hinaus gab es eine Urkunde zum 40-jährigen Bestehen des Naturparks. Foto: J. Fiedler

Letztlich müsse sich jeder Einzelne fragen, was er zu Klima und Umweltschutz beitragen kann. Einige ihrer Punkte: regionale Produkte konsumieren, auch wegen des geringeren Transportaufwands, Synergien der Akteure wie Naturparks nutzen sowie Wertschätzung von Lebensmitteln fördern, beispielsweise durch den Ernährungsführerschein oder die Naturparkkochschule.

Als Expertin für Netzwerkarbeit berichtete Landrätin Marion Dammann (Lörrach), Sprecherin der AG Naturparke Baden-Württemberg, von ihren Überlegungen. Für die Arbeit der sieben Naturparks („Damit wir nicht die sieben Zwerge hinter den sieben Bergen bleiben“) braucht es mit Blick auf Fördermittel und Personal auch das entsprechende Gewicht und politischen Einfluss. Gleichsam wichtig sei eine Öffentlichkeitsarbeit beispielsweise auf Messen oder mit dem neuen Magazin „#Naturpark“. Das Aufgabenspektrum ist groß: „Naturparke sind Multitalente, wenn es um die nachhaltige Entwicklung der ländlichen Räume in Baden-Württemberg geht. Dafür werden jährlich etwa 250 Projekte mit rund drei Millionen Euro Fördermitteln umgesetzt“, sagte Marion Dammann.

Bernhard Drixler, Geschäftsführer des Naturparks Schwäbisch-Fränkischer Wald, vermittelte mit einem Kurzfilmbeitrag Eindrücke über die Arbeit vor Ort. Im Anschluss erinnerte er an die aktuellere Entwicklung bis heute. Bereits 2004 richtete der Naturpark schon einmal das Bundestreffen aus, im selben Jahr wurde das Naturparkzentrum in Murrhardt eröffnet. Wichtige Etappen, Erfolge und Formate sind für ihn die Ausbildung der ersten 25 Naturparkführer 2007 plus Neuauflage 2014/15. Nun sind es 35 Frauen und Männer, die Besucher an den Naturpark heranführen.

2007 startete zudem der erste Naturparkmarkt, hinzu kamen Angebote wie der Naturparkteller, der die Gastronomen mit ins Boot holt, dann der Wanderwalter, ein einheitliches Wanderleitsystem sowie Veranstaltungen für Jüngere wie „Gaildorf chillt“. Mit Blick auf inklusive Angebote betonte Drixler: „Wir möchten ein Naturpark für alle sein.“ Klares Alleinstellungsmerkmal für ihn: die Vielfalt auf kleinstem Raum, was eben auch die Menschen mit einschließt.

Zum Abschluss ging es an die Preisverleihungen. Im Rahmen der „Qualitätsoffensive Naturparke“ wurden acht Naturparks als „Qualitäts-Naturpark“ – unter ihnen auch der Schwäbisch-Fränkische Wald – und ein Naturpark als „Partner der Qualitätsoffensive Naturparke“ ausgezeichnet (siehe Kasten).

Zudem wurde das gemeinsame Projekt „Naturaktionstage“ von Kaufland und dem Verband Deutscher Naturparke als offizielles Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt im Rahmen des Sonderwettbewerbs „Soziale Natur – Natur für alle“ ausgezeichnet. Ralf Forst vom Bundesamt für Naturschutz erklärte, dass es die Expertenjury überzeugt habe, weil es Schulklassen ermögliche, Naturparks intensiv zu erleben und dabei auch die Teilnahme von Kindern aus sozial benachteiligten Familien unterstütze. Besonders hob er als Schwerpunkte den Einsatz der Naturparkentdeckerwesten, die Fotopirsch und die Nachtwanderung als Event für die Schüler hervor. Das Projekt wurde auch im hiesigen Naturpark als Angebot für Schulen umgesetzt.

Info
Siegel gilt für fünf Jahre

Als „Qualitäts-Naturpark“ wurden die Naturparks Dahme-Heideseen (Brandenburg), Habichtswald (Hessen), Obere Donau und Schwäbisch-Fränkischer Wald (Baden-Württemberg), Solling-Vogler (Niedersachsen), Steigerwald und Oberer Bayerischer Wald (Bayern) und der Natur- und Geopark Vulkaneifel (Rheinland-Pfalz) ausgezeichnet. Der erst 2010 gegründete Naturpark Südharz (Thüringen) erhielt die Auszeichnung „Partner der Qualitätsoffensive Naturparke“.

Die an der Qualitätsoffensive teilnehmenden Naturparks beantworten rund 100 Fragen zur ihrer Arbeit, die sich in die fünf Handlungsfelder „Management und Organisation“, „Naturschutz und Landschaftspflege“, „Erholung und nachhaltiger Tourismus“, „Bildung und Kommunikation“ sowie „nachhaltige Regionalentwicklung“ untergliedern. Wird die Hälfte der 500 Punkte nicht erreicht, ist der Naturpark ein „Partner der Qualitätsoffensive Naturparke“. Die Auszeichnung ist fünf Jahre gültig.

Insgesamt tragen jetzt 77 der 105 Naturparks in Deutschland das Siegel „Qualitäts-Naturpark“, acht sind „Partner der Qualitätsoffensive Naturparke“. Weitere Infos unter www.naturparke.de.

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Erstellt:
21. September 2019, 11:30 Uhr

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