Murrhardt plant Online-Marktplatz
Stadt bewirbt sich bei baden-württembergischer Ausschreibung – Lokale Plattform für Handel und Innenstadtakteure
Die Entwicklung eines lokalen Online-Marktplatzes steht auf der Arbeitsliste des Murrhardter Stadtmarketingvereins, in dem sich der Einzelhandel und die Innenstadtakteure im Frühjahr neu zusammengeschlossen haben. Dass das Land Baden-Württemberg nun auch einen Ideenwettbewerb zu solch einer Plattform ausgeschrieben hat, will die Stadt nutzen.
Von Christine Schick
MURRHARDT. Bürgermeister Armin Mößner, zurzeit auch Vorsitzender des Stadtmarketingvereins, hält es für notwendig, dass der Einzelhandel im Netz präsent ist. Der Aufbau eines Online-Marktplatzes als gemeinsame Plattform für die Innenstadtakteure sei einer der Punkte, die man sich im Verein sowieso vorgenommen habe. „Das Thema ist im Stadtmarketing allerdings auch kontrovers diskutiert worden“, merkte er an, als er das Vorhaben im Gemeinderat vorstellte. Nun hat das Ministerium für den Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, einen Ideenwettbewerb „Lokaler Online-Marktplatz“ ausgeschrieben, bei dem es um den Aufbau solch einer gemeinsamen Präsenz im Internet geht. Dabei sind Rahmenbedingungen zu erfüllen. Das Einzugsgebiet muss 10000 Einwohner aufwärts umfassen, die Nahversorgung in einer Standortgemeinschaft organisiert sein, und es bedarf rund 20 Nahversorger, die bereit sind, sich als Teilnehmer einzubringen. Das Ministerium sieht zudem vor, dass ein lokaler Kümmerer 20 Stunden pro Woche für das Projekt reserviert. Dieser soll auch Ansprechpartner für Vertreter anderer Modellkommunen sein, um einen Austausch und die geplante Evaluation zu ermöglichen.
Als Projektlaufzeit sind zwei Jahre vorgesehen, Startpunkt soll im Herbst dieses Jahres sein. Die Höhe der Förderung orientiert sich an der Konzeption des jeweiligen Online-Marktplatzes, kann bis zu 200000 Euro beziehungsweise bis zu 80 Prozent der Projektkosten betragen. „Ob wir bei der Bewerbung Erfolg haben, ist natürlich offen“, sagte Mößner. Die Voraussetzungen für die Teilnahme seien vorhanden und man sei bereit, die Kümmererstelle auszuweiten.
Die Einschätzungen der Fraktionssprecher fielen unterschiedlich aus. Bei Stefan Tensing (UL) überwogen die kritischen Töne. „Das kommt 20 Jahre zu spät“, sagte er. Große Unternehmen seien schon entsprechend aufgestellt. Es sei sicher schön, über solch eine Plattform zu verfügen, ob sie dann aber im Alltag zu einem größeren Erfolg führe, müsse offenbleiben. Da ein Gelingen mit davon abhänge, dass die Teilnehmer hinter dem Vorhaben stünden, wollte Tensing auch wissen, was im Stadtmarketing diskutiert worden sei.
Nach der Einschätzung Mößners sind es nur Einzelne, die den Nutzen einer solchen Plattform anzweifeln, weil für diese noch nicht klar sei, was dahinterstehe. Die Präsenz auf einem Online-Auftritt sei aber eine Voraussetzung für den Erfolg. Beim Wettbewerb gehe es weniger um grundsätzlich Neues, sondern um das gemeinsame Vorhaben der Online-Präsenz und deren Umsetzung. Mößner könne sich gut vorstellen, auch Direktvermarkter miteinzubinden. 20 Mitstreiter aus dem Nahversorgungsbereich habe man mit im Boot. Norbert Hopp (SPD) stellte fest, dass Online-Bestellungen den Transportverkehr haben bedenklich anwachsen lassen. Insofern sei ein Konzept mit lokal verankertem Handel von Vorteil. Auch die Existenz der Händler hänge mittelfristig von einer digitalen Präsenz ab. Gerd Linke (MD/AL) hält den Wettbewerb für eine Chance. Mögliche Fördermittel könnten als Steigbügel genutzt werden, sich flotter auf den Weg zu machen. Der Einzelhandel hätte so die Gelegenheit, sich anzuschließen und das Projekt den Service einer Expertise – durch die begleitende Evaluation der Teilnehmerkonzepte und deren Umsetzung. Letztendlich stimmte der Gemeinderat geschlossen dafür, sich beim Ideenwettbewerb zu beteiligen.
„Lokal an erster Stelle“ wird zunehmend zur Konkurrenz von „Geiz ist geil“ Info Die digitale Transformation, der demografische Wandel und die mobile Kommunikation verändern sowohl die Ortskerne als auch das Verhalten der Besucher und haben damit Auswirkungen auf den örtlichen Einzelhandel. Während die Entwicklung im stationären Handel nahezu stagnierte, hat der Online-Handel massiv zugenommen. Auf diese Entwicklungen müssen sich Einzelhandel und Gemeindeverwaltungen einstellen. Durch den Weggang alteingesessener Geschäfte und Gaststätten bluten Ortskerne zum Teil regelrecht aus. Der lokale Handel verlagerte sich zunehmend auf die grüne Wiese beziehungsweise in die Städte. Daher hat der Handel es auch gegen die großen E-Commerce-Player schwer. Zugleich ist allerorten eine Trendwende in der Verbraucherneigung festzustellen. Regionale und lokale Produkte rücken zunehmend in den Fokus. Ausgehend von der Strategie der Direktvermarktung ist dieses Bewusstsein zwischenzeitlich im nahezu gesamten Handelsportfolio angekommen. „Local first“ (Lokal an erster Stelle) wird zunehmend zur Konkurrenz von „Geiz ist geil“. Die schwierigste Hürde ist in diesem Kontext die Frage des Einkaufskomforts. Oftmals verliert sich die Bereitschaft zum lokalen Einkauf im damit verbundenen Aufwand. Um dieses neue Potenzial der Verbraucherneigung optimal nutzen zu können muss es daher die Aufgabe sein, örtliche Verkaufsportale zu entwickeln, die dem Kunden das erwartete Maß an Einkaufskomfort bieten: Angefangen von der Möglichkeit einer Online-Recherche über den Online-Einkauf der bestehenden Angebote, der Möglichkeit in einem Aufwasch das Vollsortiment erhalten zu können bis hin zum Service eines taggleichen Lieferdienstes. Örtliche Händler, öffentliche und private Dienstleister sollen durch den Online-Marktplatz eingebunden und vernetzt werden, gleichzeitig wünscht sich das Ministerium, dass ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt wird – mit einem Informationsangebot über die Kommune etwa zu Veranstaltungen, Sehenswürdigkeiten und Verkehr. Quelle: Ausschreibung zum Ideenwettbewerb