Murrhardter Duell ums Direktmandat

Bei der Landtagswahl am 14. März werden die Karten im Wahlkreis Backnang neu gemischt. Wilfried Klenk (CDU) tritt nicht mehr an, Chancen auf sein Direktmandat rechnet sich neben CDU-Bewerber Georg Devrikis auch Ralf Nentwich von den Grünen aus.

Mit digitalen Angeboten versuchen Parteien und Kandidaten, die Menschen in der Pandemie zu erreichen. Die Grünen haben dafür sogar eine fernsehtaugliche Wahlkampfshow im Waiblinger Kulturhaus Schwanen produziert.Foto: Bündnis 90/Die Grünen

Mit digitalen Angeboten versuchen Parteien und Kandidaten, die Menschen in der Pandemie zu erreichen. Die Grünen haben dafür sogar eine fernsehtaugliche Wahlkampfshow im Waiblinger Kulturhaus Schwanen produziert.Foto: Bündnis 90/Die Grünen

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. Im Waiblinger Kulturhaus Schwanen haben die Rems-Murr-Grünen am vergangenen Freitag ihren offiziellen Wahlkampfauftakt gefeiert. Die drei Kandidaten Swantje Sperling (Waiblingen), Petra Häffner (Schorndorf) und Ralf Nentwich (Backnang) waren da, Fernsehmoderator Michael Antwerpes war da, und auch eine Bläsercombo namens Erpfenbrass. Wer nicht da war, das waren Wählerinnen und Wähler. Die konnten die Veranstaltung nämlich nur zu Hause verfolgen, als Video auf Youtube. Immerhin rund 400 Interessierte haben das bis gestern getan.

Nicht nur die Grünen müssen in diesen Wochen erfinderisch sein, um die Wählerinnen und Wähler anzusprechen. Ein klassischer Wahlkampf mit Auftritten in Festhallen und Landgasthöfen ist wegen der Coronabeschränkungen nicht möglich. Infostände sind zwar erlaubt, aber nur bedingt erfolgversprechend, solange die Fußgängerzonen wegen des Lockdowns wie ausgestorben sind. Als Alternative bleiben neben klassischen Werbemitteln wie Plakaten, Zeitungsanzeigen und Flyern nur digitale Formate.

Georg Devrikis

Georg Devrikis

Auch die Kandidatinnen und Kandidaten im Wahlkreis Backnang wollen diese Möglichkeiten nutzen, die meisten allerdings eher notgedrungen. „Meine Leidenschaft ist eigentlich der persönliche Kontakt mit den Menschen“, sagt CDU-Kandidat Georg Devrikis, „leider fehlt das diesmal“. Auch Gernot Gruber, der seit 2011 für die SPD im Landtag sitzt, würde die Wähler lieber am Bahnhof oder an den Werkstoren treffen als in Videokonferenzen. Das sei ihm angesichts hoher Infektionszahlen aber zu riskant. Die Situation sei paradox, sagt Gruber: „Einerseits erwarten die Leute, uns zu sehen, andererseits erwarten sie, dass wir uns an die Coronaverordnungen halten.“ Hier einen Mittelweg zu finden, wird eine besondere Herausforderung für alle Landtagskandidaten.

Gernot Gruber hofft wieder auf persönliche Stimmen.

Dabei verspricht die Wahl am 14. März auch aus lokaler Sicht besondere Spannung. Erstmals seit Gründung des Wahlkreises Backnang im Jahr 1976 muss die CDU nämlich um das Direktmandat zittern. In landesweiten Umfragen liegen Grüne und CDU derzeit fast gleichauf, den Wahlkreis Backnang bewertet das Berliner Onlineportal Wahlkreisprognose.de als „eher unsicher für CDU“. Bei der Wahl vor fünf Jahren war der Vorsprung der Christdemokraten auf die Grünen bereits von mehr als 20 auf nur noch 5 Prozentpunkte zusammengeschmolzen. Nun kommt hinzu, dass der langjährige und auch über Parteigrenzen hinaus beliebte Abgeordnete Wilfried Klenk nicht mehr antritt.

Ralf Nentwich

Ralf Nentwich

Grünen-Kandidat Ralf Netwich sieht deshalb die einmalige Chance für einen Wechsel: „Meine klare Zielsetzung ist es, das Direktmandat zu holen“, sagt der 38-jährige Lehrer und Leiter des Kreismedienzentrums. Seinen CDU-Konkurrenten kennt er gut, denn Georg Devrikis kommt wie Nentwich aus Murrhardt. Beide sitzen dort im Gemeinderat und können persönlich gut miteinander. Bei der Landtagswahl sind sie allerdings Gegenspieler, denn Devrikis will das Direktmandat für die CDU verteidigen. Wilfried Klenk sei dabei sein Vorbild, erklärt Devrikis. „Er ist ein Schaffer, ehrlich und bürgernah. Mein Antrieb ist es, seine Arbeit fortzusetzen“, sagt der 39-Jährige, der als Finanzberater für eine regionale Bank arbeitet.

Gernot Gruber

Gernot Gruber

Im Unterschied zu Bundestagswahlen haben die Wählerinnen und Wähler bei der Landtagswahl nur eine Stimme, können also nicht zwischen Partei und Kandidat differenzieren. Wer das Direktmandat verpasst, hat die Möglichkeit, durch ein überdurchschnittliches Ergebnis im Vergleich zur eigenen Partei das Ticket nach Stuttgart zu lösen. Darauf setzt erneut Gernot Gruber, der so 2016 sein Zweitmandat trotz herber Verluste für die SPD verteidigen konnte. „Das Wahlrecht belohnt Abgeordnete, die sich vor Ort engagieren“, sagt Gruber und hofft, dass er wieder Stimmen von Wählerinnen und Wählern gewinnen kann, die nicht zur klassischen SPD-Klientel gehören. Trotz zehn Jahren Erfahrung im Landtag könnte die Wahl für den studierten Mathematiker aber erneut zu einer Zitterpartie werden. Die Chancen auf eine Wiederwahl beziffert der 58-Jährige auf „50 zu 50“.

Daniel Lindenschmid

Daniel Lindenschmid

Hoffnungen auf ein Zweitmandat machen sich auch Daniel Lindenschmid (AfD) und Charlotte Klinghoffer (FDP). Lindenschmid tritt in die Fußstapfen seines Parteivorsitzenden Jörg Meuthen, der 2016 im Wahlkreis Backnang angetreten und gewählt worden war. Allerdings blieb Meuthen nur bis Ende 2017 im Landtag, dann wechselte er ins EU-Parlament. Lindenschmid ist zuversichtlich, dass es der AfD im Wahlkreis Backnang erneut gelingen wird, ein Mandat zu gewinnen, immerhin holte sie hier 2016 aus dem Stand fast 20 Prozent der Stimmen. „Ich rechne wieder mit einem überdurchschnittlichen Ergebnis“, sagt der 28-Jährige, der 2017 bereits bei der Bundestagswahl im Wahlkreis Backnang/Schwäbisch Gmünd angetreten war, damals allerdings ohne Erfolg.

Charlotte Klinghoffer

Charlotte Klinghoffer

Eine besondere Konstellation ergibt sich bei der FDP: Hier tritt mit Charlotte Klinghoffer eine Kandidatin an, deren eigene Partei sie gerne loswerden würde. Weil sie bei der Regionalwahl 2019 auf einer konkurrierenden Liste angetreten war, läuft gegen die Backnanger Stadträtin ein Parteiausschlussverfahren (wir berichteten). Das hindert Klinghoffer allerdings nicht daran, engagiert Wahlkampf zu machen. „Ich habe für mich beschlossen, dass ich was bewegen muss“, sagt die Bestattungsunternehmerin. Deswegen kämpfe sie für eine liberale Politik – ob mit oder ohne Parteibuch sei ihr dabei im Grunde egal. In ihren Anzeigen hat Klinghoffer die Landtagswahl deshalb kurzerhand zur Persönlichkeitswahl erklärt: „Eine blinde Gefolgschaft der Partei gegenüber lehne ich ab.“

Die Wahl in unserer Zeitung

Backnanger Kreiszeitung und Murrhardter Zeitung werden in den kommenden Wochen ausführlich über den Landtagswahlkampf berichten. Termine zu Veranstaltungen, Aktionen und Infoständen finden Sie ab sofort in unserem Wahlkalender.

In einer Serie werden wir die Direktkandidaten der fünf im Landtag vertretenen Parteien vorstellen. Unter dem Motto „Hier will ich was bewegen“ treffen wir sie dabei an Orten, an denen sie besonderen politischen Handlungsbedarf sehen.

Weil Podiumsdiskussionen vor Publikum zurzeit nicht möglich sind, planen wir außerdem eine Videokonferenz mit den Kandidatinnen und Kandidaten aus dem Wahlkreis Backnang.

Bei unserem Online-Format „Das regt mich auf“ sprechen die Bewerber in kurzen Videos über ihr größtes Ärgernis.

Leserbriefe mit Bezug zur Landtagswahl müssen bis Montag, 8. März, in der Redaktion vorliegen. Sie werden letztmals am Mittwoch, 10. März, veröffentlicht.

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Erstellt:
26. Januar 2021, 06:00 Uhr

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