Murrhardter will Drogengeld spenden

22-jähriger Angeklagter räumt vor Gericht Rauschgifthandel ein, soll aber auch eine Spielhalle in der Walterichstadt überfallen haben.

Dem Angeklagten wird schwere räuberische Erpressung vorgeworfen. Symbolfoto: stock.adobe/okanakdeni

© okanakdeniz - stock.adobe.com

Dem Angeklagten wird schwere räuberische Erpressung vorgeworfen. Symbolfoto: stock.adobe/okanakdeni

Von Bernhard Romanowski

Waiblingen/Murrhardt. Es war kein Dummejungenstreich, auch wenn das Alter und die frappierende Unbedarftheit der Akteure das nahelegen: Es war vielmehr eine hochkriminelle Tat, die am Freitag am Waiblinger Amtsgericht als Vorwurf im Raum stand. In der Vita des 22-jährigen Angeklagten wäre es nicht die einzige, aber die bislang ärgste Verfehlung, so er für schuldig befunden wird. Die Staatsanwaltschaft legt dem Mann aus Murrhardt schwere räuberische Erpressung zur Last.

Im November 2019 soll er mit einem zwei Jahre jüngeren Komplizen aus Leutenbach eine Spielhalle in Murrhardt überfallen haben. Einer der beiden Männer forderte demnach mit vorgehaltener Waffe eine Servicekraft zur Herausgabe des Geldes aus der Kasse. Außerdem soll der Murrhardter mindestens von Dezember 2019 bis Januar dieses Jahres rege mit Marihuana gehandelt haben.

In Backnang geboren und in Murrhardt aufgewachsen, schilderte der junge Mann auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Martin Luippold seinen traurigen Werdegang: wie er mit zehn Jahren zum Pflegekind wurde und von Aufenthalten in diversen Heimen und Betreuungseinrichtungen. 2017 gelang es ihm, seinen Hauptschulabschluss mit Note 1,7 nachzuholen. Eine danach begonnene Ausbildung zerschlug sich wieder. Er war zeitweise obdachlos.

Die Waffe, vermutlich eine Gasdruckpistole, wurde nie gefunden

Er konsumiert regelmäßig Marihuana, seit er 14 ist und wie sein Vater es ihm vorgelebt hat, so seine Schilderung. Er hat eine zweijährige Tochter mit seiner Murrhardter Freundin, die erneut schwanger ist. Die junge Familie lebt von Hartz IV: „Weil niemand mir Arbeit gibt“, so der Murrhardter. Zum Überfall der Spielhalle schwieg er, dafür sagte der mutmaßliche Komplize als Zeuge aus und schilderte kurz den Tatablauf. Dazu gibt es auch Chatprotokolle mit über 10000 von der Polizei ausgewerteten Kurznachrichten, in denen der Zeuge seiner damaligen Freundin gegenüber mit der Tat prahlt und auch den Vornamen des Angeklagten aus Murrhardt als Mittäter nennt, wie eine mit dem Fall betraute Polizeibeamtin im Zeugenstand sagte. Die Waffe, vermutlich eine Gasdruckpistole, wurde nie gefunden. Sie soll aber echt ausgesehen haben, bekundete ein Zeuge, der als Lieferant der Spielhalle den Überfall miterlebte und sich auf Geheiß der Täter auf den Boden legen musste, bis diese verschwanden.

Richtig ernst genommen habe er den Überfall anfangs nicht, so der baldige Rentner. Er habe früher Karate gemacht und noch überlegt, die Täter mit gezielten Schlägen außer Gefecht zu setzen, was aufgrund des unprofessionellen Gebarens der beiden Räuber ein Leichtes gewesen wäre, wie er betonte.

Eindeutig als Täter identifizieren konnte er den Angeklagten dennoch nicht, während dieser aber bereit war, sich zur besseren Einschätzung seiner Statur und Stimme zu erheben und den Satz zu sagen, der wohl im Casino fiel: „Wenn Sie das tun, was wir sagen, tun wir Ihnen nichts.“ Die Servicekraft konnte als Zeugin auch nur den groben Ablauf des Überfalls in Murrhardt schildern: Zwei vermummte Männer kamen rein, verlangten von ihr die Öffnung der Kasse und das Geld daraus, befahlen ihr niederzuknien und verschwanden wieder. An Details konnte sie sich kaum erinnern. Den Schock habe sie indessen noch nicht ganz verwunden, bekundete die 56-Jährige, die nicht mehr in Murrhardt arbeitet.

Bei drei Durchsuchungen durch die Polizei im Nachgang des Überfalls wurden Geld, abgepacktes Marihuana und Dealerbesteck in der Wohnung des Angeklagten gefunden. Der 22-Jährige leugnete das nicht, insistierte nur, dass nicht alle Drogenpäckchen für den Verkauf bestimmt gewesen seien. Das von der Polizei beschlagnahmte Drogengeld – offenbar einige Hundert Euro – will er zurückhaben und für karitative Zwecke spenden. Zwei Zeugen, einer erst 17 Jahre alt, gaben zu, seinerzeit kleinere Mengen Marihuana bei dem Angeklagten gekauft zu haben. Einer der geladenen Zeugen erschien am Freitag nicht. Am 14. Dezember soll der Prozess in Waiblingen mit der Aussage dieses Zeugen fortgesetzt werden.

Zum Artikel

Erstellt:
4. Dezember 2021, 11:30 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!

Stadt & Kreis

Das Bildhafte der Kinderkreuzwege spricht Kinder im Herzen an

Viele Kirchengemeinden im Raum Backnang organisieren Kinderkreuzwege und versuchen so, die Leidensgeschichte Jesu auf kindgerechte Art und Weise zu vermitteln. Der Schwerpunkt der Verkündigung liegt dabei nicht auf der grausamen Passion, sondern auf der frohen Osterbotschaft.

Maria Török ist eine von über 100 Pflegekräften im Staigacker. Sie kümmert sich liebevoll und gern um die Bewohner. Foto: Alexander Becher
Top

Stadt & Kreis

Personalnotstand setzt Pflegeheimen im Raum Backnang zu

Weil offene Stellen nur schwer besetzt werden können oder Pflegekräfte krankheitsbedingt ausfallen, kommt es in Pflegeeinrichtungen immer wieder zu Personalengpässen. Trotzdem muss die Versorgung weiterlaufen. Heime greifen deshalb auf Zeitarbeitsfirmen oder Springer zurück.

Stadt & Kreis

Osterräuchern des Angelsportvereins Althütte

Forellen im Rauch: Seit 30 Jahren räuchert Ralf Wurst die unterschiedlichsten Fische. Beim Osterräuchern des Angelsportvereins Althütte sind es jedes Jahr einige Hundert Forellen. Wie es der 49-jährige Vereinsvorsitzende macht, erläutert er Schritt für Schritt.