Musik macht schlau
Seit gut zehn Jahren bietet Klaus Berger in den Kirchberger Kindergärten in Kooperation mit dem örtlichen Musikverein musikalische Früherziehung an. Zahlreiche Studien und Untersuchungen unterstützen die These, dass sich Musik positiv auf das Gehirn auswirkt.

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Klaus Berger leitet die musikalische Früherziehung in Kirchberg. Foto: A. Becher
Von Simone Schneider-Seebeck
Kirchberg an der Murr. Klaus Berger kommt aus einer musikalischen Familie. Bereits sein Großvater war Dirigent, sein Vater unterrichtete. „Da bin ich irgendwie reingerutscht“, schmunzelt der Kirchberger, der mit seiner Frau eine Musikschule am Ort führt. Klavier, Gitarre, Akkordeon, Mundharmonika sind nur einige der Instrumente, die er beherrscht. In der Musikschule wird unter anderem auch die musikalische Frühförderung für Kinder ab zwei Jahren angeboten. Musik gehört für ihn zu einer ganzheitlichen Entwicklung von Kindern dazu. So hat er auch beobachtet, dass manche Kinder nicht unbedingt wegen der Musik seiner Kurse und Angebote besuchen. „Musik hat einen positiven Effekt auf Konzentrationsfähigkeit, Feinmotorik und Koordination“, hat er festgestellt. „Auffälligen Kindern wird empfohlen, Musik zu machen.“ Allerdings, so betont Berger, komme es auch auf das „Tun“ an. Einmal in der Woche eine halbe Stunde musizieren reiche da nicht aus. „Man kann Effekte erzielen, aber nur, wenn man etwas macht.“ Motivation ist hier das Zauberwort, denn: „Man kommt immer an den Punkt, ab dem ein Instrument Arbeit wird, wenn man weiterkommen will.“
„Lernen und Gehirn lassen sich kaum besser studieren als im Bereich Musik.“
Manfred Spitzer (Neurowissenschaftler), in seinem Buch über cerebrale Abläufe
Zahlreiche Studien und Untersuchungen unterstützen die These, dass sich Musik positiv auf das Gehirn auswirkt. So führte zwischen 1992 und 1998 der Musikwissenschaftler und Musikpädagoge Hans Günther Bastian mit Kollegen eine Langzeitstudie an sieben Berliner Grundschulen durch. Fünf davon waren musikbetonte Modellklassen. Die Ergebnisse zeigten Erfreuliches, so seien die sozialen Kompetenzen in den musikbetonten Klassen verbessert, mehrjährige erweiterte Musikerziehung führe zu einem signifikanten IQ-Zugewinn, verstärkte Musikerziehung stärke die Konzentrationsfähigkeit. Auch wenn die Studie in der Fachwelt umstritten ist, so wirkt sich die intensive Beschäftigung mit Musik nachgewiesenermaßen auf das Gehirn aus, wie einige Jahre später der Neurowissenschaftler und Psychiater Manfred Spitzer in seinem Buch „Musik im Kopf“ darlegt: „Wer ein Instrument erlernt, verbringt Tausende von Stunden damit und vollzieht immer wieder die gleichen oder sehr ähnliche Bewegungsabläufe. Lernen und Gehirn lassen sich also kaum besser studieren als im Bereich Musik.“
Und das gilt nicht nur für Kinder. 2016 veröffentlichte Hanna Gärtner eine Dissertation, in der 20 ausgebildete Pianisten und Organisten mit 19 Nichtmusikern verglichen und untersucht wurden. Dabei stellte sie eine bessere Leistung „bei motorischen Aufgaben sowie eine bessere Fähigkeit, ihre Hände unabhängig voneinander zu bewegen“ fest. Außerdem zeigten sie „ein vergrößertes Hirnvolumen im Vergleich zu den Kontrollprobanden in Regionen, die funktionell relevant sind für Sensomotorik, Gedächtnis und räumlich-visuelle Verarbeitung.“
Ganz im Sinne von „früh übt sich“ setzt Klaus Berger da auf die Neugierde und Lernbereitschaft jüngerer Kinder. Seit gut zehn Jahren bietet er in den Kirchberger Kindergärten in Kooperation mit dem örtlichen Musikverein musikalische Früherziehung an. „Das wird sehr gut angenommen“, ist seine Erfahrung. Bereits seit zwölf Jahren etabliert sind zudem die Musikklassen an der Kirchberger Grundschule. Die teilnehmenden Kinder lernen in der 1. Klasse die Ukulele, ab der 2. geht es mit Gitarre oder Keyboard weiter; die Instrumente werden, auch dank des Fördervereins, von der Schule gestellt. Dass es diese Möglichkeiten gibt, liegt an dem guten Zusammenspiel zwischen Schule, Kindergärten, Musikverein und Musikschule, wie er lobend erwähnt: „Das ist ideal.“ Vor allem da ihm aufgefallen ist, dass es an den Schulen immer weniger Fachlehrer für Musik gibt, und zwar nicht nur an der Grundschule.
Im aktuellen Kindergartenjahr besuchen 71 Kinder die Frühförderung, die in den letzten beiden Kindergartenjahren angeboten wird, so viele wie noch nie. Klaus Berger scheint es jedoch, dass sich die beiden Coronajahre negativ auf die Gruppenkompetenz und das Lernverhalten ausgewirkt hätten, vor allem bei sehr jungen Kindern. Umso schöner, dass so viele die Möglichkeiten der Frühförderung in Anspruch nehmen. Viele bleiben dann auch in der Grundschulzeit dabei, Berger schätzt, dass etwa 90 Prozent der Kinder, die sich in der 1. Klasse für die Musikklasse entscheiden, bis zur 4. Klasse dabeibleiben. Zumindest vor Corona konnten die Kinder bei den Schulaufführungen zudem auch zeigen, was sie auf ihren Instrumenten gelernt hatten. Doch ob Aufführung oder zu Hause – wichtig ist, dass den Kindern der Umgang mit dem Instrument und der Musik Spaß macht. Und wie schon Rudi Schuricke 1943 wusste: „Mit Musik geht alles besser.“