Mutmaßlicher Mörder war vor der Tat in Quarantäne

Außer der „Tötung im Affekt“ und „im Zustand des Wahnsinns“ hat der 29-jährige Angeklagte immer noch nichts zum Tod seiner 25-jährigen Ehefrau in Backnang ausgesagt.

Noch vieles ist unklar rund um die Tötung einer 25-Jährigen in Backnang. Symbolbild BilderBox/Erwin Wodicka

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Noch vieles ist unklar rund um die Tötung einer 25-Jährigen in Backnang. Symbolbild BilderBox/Erwin Wodicka

Von Heike Rommel

Backnang/Stuttgart. Der 29-jährige mutmaßliche Mörder, der nach islamischem Recht mit dem 25-jährigen Opfer verheiratet war und vor dem Stuttgarter Landgericht bislang nicht mehr als dessen „Tötung im Affekt“ zugegeben hat (wir berichteten), stand vor der Tat unter Quarantäne. Das hat sich am gestrigen zweiten Verhandlungstag herausgestellt.

An der Kaltmiete von 350 Euro gemessen muss der Türke, der in Deutschland unter falscher, syrischer Identität Asyl beantragt und einen Aufenthaltstitel bekommen hatte, mit seiner Frau in einer eher kleinen Wohnung im Seehofweg in Backnang gelebt haben. Dort war er vor der Tat als Coronainfizierter in Quarantäne. Der Schwurgerichtskammer liegt ein Schreiben der Stadt Backnang vor, dass ein Coronatest des Angeklagten positiv ausgefallen war und er bis zum 4. Mai dieses Jahres, 24 Uhr zu Hause in der Wohnung zu bleiben hat. Falls er niemanden habe, der für ihn einkaufe, solle er sich an den Einkaufsservice des Seniorenbüros der Stadt Backnang wenden.

Am letzten Tag des 14-tägigen Quarantänezeitraums lag die 25-jährige Frau tot in der Wohnung. Verstorben an fünf wuchtigen Stichen mit einem Ausbeinmesser in den Bauch und in den Rücken, wie die Gerichtsmedizin feststellte. Vom Angeklagten fehlte jede Spur, bis er auf der Landesstraße zwischen Großbottwar und Großaspach einen Unfall hatte. Im nahen Hardtwald von der Polizei gestellt, soll er eine Bemerkung gemacht haben, welche die Polizeibeamten dazu veranlasste, die Wohnung in Backnang zu durchsuchen. Sie stießen gegen 17 Uhr auf die Leiche der 25-Jährigen.

Der mutmaßliche Mörder wurde nach seiner Festnahme ins Rems-Murr-Klinikum gebracht, wo die Ärzte eine Intoxikation mit den Schmerztabletten Ibuprofen und Paracetamol feststellten, die der Mann „vermutlich in suizidaler Absicht“ an sich vorgenommen haben könnte. Eine Alkohol- und Drogenabhängigkeit, die der 29-Jährige bei den Angaben zu seiner Person anführte, ergaben die Blutproben eher nicht. Im Strafverfahren lief er zunächst unter falschem Namen als Syrer, bis die Ermittler seine wahre Identität herausfanden.

Der Angeklagte ist Kurde und stammt aus einer siebenköpfigen Familie

Zum Auftakt des Mordverfahrens am 29. Oktober hatte die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten vorgeworfen, seine Ehefrau (nach islamischen Recht) heimtückisch aus niederen Beweggründen ermordet zu haben. Das allerdings bestreitet der 29-Jährige. Was der Gerichtspsychiater Peter Winckler über ihn herausgefunden hat: Der Angeklagte stammt aus einer siebenköpfigen Familie aus einem türkischen Gebiet, in dem überwiegend Kurden leben. Er ging, nachdem er zusammen mit einem Bruder in Istanbul angeblich für einen Backnanger Diebstähle gegen Bezahlung begangen hat und in Istanbul sowohl in einem herkömmlichen als auch in einem Sicherheitsgefängnis saß, nach Deutschland. Mit einem Freispruch, wie er vor der Stuttgarter Justiz beteuert. In fünf Jahren Deutschland habe er ein gutes Leben gehabt und dreieinhalb Jahre lang ununterbrochen gearbeitet.

„Es ist alles gelogen, was er sagt“, kommentierte der Vater des Opfers als Nebenkläger die Angaben des Beschuldigten zu seiner Person. Der Vorsitzende Richter Norbert Winkelmann ließ Briefe verlesen, die der 29-Jährige aus dem Untersuchungsgefängnis Stuttgart-Stammheim an jeden Einzelnen seiner Familienmitglieder verschickt hat. Darin hieß es unter anderem, er sei bei der Tat betrunken gewesen und habe „keine Ahnung“, warum er das getan habe. „Im Zustand des Wahnsinns“ habe er etwas getan, was er zutiefst bereue. Glücklich zu sein, sei jedermanns Recht, aber manche Menschen würden es eben nicht schaffen, von diesem Recht Gebrauch zu machen.

„Wer sich von der Herde trennt, wird vom Wolf gefressen, so wie es mir passiert ist“, schrieb der Angeklagte an seine Eltern und bat um Zusendung von Familienfotos nach Stammheim, wo es ihm mittlerweile ganz gut gehe. Aus dem Brief des Beschuldigten an sein „Schwesterherz“: „Ich habe etwas sehr Schlimmes getan und bin im Gefängnis, weil ich einer Dame etwas angetan habe.“ Vor der Stuttgarter Schwurgerichtskammer behauptet der Beschuldigte im Übrigen, er sei nie verheiratet gewesen. Dazu, ob er die 25-Jährige aus Rache umgebracht hat, weil sie ihn wegen seiner falschen Identität bei der Polizei angezeigt hat, schweigt er sich bislang auch aus.

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Erstellt:
9. November 2021, 06:00 Uhr

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