Nach der Sitzung geht’s in die Wirtschaft

Hans-Frieder Jeutter nach 47 Jahren im Gemeinderat verabschiedet – Mit gesundem Menschenverstand die Politik mitgestaltet

Überwiegend positiv blickt Hans-Frieder Jeutter auf seine lange Tätigkeit im Gemeinderat von Althütte zurück. Bei seiner Verabschiedung wurde ihm fraktionsübergreifend bescheinigt, dass seine ausgleichende Art eine Bereicherung für das Gremium war. Auch nach seinem Ausscheiden bleibt der 74-Jährige politisch interessiert.

Wenn er was sagt, dann hat das Hand und Fuß: Von seinen 74 Jahren gehörte Hans-Frieder Jeutter 47 dem Gemeinderat Althütte an. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Wenn er was sagt, dann hat das Hand und Fuß: Von seinen 74 Jahren gehörte Hans-Frieder Jeutter 47 dem Gemeinderat Althütte an. Foto: A. Becher

Von Annette Hohnerlein

ALTHÜTTE. „Ich darf die Geschicke der Gemeinde seit schlappen 25 Jahren leiten. Das ist nichts gegen Hans-Frieder Jeutters Engagement“, sagte Bürgermeister Reinhold Sczuka, als er den Gemeinderat der Bürgerliste in der letzten Sitzung am 23. Oktober verabschiedet hat. Mit 47 Jahren könne Jeutter mit Abstand die meisten Jahre im Dienst der Gemeinde vorweisen, sowohl in Hinblick auf die aktuellen als auch auf die ehemaligen Räte. Bei der Würdigung Jeutters durch die Vertreter der drei Fraktionen fielen Begriffe wie besonnen, wohlüberlegt, prägnante Aussagen, fair im Umgang, den Kompromiss suchend. Reinhard Pfeil von der Freien Wählervereinigung brachte es auf den Punkt: „Wenn der Frieder was sagt, dann hat das Hand und Fuß.“

Hans-Frieder Jeutter wurde 1943 in Althütte geboren und hat nie woanders gelebt. Er besuchte die Grundschule, die damals noch Volksschule hieß, und wechselte danach ans Max-Born-Gymnasium in Backnang. Nach dem Studium in Stuttgart begann er als frischgebackener Diplom-Ingenieur bei AEG-Telefunken in Backnang, zunächst in der Entwicklung des Telekommunikationsunternehmens, später als Leiter der Abteilung für die Entwicklung von Montagetechnik für Schichtschaltungen. Die Inhaber wechselten, aus AEG-Telefunken wurde Bosch und später Marconi, Jeutter blieb der Firma treu, genau wie seinem Heimatort Althütte. Er lebt mit seiner Frau Annette direkt neben seinem Elternhaus in der Hauptstraße. Die beiden haben zwei erwachsene Kinder und ein Enkelkind.

Die Ostpolitik von Willy Brandt hatte Hans-Frieder Jeutter 1971 dazu bewogen, Gemeinderat zu werden

1971 wurde er zum ersten Mal in den Gemeinderat gewählt. Die Ostpolitik von Willy Brandt hatte den 28-Jährigen dazu bewogen, in die SPD einzutreten und sich kommunalpolitisch zu engagieren. Einen Vorfall, der 1990 hohe Wellen schlug, hat er noch gut in Erinnerung. Damals brachte die Bürgerliste den Antrag ein, die Grundschule im Ort nach der in Althütte geborenen Schriftstellerin und Politikerin Anna Haag zu benennen. Aus den Reihen der Freien Wählervereinigung kam dazu der Kommentar: „Anna Haag war keine überzeugte Demokratin, sie war eine überzeugte Sozialdemokratin.“ Dieser Satz verursachte damals weit über Althütte hinaus ziemlichen Wirbel, erinnert sich Jeutter schmunzelnd. Der Antrag wurde mit acht zu acht Stimmen abgelehnt, ein paar Jahre später wurde der Name Anna Haag jedoch akzeptiert.

Zu Beginn von Jeutters Tätigkeit im Gemeinderat war Walter Sipple Bürgermeister. „Nach dem Krieg war Althütte eine arme Gemeinde“, erzählt Jeutter, „Bürgermeister Sipple hat sie auf Vordermann gebracht. Er hat viel Bauland ausgewiesen, das brachte eine finanzielle Verbesserung.“

In den späteren Jahren änderten sich die Aufgaben. In der Amtszeit von Bürgermeister Reinhold Sczuka gelte es, die Infrastruktur an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Jeutter nennt als Beispiele den Bau der Aussegnungshalle in Sechselberg, den Umbau der Festhalle in Althütte, die Installation von Fall- und Förderleitungen für die Wasserversorgung, die Kanalanschlüsse an die Kläranlagen in Rudersberg und Auenwald, die Erweiterung von Schulen und Kindergärten sowie den Ausbau der Kinderbetreuung. Was sich im Lauf der Jahre nicht geändert habe, sei der Brauch, nach der Sitzung noch gemeinsam in eine Wirtschaft zu gehen.

Über die Zusammenarbeit mit seinen Kollegen im Gemeinderat weiß Jeutter Gutes zu berichten. „Man hat sich nie persönlich so angegangen, dass es beleidigend war; das zeichnet den Gemeinderat in Althütte seit Langem aus. Menschlich ist alles in Ordnung.“ Und auch für Sczuka findet er lobende Worte: „Er steckt es weg, wenn sein Vorschlag nicht durchkommt, und vertritt dann auch den Mehrheitsbeschluss.“

Als negativ hat Jeutter erlebt, dass die Finanzautonomie der Gemeinden immer mehr eingeschränkt wird. „Der Bund beschließt ein Gesetz, und die Kommunen müssen es umsetzen. Auf sie werden immer mehr Kosten abgewälzt“, beklagt er und nennt als Beispiel den gesetzlichen Anspruch auf einen Kindergartenplatz.

„Der normale Menschenverstand genügt, um in einem solchen Gremium mitarbeiten zu können“

„Ich fand es immer interessant, mitzugestalten“, sagt Jeutter und äußert den Wunsch, dass sich mehr junge Leute in der Kommunalpolitik engagieren. „Der normale Menschenverstand genügt, um in einem solchen Gremium mitarbeiten zu können“, versichert er.

Von den 47 Jahren, die Hans-Frieder Jeutter ehrenamtlich als Gemeinderat tätig war, war er 29 Jahre stellvertretender Bürgermeister. 2001 wurde er mit der goldenen Ehrennadel und 2014 mit der Ehrennadel, Urkunde und Stele des Gemeindetags Baden-Württemberg ausgezeichnet. Mit seinem Ausscheiden will er Platz für die jüngere Generation machen. Seinem Nachfolger, dem 29-jährigen Pascal Schwinger aus Sechselberg, will er keinen Ratschlag mit auf den Weg geben. Dieser sei durch seinen Beruf als Leiter des Haupt- und Ordnungsamts der Gemeinde Oppenweiler bestens für die Tätigkeit im Gemeinderat qualifiziert.

Für die Zukunft hat sich Jeutter keine besonderen Projekte vorgenommen. Die Politik in Berlin wird er weiterhin kritisch verfolgen. Themen, die ihm dabei besonders am Herzen liegen, sind Klimawandel, Energiewende sowie die Migrations- und Sozialpolitik. Im Übrigen wird er sich der Pflege seiner Obstbaumwiese widmen und in seinem Waldstück das Brennholz für den Winter schlagen. Und er wird mehr Zeit für seine Frau, seine Kinder und sein Enkelkind haben.

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Erstellt:
8. November 2018, 06:00 Uhr

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