Nach fast neun Jahren: Führungswechsel bei der Linken

dpa Berlin. Nach fast neun Jahren treten Katja Kipping und Bernd Riexinger von der Spitze der Linken ab. Bei einem Online-Parteitag ist nun Stabübergabe an eine neue, rein weibliche Doppelspitze.

Susanne Hennig-Wellsow (l), Landesvorsitzende von Die Linke Thüringen, und Janine Wissler, stellvertretende Parteivorsitzende der Linken auf Bundesebene, wollen an die Spitze der Partei. Foto: Frank May/dpa

Susanne Hennig-Wellsow (l), Landesvorsitzende von Die Linke Thüringen, und Janine Wissler, stellvertretende Parteivorsitzende der Linken auf Bundesebene, wollen an die Spitze der Partei. Foto: Frank May/dpa

Nach fast neun Jahren an der Spitze der Linken ziehen die scheidenden Vorsitzenden, Katja Kipping und Bernd Riexinger, eine positive Bilanz ihrer Arbeit.

Die Linke sei aus der politischen Landschaft nicht mehr wegzudenken, sagte Kipping wenige Tage vor dem Führungswechsel vor Journalisten in Berlin. Riexinger sprach von einer anerkannten Partei, mit der die Leute diskutierten und die nicht mehr einfach so abgetan und beschimpft werde.

Das Duo führt die Linke seit Juni 2012 und wollte eigentlich schon im vergangenen Juni aufhören, doch wegen Corona wurde der geplante Wahlparteitag zweimal verschoben. An diesem Freitag und Samstag (26./27.2.) treffen sich nun rund 600 Delegierte zu einem Online-Parteitag - wie im Januar schon die CDU -, um eine neue Spitze zu wählen. Diese wird voraussichtlich von der stellvertretenden Partei- und hessischen Landtagsfraktionschefin Janine Wissler und der thüringischen Landes- und Fraktionsvorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow gebildet. Andere aussichtsreiche Kandidaten gibt es nicht.

Man habe in den letzten neun Jahren alles gegeben, sagte Kipping. „Der Boden ist bereitet. Jetzt kann ein neues Kapitel aufgeschlagen werden.“ Doch der Boden ist steinig: Die Linke dümpelt in den Umfragen bei sieben bis acht Prozent. Wenn sich die Wählerstimmung bis zum Herbst nicht deutlich ändert, wird es wohl beim Traum vom Regieren auf Bundesebene an der Seite von Grünen und SPD bleiben. Umfragen sehen dafür momentan keine Mehrheit.

Die beiden Co-Chefs betonten in ihrer Bilanz das Positive: Die Linke sei in den vergangenen Jahren moderner geworden und sei nun auch programmatisch breiter aufgestellt. „Wir haben unsere Grundsätze, wie Kapitalismuskritik oder Friedenspolitik nicht über Bord geworfen und trotzdem stellen wir Ministerpräsidenten, haben in Berlin den Mietendeckel eingeführt und sind in Bremen im ersten westdeutschen Bundesland in der Regierung“, sagte Kipping.

Aber die Ära mit ihr und Riexinger an der Spitze war auch geprägt von heftigem Streit über die Ausrichtung der Partei. Besonders tiefe Wunden hat der Dauerzwist mit Ex-Fraktionschefin und Parteipromi Sahra Wagenknecht geschlagen, die sich für eine restriktivere Migrationspolitik eingesetzt hatte.

Wagenknecht, die heute einfache Bundestagsabgeordnete ist und auch für das nächste Parlament kandidiert, lässt weiterhin nicht locker. Sie kritisiert den Kurs der Linken immer wieder als zu abgehoben. Die Linke werde immer weniger in Plattenbausiedlungen und mehr in teuren Trendvierteln gewählt, sagte sie kürzlich dem „Spiegel“ und forderte, die Partei solle sich darauf konzentrieren, Geringverdiener, die untere Mitte, die Arbeiterschaft zu vertreten. „Das geht aber nur, wenn wir die Weltsicht dieser Menschen ernst nehmen, wenn wir ihre Werte und Wünsche achten, statt sie als rückschrittlich abzustempeln.“

Die neuen Parteichefinnen sollen nun frischen Wind und Einigkeit hineinbringen. Aber auch Wissler und Hennig-Wellsow haben unterschiedliche Vorstellungen, wie vorab in Interviews deutlich wurde: Hennig-Wellsow, die mit der Linken in Thüringen an der Regierung beteiligt ist, will auch auf eine Regierungsbeteiligung der Linken im Bund hinarbeiten und spricht von Gemeinsamkeiten mit Grünen und SPD. Sie stehe für eine „radikale Realpolitik“.

Wissler hält dagegen eine Regierung aus den drei Parteien für eher unwahrscheinlich und zeigt sich beim Thema Auslandseinsätze der Bundeswehr - einem möglichen Knackpunkt bei etwaigen Koalitionsverhandlungen - hart: „Ich sehe bei Bundeswehreinsätzen, anders als bei anderen Fragen, gar keine Möglichkeit für Kompromisse“, sagte Wissler vor kurzem im „Tagesspiegel“. „Ein bisschen Krieg gibt es nicht.“

Die Linke werde keiner Regierung beitreten, die Auslandseinsätze beschließe. Hennig-Wellsow macht diese Tür dagegen nicht ganz zu und schließt zumindest friedenserhaltende Missionen unter dem Dach der Vereinten Nationen nicht aus.

Noch-Parteichefin Kipping sieht kein Problem darin und verweist auf ihre Zusammenarbeit mit Riexinger. Wo man unterschiedliche Positionen habe, suche man nach einer gemeinsamen Lösung. Sie sei „total zuversichtlich“. Kipping will nach ihrer Zeit an der Parteispitze als sozialpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion weiter „gegen Hartz IV und Armut zu Felde zu ziehen“ und sieht sich als „Brückenbauerin für neue linke Mehrheiten“ - wie genau in welcher Funktion, das sei offen. Auch Riexinger will der Fraktion im Bundestag erhalten bleiben.

© dpa-infocom, dpa:210225-99-582786/3

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Erstellt:
25. Februar 2021, 05:11 Uhr

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