Solarverein Rems-Murr löst sich auf

1994 wurde der Solarverein Rems-Murr unter dem Namen Solar Weissacher Tal gegründet. Fast 30 Jahre kümmerten sich die Mitglieder um die Energiewende im Rems-Murr-Kreis. Weil für den Vorstand keine Nachfolger mehr gefunden werden konnten, wird der Verein nun aufgelöst.

Gern mit Fahrrad, E-Roller und Elektroauto unterwegs (von links): Vorsitzende Hanne Barth und die Vorstandsmitglieder Christina Becker, Ulrike Hausladen, Astrid Fleischer, Ernst-Günter Junge, Silke Müller-Zimmermann, Volker Beck und Horst Klett. Archivfotos: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Gern mit Fahrrad, E-Roller und Elektroauto unterwegs (von links): Vorsitzende Hanne Barth und die Vorstandsmitglieder Christina Becker, Ulrike Hausladen, Astrid Fleischer, Ernst-Günter Junge, Silke Müller-Zimmermann, Volker Beck und Horst Klett. Archivfotos: Tobias Sellmaier

Von Melanie Maier

Weissach im Tal. Schweren Herzens haben die Mitglieder des Solarvereins Rems-Murr bei einer außerordentlichen Sitzung Ende März die Auflösung ihres Vereins beschlossen. Vor 28 Jahren, im Jahr 1994, wurde der Verein unter dem Namen Solar Weissacher Tal gegründet. Schon damals hatten die Gründerinnen und Gründer nichts weniger als die vollständige Energiewende und den 100-prozentigen Einsatz erneuerbarer Energien im Sinn. Sie waren Vorreiter der Klimabewegung, die heute in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.

Im Laufe der Jahre hat der Verein vieles erreicht. Nicht wenige Hausdächer im Weissacher Tal und in den Nachbargemeinden wurden mit Hilfe der Vereinsmitglieder mit Solaranlagen für die Brauchwassernutzung bestückt.

Eine Aufnahme aus den Anfangszeiten um 1995: Damals half man sich im Weissacher Tal gegenseitig, die Solaranlage für die Brauchwassernutzung auf den Dächern zu installieren.

Eine Aufnahme aus den Anfangszeiten um 1995: Damals half man sich im Weissacher Tal gegenseitig, die Solaranlage für die Brauchwassernutzung auf den Dächern zu installieren.

Vorträge rund um erneuerbare Energien und Klimaschutz wurden gehalten, Beratungen zu Solar- und Fotovoltaikanlagen angeboten. Programme für Kinder und Bildungsreisen waren Teil der Agenda des Vereins, über die möglichst viele Menschen angesprochen werden sollten. Und nicht zuletzt fanden regelmäßig Stammtische statt, bei denen sich Gleichgesinnte austauschen konnten.

Eigentlich hätte es noch weitergehen können mit dem Klimaschutzverein, der bis zuletzt rund 120 Mitglieder hatte. Lange wurden neue Vorstände gesucht, die ihn am Leben erhalten sollten. Doch trotz großer Bemühungen gelang es nicht, gewillte Nachfolgerinnen oder Nachfolger zu finden.

Schon 2016 wäre es aus demselben Grund fast zur Auflösung gekommen. „Ich hab mich damals in die Bresche geworfen“, berichtet die Vorstandsvorsitzende Hanne Barth. In letzter Minute hätten sich noch Christina Becker und Horst Klett gemeldet. „Wir wollten schon die Zahl der Vorstandsmitglieder reduzieren, das war dann doch nicht nötig“, erinnert sich die 80-Jährige. Aus Altersgründen will sie jetzt wirklich nicht mehr weitermachen. Auch Klett hat die 80 schon überschritten, er ist 81 Jahre alt. Mit 51 Jahren ist Christina Becker die jüngste der drei, „eigentlich hätte ich ja noch 30 Jahre vor mir“, scherzt sie.

Die Vorstände blicken zufrieden auf das Erreichte zurück

Dass sich die gemeinsame Vereinszeit nun ihrem Ende zuneigt, das bedauern Barth, Becker, Klett und die Vorstandsmitglieder Volker Beck, Astrid Fleischer und Silke Müller-Zimmermann. Sie sind als sogenannte Liquidatoren mit der Auflösung des Vereins beauftragt worden. „Klar, man ist immer ein bisschen wehmütig, wenn sich so ein Verein auflöst“, sagt Christina Becker. Gleichzeitig blicken die Vorstände aber auch zufrieden zurück auf das, was der Verein geleistet hat. „Wir haben mit dazu beigetragen, dass der Klimaschutzgedanke im Weissacher Tal angekommen ist“, sagt Horst Klett. „Unsere Themen haben sich etabliert“, stimmt Becker zu. „Außerdem verfügen wir auch noch über ein gewisses Guthaben, das wir weitergeben können.“ Dieses wird gedrittelt. Je ein Teil geht an die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie, den Solarenergie-Förderverein Deutschland und das Projekt Poema mit Sitz in Stuttgart, das Kleinbauern und Indigene im Regenwald Amazoniens unterstützt.

Die Mitglieder werden rund ein Jahr beschäftigt sein, bis alles abgearbeitet ist

Zudem müssen sich die Liquidatoren noch um verschiedene Aufgaben kümmern. Sie müssen Mitgliedschaften in Vereinen und Genossenschaften beenden, offene Forderungen eintreiben und laufende Verpflichtungen aufkündigen, Gegenstände wie Beamer und Flipcharts verkaufen. Und dann gibt es da noch ein Problem in Form der kleinen Solaranlage auf dem Dach der Backnanger Tausschule zu lösen, von der sich der Verein trennen muss. „Damit die Anlage auf dem Dach der Schule bleiben und Strom für den Schulbedarf produzieren kann, müsste sie der Schulträger, die Stadt Backnang, übernehmen“, erklärt Hanne Barth. „Von ihr haben wir bis jetzt aber noch keine Rückmeldung erhalten.“ Alles in allem werde die Auflösung des Solarvereins sicher ein Jahr in Anspruch nehmen.

Zu den Höhepunkten der vergangenen Jahre zählen die Vorstände beispielsweise die jährlichen Bildungsreisen, vom Verein Solarreisen genannt. Sie fanden zuletzt in Zusammenarbeit mit dem Landratsamt Rems-Murr statt und führten etwa zu einem Erdsondenspeicher für Solarwärme in Crailsheim (Landkreis Schwäbisch Hall). „Spätestens jetzt müsste jedem klar werden, dass wir weg von fossilen Energieträgern wie Gas und Kohle kommen und die Energieverschwendung beenden müssen“, kommentiert Barth mit Verweis auf den Krieg in der Ukraine und die Energiekrise. „Die Sonne schickt uns keine Rechnung.“

Klimaschutz soll auch Spaß machen

Ein weiterer Höhepunkt war für Silke Müller-Zimmermann das Projekt KliK (kurz für Klimafreundlich Konkret – im Alltag CO2 einsparen). Dabei verpflichteten sich mehr als 100 Haushalte in zehn Orten dazu, Treibhausgasemissionen einzusparen. „Der Verein sollte auch zeigen, dass es Spaß macht, sich für den Klimaschutz einzusetzen“, sagt Müller-Zimmermann. „Alleine kann man das Rad nicht drehen, aber gemeinsam kann man etwas bewirken.“ Schon wer einfach mal darüber nachdenke, welche Stellschrauben er in seinem Alltag drehen könne, trage zum Klimaschutz bei.

Für seine Arbeit wurden dem Verein mehrfach Umweltpreise verliehen – von der Gemeinde Weissach im Tal ebenso wie von der Stadt Backnang. Ob er in Zukunft fehlen wird? „Ich denke, dass die heute aktiven Organisationen eine viel größere Breitenwirkung haben“, zeigt sich Hanne Barth hoffnungsvoll. Insbesondere die Fridays-For-Future-Bewegung hält sie für sehr effektiv. „Weil sie so vernetzt ist“, führt Barth aus. „In der Politik ist das ein Riesenvorteil.“ Und so können sich die Vorreiter der Klimabewegung guten Gewissens aus der Frontlinie zurückziehen. Ganz aufhören zu kämpfen, das ist auch klar, können sie als Ökos der ersten Stunde ohnehin nicht.

Solarverein Rems-Murr

Anfänge Gegründet wurde der Solarverein Rems-Murr am 15. April 1994, damals noch unter dem Namen Solar Weissacher Tal. Dieser fusionierte 2006 mit der GGS Auenwald (Gemeinnützige Gesellschaft Sonnenstrom). Da sich die Aktivitäten mit den Jahren ausweiteten, änderte sich auch der Ortsbezug im Vereinsnamen, der bald Weissacher Tal, Backnanger Bucht und Welzheimer Wald umfasste und sich zuletzt zum Solarverein Rems-Murr weiterentwickelte.

Akteure Zu den Gründern gehörten Akteure wie Reinhard Knüdeler, Martin Lang, Dieter Rapp, Inge Fischinger, Frank Müller, Marlene Uitz-Frey und Joel Korn. Ihnen ging es darum, das Klima zu schützen – und weg von Atomkraft, Kohle und Öl zu kommen. Seit 2016 ist Hanne Barth Vorstandsvorsitzende.

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Erstellt:
16. August 2022, 06:00 Uhr

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