Naturerlebnisse für alle

Projekt „OUTdoor INklusiv“ des Kreisjugendrings gestartet – „Es geht darum, Grenzen aufzuspüren und zu erweitern“

Kanu fahren, eine Waldschaukel bauen, Apfelsaft selbst herstellen oder eine nächtliche Fackelwanderung unternehmen: Dies sind Beispiele für mögliche Aktionen im Rahmen des Projekts „OUTdoor INklusiv“ des Kreisjugendrings Rems-Murr. Das Besondere daran: Junge Menschen mit Behinderung und erlebnispädagogische Fachleute bilden Tandems und entwickeln die inklusiven Angebote gemeinsam.

Alle packen zu: Das gemeinsame Herstellen von Apfelsaft wurde schon bei einem früheren Inklusionsprojekt des Kreisjugendrings erprobt. Foto: privat

Alle packen zu: Das gemeinsame Herstellen von Apfelsaft wurde schon bei einem früheren Inklusionsprojekt des Kreisjugendrings erprobt. Foto: privat

Von Annette Hohnerlein

BACKNANG. Das Ziel in dem Projekt ist es, junge Menschen mit ganz besonderen Voraussetzungen in Aktivitäten unter freiem Himmel einzubinden. Wie geht das mit einem Rollifahrer, mit einem Menschen mit geistiger Behinderung, mit einem Schwerhörigen? Diese Fragen stellt Angelika Roth, Projektreferentin beim Kreisjugendring, in den Raum. Um erlebnispädagogische Angebote für diese Zielgruppen zugänglich zu machen, braucht man doppelte Expertise. Zum einen das Wissen von Fachleuten aus dem Bereich der Natur- und Erlebnispädagogik, zum anderen die Erfahrungen von Menschen mit verschiedenen Behinderungen, die wissen, was machbar ist und welche Voraussetzungen man schaffen muss.

Mit Jahresbeginn hat der Kreisjugendring das Projekt „OUTdoor INklusiv – Empowerment erleben“ gestartet. Es läuft über drei Jahre und wird von der Aktion Mensch gefördert. In einem ersten Schritt sollen fünf Tandems gebildet werden, in denen jeweils ein Jugendlicher oder junger Erwachsener mit Behinderung und eine Fachkraft aus dem Bereich Erlebnispädagogik zusammenarbeiten. Der neue Ansatz: Die beiden Tandempartner schulen sich gegenseitig. Sie loten aus, was möglich ist, je nachdem, welche Voraussetzungen ein Teilnehmer mit Behinderung mitbringt, und erarbeiten gemeinsam passende Angebote.

In zwei Outdoor-Workshops im Mai und Juni sollen sich die Tandempartner zunächst kennenlernen und verschiedene Methoden der Erlebnispädagogik erproben. Angelika Roth nennt ein Beispiel für eine Aufgabenstellung: Verpacke ein Ei mithilfe von Naturmaterialien so, dass es aus zwei Metern Höhe zu Boden fallen kann, ohne kaputt zu gehen. Die Tandempartner erkunden gemeinsam, wie ein Angebot abgewandelt werden muss, damit Menschen mit verschiedenen Behinderungen daran teilnehmen können. „Es geht darum, Grenzen aufzuspüren und zu erweitern“, sagt Roth. Das kann unter Umständen mit ganz einfachen Mitteln geschehen, wie ihr Kollege Simon Maier erläutert: Wenn zum Beispiel Rollstuhlfahrer an einer Aktion teilnehmen sollen, bei der mit Naturmaterialien gearbeitet wird, muss der Pädagoge das Angebot auf diese Teilnehmer anpassen, indem er die Materialien nicht auf dem Boden, sondern auf einem Tisch auslegt.

In der zweiten Phase von „OUTdoor INklusiv“ sollen die gemeinsam erarbeiteten Aktivitäten in sogenannte Mikroprojekte münden, das sind inklusive Outdoor-Angebote für alle Interessierten, die jeweils von einem Experten-Tandem durchgeführt werden. Dabei soll auch mit Vereinen, Kirchen oder anderen Organisationen kooperiert werden, die dadurch in die Lage versetzt werden, eigene inklusive Angebote auf die Beine zu stellen. „Das Ziel ist, dass die Idee durch die Tandems immer weiter verbreitet wird und zum Beispiel Jugendleiter davon profitieren“, sagt Simon Maier.

Im Sommer soll bei einem Erlebnistag im Welzheimer Wald eine Waldschaukel gebaut werden. Weitere mögliche Aktivitäten sind Kanufahren, Klettern oder das Kennenlernen von Wald- oder Wasserbewohnern – die Tandempartner können ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Zudem ist eine Teilnahme an der Aktion „Ebnisee für alle“ im August geplant. Im weiteren Verlauf des Projekts wollen die Verantwortlichen buchstäblich hoch hinaus: Im Sommer 2020 soll eine größere Bergwanderung, vielleicht sogar eine Alpenüberquerung organisiert werden. „Da gehört Mut dazu“, meint Simon Maier, der als Rollstuhlfahrer weiß, wovon er spricht: „Das fängt mit barrierefreien Unterkünften an und geht bis zu Steckdosen zum Aufladen von Elektro-Rollis.“ Am Ende des Projekts sollen die Ergebnisse aufgearbeitet und in einer Dokumentation festgehalten werden.

Für die Tandems sucht der Kreisjugendring Menschen mit körperlichen oder kognitiven Einschränkungen bis etwa 30 Jahre und Fachkräfte aus dem Bereich Natur- und Erlebnispädagogik. Wer Interesse hat, kann sich mit den Projektreferenten in Verbindung setzen: Angelika Roth, Telefon 07191/9079-242, E-Mail angelika.roth@ jugendarbeit-rm.de; Simon Maier, Telefon 07191/9079-226, E-Mail simon.maier@ jugendarbeit-rm.de.

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Erstellt:
12. Februar 2019, 06:00 Uhr

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