Neue Flüchtlingsunterkunft in Backnang ist ein Provisorium auf unbestimmte Zeit

Auf einer Brachfläche an den Bahngleisen entsteht in Backnang ein Containerquartier für bis zu 60 Geflüchtete. Nach dem Willen der Stadt soll es sich nur um eine Übergangslösung handeln. Doch wie lange der Standort gebraucht wird, weiß momentan keiner.

Seit einer Woche wird auf dem Aurelis-Areal an der Ecke Maubacher Straße/Blumenstraße gearbeitet. Auf die runden Fundamente werden in einigen Wochen die Container gesetzt. Die zweistöckige Anlage wird Wohnraum für bis zu 60 Personen bieten. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Seit einer Woche wird auf dem Aurelis-Areal an der Ecke Maubacher Straße/Blumenstraße gearbeitet. Auf die runden Fundamente werden in einigen Wochen die Container gesetzt. Die zweistöckige Anlage wird Wohnraum für bis zu 60 Personen bieten. Foto: Alexander Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. Es ist nicht gerade eine 1-a-Wohnlage, in der vor einer Woche die Bauarbeiten begonnen haben. Das Gelände an der Maubacher Straße, das die Stadtverwaltung nach ihrem früheren Eigentümer als Aurelis-Areal bezeichnet, befindet sich direkt neben den Bahngleisen. Wenn dort alle paar Minuten die Züge vorbeidonnern, fällt es schwer, sein Gegenüber noch zu verstehen. Das dürfte auch ein Grund dafür sein, warum sich alle bisherigen Überlegungen, die Fläche zu bebauen, zerschlagen haben.

Das Gelände, auf dem sich einst der Güterbahnhof befand, liegt schon seit vielen Jahren brach. Seit 2012 gehört es der Stadt Backnang. Ein Teil wird zurzeit als Parkplatz genutzt. Mittelfristig sollen dort nach Angaben von Baubürgermeister Stefan Setzer etwa 60 bis 70 bezahlbare Wohnungen entstehen. Die Städtische Wohnbau hat dafür auch schon recht konkrete Pläne.

Kurzfristig hat allerdings die Unterbringung von Geflüchteten Priorität. Denn die Stadt steht bei diesem Thema gehörig unter Druck. „Wir müssen dieses Jahr noch mindestens 150 Leute unterbringen“, erklärt Verwaltungsdezernent Timo Mäule. Doch diese Zahl sei nur eine Momentaufnahme: „Es können auch noch 200 Personen dazukommen.“ Die Städte und Gemeinden stehen bei der Verteilung geflüchteter Menschen nämlich ganz am Ende der Kette. Wie viele Personen sie aufnehmen, entscheiden sie nicht selbst, sondern diese werden ihnen vom Landkreis zugewiesen.

Und diese Zuweisungszahlen sind nach wie vor sehr hoch – weit höher übrigens als 2016, obwohl das Flüchtlingsthema damals viel kontroverser diskutiert wurde. Aktuell sind in den städtischen Unterkünften laut Mäule nur noch wenige Plätze frei. Höchste Zeit also, neue Quartiere zu schaffen.

Jetzt werden die Fundamente vorbereitet

Damit wurde nun auf dem Aurelis-Areal begonnen. Das Grundstück wurde bereits an das öffentliche Leitungsnetz angeschlossen, jetzt werden die Fundamente vorbereitet. Voraussichtlich Ende Mai werden dann 55 Container geliefert, die vor Ort zu einer zweistöckigen Wohnanlage zusammengesetzt werden. Bis zu 60 Personen sollen dort künftig leben. Neben Schlafräumen wird es auch einen Sanitärtrakt sowie Küchen und Sozialräume geben. „Das ist kein Luxusstandard, aber ausreichend komfortabel“, sagt Stefan Setzer. Auf dem Dach der Anlage wird eine Fotovoltaikanlage Solarstrom produzieren. Den Standort der Unterkunft hält Setzer für gut geeignet, denn Läden, Behörden und auch der Bahnhof sind zu Fuß erreichbar. Bis Anfang Juli soll die neue Wohnanlage bezugsfertig sein.

Für die Containerlösung sprach zum einen, dass sie sich schnell realisieren ließ. Zum anderen will die Stadt damit auch signalisieren, dass es sich bei der Unterkunft um ein Provisorium handelt. Auch die Baugenehmigung wurde nur befristet auf fünf Jahre erteilt. „Wir setzen alles daran, dass das kein Dauerstandort wird“, erklärt Stefan Setzer. Wie gesagt: Die Stadt verfolgt auf dem Aurelis-Areal eigentlich andere Pläne. Angesichts der völlig unklaren Entwicklung bei den Flüchtlingszahlen will Setzer allerdings auch keine Garantien geben. „Versprechen können wir gar nichts. Das wäre unseriös“, sagt der Baubürgermeister.

Für ein Provisorium ist die neue Flüchtlingsunterkunft nicht billig: Die Gesamtkosten liegen nach Setzers Angaben bei 2,9 Millionen Euro, 600000 Euro bekommt die Stadt als Zuschuss vom Land. Weil gerade sehr viele Kommunen neue Flüchtlingsunterkünfte bauen müssen, sei die Nachfrage nach Wohncontainern hoch, was auch die Preise steigen lasse, erklärt der Erste Bürgermeister.

Sozialarbeiterin soll bei Konflikten vermitteln

In der Nachbarschaft weckt das neue Flüchtlingsquartier auch Ängste und Befürchtungen. Viele Anwohner leben selbst noch nicht lange in dieser Gegend. Die Wohnungen auf dem ehemaligen Gelände des Baustoffhändlers Feucht wurden erst vor zwei Jahren fertiggestellt.

Bei einer gut besuchten Informationsveranstaltung versuchten die Vertreter der Stadtverwaltung den Anrainern ihre Sorgen zu nehmen. „Es wird eine Sozialbetreuung vor Ort geben“, versprach Timo Mäule. Eine von der Stadt bezahlte Sozialarbeiterin werde regelmäßig nach dem Rechten schauen und auch vermitteln, wenn es Beschwerden aus der Nachbarschaft geben sollte.

Nicht beantworten konnten die Vertreter der Stadt allerdings die Frage, aus welchen Ländern die künftigen Bewohner der Unterkunft kommen werden. „Das können wir uns nicht aussuchen. Die Personen werden uns erst ein paar Tage vorher zugeteilt“, erklärt Stefan Setzer. Er könne lediglich zusagen, dass man auf eine möglichst homogene Belegung der Unterkunft achten werde, um etwa kulturelle Konflikte unter den Bewohnern zu vermeiden.

Sobald die Zahl der Geflüchteten nachhaltig sinkt, will die Stadt die Container an der Maubacher Straße abbauen. Nach Vorstellung der Verwaltung sollen diese eingelagert werden, um sie bei einem erneuten Engpass an anderer Stelle wiederaufzubauen. So könnte die Stadt flexibel auf schwankende Flüchtlingszahlen reagieren.

Jetzt geht es aber erst einmal darum, die Kapazitäten weiter auszubauen. Die eine neue Unterkunft in der Maubacher Straße wird dafür voraussichtlich nicht genügen. „Wir haben einen Plan, wie es weitergeht“, versichert Stefan Setzer, will sich zu den Details aber noch nicht äußern.

Auf dem Aurelis-Areal soll es aber bei maximal 60 Personen bleiben, obwohl der Platz dort durchaus mehr hergeben würde. Die Stadt favorisiert jedoch eine dezentrale Unterbringung der Geflüchteten. Denn Timo Mäule weiß aus Erfahrung: Bei mehr als 100 Menschen an einem Standort nehmen in der Regel auch die Probleme zu.

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Erstellt:
2. Mai 2023, 06:00 Uhr

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