Frühere „Letzte Generation“
Neue Generation setzt auf Bürgerräte statt Sekundenkleber
Sie haben jetzt einen neuen Namen und ein neues Ziel. Die als „Letzte Generation“ bekannte gewordene Aktivistengruppe ist zurück. Was hat sie jetzt vor?

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Carla Hinrichs und die „Neue Generation“ wollen die Demokratie friedlich revolutionieren.
Von Julika Wolf
Sie klebten sich auf Straßen und auf Flugplätze. Die Aktivistengruppe „Letzte Generation“ zog in den vergangenen Jahren viel Kritik und Unverständnis auf sich. Vor Kurzem sagte nun ihre Sprecherin Carla Hinrichs im „Spiegel“: „Straßenblockaden sind erst mal nicht mehr unser Fokus.“ Und jetzt?
Dass sie sich neu ausrichten will, gab die Gruppe schon vor einiger Zeit bekannt. Neben dem Klima hat sie sich ein weiteres Ziel gesetzt: eine neue Generation der Demokratie. Deshalb nennt sie sich nun „Neue Generation“. Am Freitag erklärte die Gruppe erstmals ihre neuen Ziele. „Die Vision ist eine Demokratie, in der alle Stimmen zählen und Entscheidungen auf breiter gesellschaftlicher Beteiligung und Vernunft basieren“, teilte sie mit. Konkret möchte sie weg von Lobbyistengruppen und parteipolitischen Interessen, die in „traditionellen Parlamenten“ häufig dominierten, hin zu mehr Basisdemokratie.
Gegen die „Allianz von Rechten und Reichen“
„Eine Allianz von Rechten und Reichen tut sich zusammen, um Reichtum zu erhalten und menschenverachtende Ideologien zu fördern“, sagte Aktivistin Emma Dorow vor der Presse. Das sehe man am reichsten Mann der Welt, Elon Musk, der enormen Einfluss auf die Politik habe. Er habe nicht nur Donald Trump in den USA zur Wahl verholfen, sondern stärke auch darüber hinaus rechte Parteien – in Deutschland die AfD.
Gegen die Demokratiekrise helfe keine Reform, nur ein Systemwandel. „Wir vertrauen der Politik nicht mehr“, sagte Dorow. Erstes Ziel der Neuen Generation sei, neben Bundestag und Bundesrat einen Gesellschaftsrat aufzubauen, der Gestaltungsmacht habe: das „Parlament der Menschen“. Zum ersten Mal findet es an diesem Wochenende in Berlin statt. Vor dem Bundestag beraten 60 Menschen, die aus einer Gruppe von Freiwilligen ausgelost wurden, über verschiedene Themen.
Daneben soll ziviler Ungehorsam weiter eine Rolle spielen. Damit die Ideen aus dem Rat nicht in der Schublade landen, wolle man danach Proteste organisieren, um Aufmerksamkeit zu generieren, sagte Neue Generation-Mitglied Lars Werner. Wie die genau aussehen sollen, wollte er noch nicht verraten. Auch nicht, ob die Gruppe künftig wieder auf Straßenblockaden zurückgreifen will. Als Beispiel nannte er, dass die Aktivisten den Anweisungen der Polizei keine Folge leisten könnten. „Als Ausdruck des größten Respekts vor Rechtsstaatlichkeit, weil wir immer auf ein höheres Ziel aufmerksam machen“, sagte er. Die Konsequenzen würden die Aktivisten tragen.
Das mussten sie bereits in der Vergangenheit tun. Die Aktionen der „Letzten Generation“ zogen vielfach Verurteilungen nach sich, weil die Aktivisten sich auf die Straße geklebt und dadurch den Verkehr zum Erliegen gebracht hatten. Lars Werner selbst war deswegen bereits in Präventivhaft. Im März hatte die Generalstaatsanwaltschaft München fünf Aktivisten der Gruppe, darunter Sprecherin Carla Hinrichs, wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Aber auch darüber hinaus sorgte die Gruppe für Debatten. Immer wieder wurde diskutiert, ob die Straßenblockaden wirklich helfen würden, um gegen die Klimakrise anzukämpfen – oder ob der Protest nicht eher dazu führt, dass Menschen sich entnervt abwenden.
Hilft die Neuausrichtung gegen den schlechten Ruf?
Ob die Gruppe meint, mit der neuen Ausrichtung von ihrem schlechten Ruf wegzukommen? „Natürlich wird es immer Kritik geben, wenn man sich gegen den Status Quo auflehnt“, sagt Lars Werner. „Das nehmen wir an.“
Eine Splittergruppe der ehemaligen „Letzten Generation“ nennt sich inzwischen „Widerstands-Kollektiv“. Sie setzt vor allem auf zivilen Widerstand und bepflanzt etwa Parkplätze.