Neue Ideen fürs Weiterleben der Gruschtelkammer

Verwaltung und Gemeinderäte machen sich hinter den Kulissen Gedanken über Vorschläge des Fördervereins Kleinkunstbühne

Charley Graf

© Edgar Layher

Charley Graf

Von Ingrid Knack

AUENWALD. Die Diskussion um die Zukunft der Gruschtelkammer geht weiter. Zunächst hinter verschlossenen Türen. Die Existenz der Kleinkunstbühne ist bedroht, da ihre Heimat, die Sängerhalle in Oberbrüden, höchstwahrscheinlich abgebrochen werden soll, eine von der Gruschtelkammer bis 2025 verlängerte Nutzung nicht gewährt wurde und sich auch ein neues Zuhause in der gerade im Bau befindlichen Mehrzweckhalle zerschlagen hatte (wir berichteten).

Gruschtelkammer-Vorsitzender Charley Graf ist mittlerweile von so gut wie allen Bürgermeistern im Umkreis, einschließlich des Backnanger Oberbürgermeisters Frank Nopper, oder von Kulturbeauftragten der Kommunen auf das Thema angesprochen worden. Etliche davon machten sich ernsthaft Gedanken darüber, ob sie nicht in ihrer Gemeinde einen geeigneten Spielort anbieten könnten. Auch Organisationen, die sich der Kleinkunst oder dem Theater verschrieben haben, boten Graf an, sich ihnen anzuschließen. Doch der Kulturschaffende weiß: Die Gruschtelkammer ist allein für sich eine starke Marke. „Ich kann nicht als Marke in eine andere Marke reingehen“, macht Graf deutlich. Seine Frau Petra bekräftigt: „Das geht auch vom Herzen nicht.“ Ständig zu touren, sei ebenfalls keine Option.

Die Gruschtelkammer ist in der Szene deutschlandweit bekannt. „Da muss man aufgetreten sein“, ist ein Satz, den man immer wieder hört. Auch von denen, die ansonsten nur noch in großen Hallen spielen. War ein Künstler noch nicht in der Sängerhalle und kommt dort an, könne es schon sein, dass er denkt: „Muss ich mir das mit meinem Namen antun?“, erzählt Graf. Nach dem Auftritt sei die Ansage dann komplett anders: „Alle gehen raus und sagen: Charley, wann darf ich wiederkommen?“ Bei Rüdiger Hoffmann etwa sei es so gewesen. Nach der Vorstellung gab es keine umständlichen Worte wie: „Ja, hallo erst mal! Ich weiß gar nicht, ob Sie’s wussten, aber...“ Graf: „Der ist rausgegangen und hat gesagt: Charley, Anruf genügt. Das ist halt die Gruschtelkammer.“ Hoffmann habe zudem etwas getan, was er ansonsten nie tue. „Seit er auf der Bühne ist, ist er zum allerersten Mal nach der Veranstaltung ins Publikum gegangen und hat Selfies mit den Besuchern gemacht.“ Und Graf fügt an: „Die Künstler erzählen in ganz Deutschland über uns.“ Das besondere Flair der Gruschtelkammer begeistert Künstler und Publikum gleichermaßen. Kein Wunder, dass das Programm für die Saison 2019/2020 schon fix und fertig ist. Vielen Künstlern, die anfragten, musste Graf absagen. „Das ist der Irrsinn.“

All diese Angebote, die Graf während der Suche nach einem neuen Standort erreichten – selbst Privatleute und Unternehmer hatten ihm Vorschläge unterbreitet – jeder Zuspruch, den er und seine Mitstreiter in der vergangenen Zeit bekommen hatten, freuen die Gruschtelkammer-Verantwortlichen. Auch die Aufforderung, sich doch zu melden, wenn weiterhin keine Lösung in Sicht ist, zeigt, welche Wertschätzung der Kleinkunstverein bei kulturaffinen Menschen genießt. Zu Wort gemeldet hatten sich auch Künstler, die dort schon aufgetreten sind.

Andere Institutionen hätten die Halle viel zu oft nicht nutzen können

Die Zeit während der Suche nach einem neuen Standort für die Gruschtelkammer war geprägt von vielen Hochs und Tiefs und Momenten der Selbstkritik. Graf hatte ursprünglich gedacht, eine Bühne in der Mehrzweckhalle sei möglich, dann aber wurde ihm nach Gesprächen vor allem mit einer Firma für Licht- und Tontechnik klar, dass dies für alle Beteiligten keine glückliche Lösung sein könne. Während der Auf- und Abbauzeiten hätten Nutzer wie Schule, Kindergarten, Gemeinde und Vereine auf die Halle verzichten müssen. Auch die Bühne der Gruschtelkammer-Theatergruppe hätte nicht über Monate aufgebaut bleiben können. Was aber für die Probe- und Aufführungszeiten notwendig gewesen wäre. So winkte Graf zwei Wochen nach seiner Zusage wieder ab. Was die Mehrzweckhalle anbetrifft, habe er zu kurz gedacht, räumt er ein.

Allerdings war von Anfang an klar, dass es eine große Herausforderung werden würde, eine Kleinkunstbühne in eine Mehrzweckhalle zu integrieren. Wenn sich im Laufe der Projektentwicklung schließlich herausstellt, dass das nicht der Weg sein kann, ist dies nicht verwunderlich. Nach Augenblicken, in denen die Gruschtelkammer-Mitglieder Hoffnung schöpften, als es dann um einen Bühnenanbau an die Mehrzweckhalle ging, der aber vom Gemeinderat mit einer hauchdünnen Mehrheit abgelehnt wurde, und der folgenden Endzeitstimmung, kam eines Tages doch wieder so etwas wie ein Aufbruch. Vor allem wegen der vielen Reaktionen von außen, die immer nur eines zum Inhalt hatten: Die Gruschtelkammer darf nicht sterben. Nach langem Ringen, vielen Überlegungen und Planspielen auf dem Reißbrett zu Locations mit 200 bis 250 Plätzen außerhalb Auenwalds kam der Vorstand des Fördervereins Kleinkunstbühne zu dem Schluss: „Es gibt nur eine einzige Lösung. Dass wir eine Location in Auenwald bekommen.“ Graf spricht von drei neuen Varianten, die er Bürgermeister Karl Ostfalk und Vertretern aller Gemeinderatslisten im Juni unterbreitet hatte. Jetzt wird hinter den Kulissen darüber geredet. „Nach der Sommerpause hoffen wir, dass wir ein Feedback bekommen“, sagt Graf.

Noch ist die Sängerhalle in Oberbrüden eine Kabarett-Hochburg. „Wir haben bis Mai 2021 vom Gemeinderat die Zusage“, so Graf. Wenn’s jedoch darüber hinaus weitergehen soll, müsse mindestens bis Mai/Juni 2019 Klarheit herrschen. Denn die Künstler müssten zum Teil bis zu drei Jahre im Voraus gebucht werden.

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Erstellt:
28. August 2018, 06:00 Uhr

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