Unternehmen
Neue Rechtsform als Lösung für die Nachfolge-Probleme im Mittelstand?
Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) will eine „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ einführen.

© Boris Roessler/dpa
Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) will eine neue Rechtsform für Unternehmen ermöglichen.
Von Norbert Wallet
Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) hat angekündigt, eine neue Rechtsform für Unternehmen einzuführen – die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen (GmgV).
Die Kernidee der neuen Gesellschaftsform ist auf den ersten Blick überraschend. Erwirtschaftetes Kapital soll im Unternehmen verbleiben müssen. Unternehmer leiten ihre Firma, doch haben sie keinen Zugriff auf den Unternehmensgewinn und das in der Gesellschaft gebundene Vermögen. Man kann sagen, dass sie als Treuhänder fungieren. „Asset lock“ heißt das im Wirtschaftsdeutsch.
Das Projekt klingt neu, hat aber bereits eine lange Vorgeschichte. Schon die Ampelregierung hatte sich die Reform vorgenommen. Um das Konzept funktionstüchtig zu machen, hatten sie eine Gruppe von sechs Hochschulprofessoren gebeten, einen Gesetzentwurf vorzulegen. Der aber traf dann auf Bedenken – vor allem beim liberalen Bundesfinanzminister Christian Lindner. An dem Entwurf gab es inzwischen mehrere Änderungen. Lange war ein Thema, ob das Modell innerhalb der etablierten Rechtsform der GmbH machbar ist. Nun aber liegt das Konzept der neuen Rechtsform der Gesellschaft mit gebundenem Vermögen vor.
Bis zu 100 000 Unternehmen in neuer Rechtsform?
Aber gibt es überhaupt eine Nachfrage dafür? Der Motor der Idee ist die „Stiftung Verantwortungsvermögen“. Ihr Sprecher Christoph Bietz nennt zwei Personenkreise, für die die neue Idee interessant sein könnte. „Zum einen für die vielen mittelständischen Familienunternehmen, die in ihrer Familie keine Nachfolger finden und denen dann nichts anderes übrig bleibt, als das Unternehmen zu schließen oder zu verkaufen, mitsamt seinen Mitarbeitern, Kunden und Traditionen.“ Die Gesellschaft mit gebundenen Vermögen biete ihnen nun eine weitere Option: „die treuhänderische Weitergabe an Menschen, die sich für den Job eignen.“
Und zweitens sei die GmgV interessant für werteorientierte Startups und Sozialunternehmen, denen es darum geht, dass dauerhaft und verbindlich ihre Mission und Aufgabe im Zentrum steht und nicht das Interesse an schnellen persönlichen Gewinnen.“ Die Stiftung schätzt, dass bis zu 100 000 Unternehmen die neue Rechtsform nutzen werden.
Unumstritten ist die Idee nicht. Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik, sagte unserer Zeitung: „Und wieder einmal treibt die Politik eine Sau durchs Dorf, die keine wirklichen Probleme löst, aber in den nächsten Jahren die Steuergerichte zu beschäftigen verspricht.“ Seine Einschätzung: „Im besten Fall ist die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen schlichtweg überflüssig, im schlechtesten Fall beschäftigt sie über Jahre den Gesetzgeber und die Gerichte.“
Rechtspolitiker der Koalition sind sich einig
Die Koalition hat sich jedenfalls fest vorgenommen, weiterzukommen als die Ampelregierung. CDU-Rechtspolitiker David Preisedanz (Esslingen) lobt den Vorstoß der Ministerin. Sein Argument: der Mittelstand sei das Rückgrat unserer Wirtschaft. „Deswegen müssen wir bürokratische Hürden abbauen und flexible Lösungen für Nachfolge und Unternehmensführung schaffen.“ Die neue GmgV sei ein entscheidender Schritt, „der Familienunternehmen dauerhafte Unabhängigkeit, finanzielle Stabilität und langfristige Gestaltungsspielräume eröffnet“. Das sichere nicht nur die Nachfolge, „sondern ermöglicht auch nachhaltiges und langfristiges Wirtschaften“.
Den Gesetzgeber wird das Vorhaben mit Sicherheit noch eine ganze Weile beschäftigen. Noch hat die Ministerin keine Eckpunkte vorgelegt.