Neue Wohnungen am Murrufer

Während es mit dem Baustart auf dem Backnanger IBA-Gelände wohl noch einige Zeit dauern wird, ist ein anderes Projekt in unmittelbarer Nähe schon weiter. Wo die Firma Gockenbach bisher Fässer baute, plant ein Investor drei neue Gebäude mit insgesamt 39 Wohnungen.

Das große Gerbfass auf dem Dach verrät, was die Firma Gockenbach dort produziert. Bald sollen an dieser Stelle drei Wohngebäude entstehen. Die Lage ist durchaus idyllisch: Direkt hinter den Bäumen auf der linken Seite fließt die Murr. Foto: K. Fritz

Das große Gerbfass auf dem Dach verrät, was die Firma Gockenbach dort produziert. Bald sollen an dieser Stelle drei Wohngebäude entstehen. Die Lage ist durchaus idyllisch: Direkt hinter den Bäumen auf der linken Seite fließt die Murr. Foto: K. Fritz

Von Kornelius Fritz

Backnang. Dass die besten Jahre der Firma Gockenbach schon eine Weile zurückliegen, ist auf den ersten Blick zu erkennen. Die Hallen auf dem verwinkelten Firmengelände an der Theodor-Körner-Straße wirken schon etwas baufällig, investiert wurde hier offenbar schon länger nicht mehr. Den Niedergang der Backnanger Lederindustrie hat der Hersteller von Gerbfässern zwar überlebt, doch jetzt wird die Luft auch für diesen Traditionsbetrieb immer dünner (siehe Infobox). Deshalb hat Inhaber Wolfgang Braun entschieden, den angestammten Standort aufzugeben und das Grundstück an einen Investor zu verkaufen.

Die BPD Immobilienentwicklung, eine Tochter der niederländischen Rabobank, will dort nun zusammen mit den Architekten der Re2area GmbH aus Esslingen insgesamt 39 Wohnungen bauen. Dafür muss der Gemeinderat allerdings erst den Bebauungsplan ändern. Deshalb stellten Projektentwickler Rainer Beitlich und Architekt Nicolas Pollich die Pläne jetzt im Technischen Ausschuss vor. Auf dem 0,5 Hektar großen Gelände sollen drei neue Gebäude entstehen, die sich wie Flügel einer Windmühle um einen grünen Innenhof gruppieren. Die Häuser haben jeweils vier Stockwerke, wobei das oberste als sogenanntes Staffelgeschoss zurückgesetzt ist, was Platz für große Dachterrassen schafft.

Der Ausblick von dort oben könnte in einigen Jahren durchaus ansprechend sein, denn direkt hinter dem Grundstück fließt – im Moment allerdings noch ziemlich zugewachsen – die Murr vorbei. Werden die Pläne für die Internationale Bauausstellung umgesetzt, soll dort bis 2027 eine parkartige Flusslandschaft entstehen. Und auf der gegenüberliegenden Seite, wo heute noch die alten Hallen der früheren Lederfabriken stehen, ist ein lebendiges Stadtquartier geplant. Das Projekt auf dem Gockenbach-Areal passe dazu hervorragend, findet Tobias Großmann, Leiter des Stadtplanungsamts. Der Steg, der dort über die Murr führt, könnte für Fußgänger und Radfahrer auch eine wichtige Wegeverbindung ins künftige IBA-Quartier werden.

Auch im Gemeinderat stießen die Pläne auf positive Resonanz. „Es ist gut, dass der morbide Charme an der Theodor-Körner-Straße bald der Vergangenheit angehört“, meinte SPD-Fraktionschef Heinz Franke. Ute Ulfert (CDU) lobte, dass der Investor auch viele größere Wohnungen für Familien bauen will. Geplant sind aktuell 19 Vierzimmerwohnungen, 13 Dreizimmerwohnungen sowie sieben kleinere Apartments mit jeweils zwei Zimmern. Auch hier gilt die vom Gemeinderat im vergangenen Jahr beschlossene Sozialquote: 20 Prozent der neu geschaffenen Wohnfläche müssen demnach vergünstigt vermietet werden.

Für Gesprächsstoff sorgten im Ausschuss die Zahl der Stellplätze und das Energiekonzept. Der Bauträger plant eine Tiefgarage mit 35 Plätzen, weitere vier Stellplätze sollen oberirdisch angelegt werden. Einige Stadträte bezweifeln jedoch, ob das reicht. Architekt Nicolas Pollich verwies auf die Nähe zum Bahnhof und setzt auf ein geändertes Mobilitätsverhalten in der Zukunft: „Glauben wir doch an die Mobilitätswende!“, appellierte er an die Stadträte.

Die waren davon allerdings nicht überzeugt: „Die Leute wollen mobil sein und nicht jeder möchte Zug oder S-Bahn fahren“, hielt Heinz Franke dagegen. Gerhard Ketterer (CDU) erinnerte an die älter werdende Gesellschaft: „Da ist das Fahrrad nicht mehr für jeden geeignet.“ Am Ende bekam der Architekt als Hausaufgabe mit auf den Weg, nach Möglichkeiten zu suchen, wie zusätzliche Stellplätze geschaffen werden können.

Grünen-Fraktionschef Willy Härtner interessierte sich vor allem für das Energiekonzept. Das wolle man zusammen mit den Stadtwerken erst noch entwickeln, erklärte Rainer Beitlich. Der Bauträger kann sich ein mit Gas betriebenes Blockheizkraftwerk vorstellen. Ob eine Fotovoltaikanlage sinnvoll sei, müsse man noch prüfen, weil der Standort am Fuße des Etzwiesenbergs relativ schattig sei. Härtner plädierte für Holzpellets als Brennstoff: „Die Stadtwerke sollten sich bewegen und nicht immer nur ihr Gas verkaufen“, forderte er mit Blick auf das geplante Klimaschutzkonzept der Stadt.

Brandaktuell ist gerade auch wieder das Thema Hochwasserschutz, erst recht bei einem Neubau in Flussnähe. Rein rechtlich sei dies hier unproblematisch, erläuterte Baudezernent Stefan Setzer, denn die Gebäude lägen außerhalb des Überflutungsbereichs eines 100-jährlichen Hochwassers. Trotzdem sei zu empfehlen, beim Bau an Schutzvorkehrungen zu denken, damit Tiefgarage und Keller auch bei einem extremen Wetterereignis nicht volllaufen.

„Die Stadtwerke sollten sich bewegen und nicht immer nur ihr Gas verkaufen.“ Willy Härtner (Bündnis 90/Grüne),
wünscht sich Holzpellets als Brennstoff
Fassbauer in vierter Generation

Traditionsbetrieb Die Firma Gockenbach baut seit 1876 in Backnang Fässer. Mit Beginn der Industrialisierung spezialisierte sich das Unternehmen auf die Produktion von rotierenden Gerbfässern für die Lederverarbeitung. Diese produziert das Unternehmen bis heute, allerdings sei die Nachfrage in Europa immer weiter zurückgegangen, erklärt Inhaber Wolfgang Braun, der das Unternehmen in vierter Generation leitet. In ganz Deutschland gebe es heute noch 18 Lederfabriken, früher waren es allein in Backnang mehr.

Standortsuche Gockenbach will deshalb die Produktion von Fässern aufgeben und sich auf den Service und den Verkauf von Ersatzteilen konzentrieren. Das Unternehmen organisiert zudem den weltweiten Transport von Maschinen. Aktuell sei man auf der Suche nach einem neuen Standort, sagt Wolfgang Braun. Das Unternehmen hat drei Beschäftigte, früher waren es einmal bis zu zehn.

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Erstellt:
22. Juli 2021, 06:00 Uhr

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