Der neue, alte Beauftragte: Grün-Schwarz in Erklärungsnöten

dpa/lsw Stuttgart. Kretschmann selbst wollte Schluss machen mit den vielen Beauftragten in der Landesregierung. Drei Posten wurden gestrichen - auch um den eigenen Sparwillen zu betonen. Doch plötzlich taucht ein alter Beauftragter an neuer Stelle wieder auf.

Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU), Wirtschaftsministerin von Baden-Württemberg. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild

Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU), Wirtschaftsministerin von Baden-Württemberg. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild

Die grün-schwarze Landesregierung hat ihren Landesbeauftragten für Technologie aus Spargründen abgeschafft, nun bestellt das Wirtschaftsministerium den bisherigen Amtsinhaber als Beauftragten des Ressorts. Die Opposition ist empört und spricht von einer Posse. In der grün-schwarzen Koalition wurden dem Vernehmen nach viele von der Entscheidung der Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) überrascht.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sprach von „billigen Taschenspielertricks“ der Koalition. „Die Dreistigkeit, mit der die Landesregierung die Menschen für dumm verkaufen will, kennt offenbar keine Grenzen.“ Zuerst sei das Amt des Technologiebeauftragten „mit medialem Pomp“ gestrichen worden, „um von der Aufblähung des eigenen Regierungsapparats mit einer Armada von Staatssekretären abzulenken“. Und nun sei Wilhelm Bauer wieder Technologiebeauftragter, allerdings des Wirtschaftsministeriums. „Grün-Schwarz ist nicht willens, bei sich zu sparen“, schimpfte Rülke. Für die SPD-Fraktion spottete Boris Weirauch: „Es fehlt eigentlich nur noch, dass Kretschmann einen Landesbeauftragten für Stellenaufwuchs einsetzt.“

Das Staatsministerium hatte kurz nach Amtsantritt der Regierung Mitte Mai mitgeteilt, die Landesbeauftragten für Demografie, Technologie und Lärmschutz sollten abgeschafft werden. Am Donnerstag bestellte Hoffmeister-Kraut den Chef des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart zum Technologiebeauftragten für ihr Ressort - er war auch schon bisher ihrem Minsterium zugeordnet. In der Pressemitteilung dazu hieß es: „Der Technologiebeauftragte konnte als unabhängige Beratungsinstanz wichtige Impulse setzen, um die technologische Leistungs- und Innovationsfähigkeit zu stärken. Unseren erfolgreichen Weg wollen wir auch in den kommenden fünf Jahren gemeinsam fortsetzen.“

Wie die dpa erfuhr, sind im Nachtragshaushalt 250.000 Euro für die Geschäftsstelle des Technologiebeauftragten im Wirtschaftsministerium bis 2026 vorgesehen. Die Beauftragten selbst arbeiten in der Regel ehrenamtlich. Im Verkehrsministerium hat die neue Staatssekretärin Elke Zimmer (Grüne) den Job der Lärmschutzbeauftragten übernommen. Zuvor war das der Grünen-Landtagsabgeordnete Thomas Marwein gewesen. Doch so richtig gespart wurde damit auch nicht. Stattdessen werden zwei Stellen im Ministerium, die eigentlich wegfallen sollten, weiter finanziert. Demografiebeauftragter war der CDU-Mann Thaddäus Kunzmann, sein Posten ist weggefallen. Hier hatte Sozialminister Manne Lucha (Grüne) schon vor der Landtagswahl argumentiert, die Aufgabe müsse auf mehrere Ressorts verteilt werden.

Das Wirtschaftsministerium, das mit Patrick Rapp (CDU) ebenfalls einen Staatssekretär hat, rechtfertigte am Freitagabend auf Nachfrage die Bestellung von Bauer. „Die Koalition hat sich darauf verständigt, die Zahl der Beauftragten der Landesregierung zu reduzieren, hat aber nicht ausgeschlossen, dass die Ministerien in begründeten Einzelfällen und in der jeweiligen Ressorthoheit über die Berufung von eigenen Beauftragten entscheiden.“ Es sei „enorm wichtig“, weiter einen Ansprechpartner für Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zu haben, sagte eine Sprecherin.

Bauers Berufung sei im Zuge der Aufstellung des Nachtragshaushalts von der Regierungskoalition gebilligt worden. Zudem sei der Entwurf des Nachtrags am vergangenen Dienstag im Kabinett beschlossen worden. Grün-Schwarz war zuletzt immer wieder in der Kritik, weil die Koalition ein neues Bauministerium und vier zusätzliche Posten für Staatssekretäre geschaffen hat - und das in Zeiten, in denen das Land wegen der Corona-Krise Rekordschulden aufnimmt.

© dpa-infocom, dpa:210703-99-245087/4

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Erstellt:
3. Juli 2021, 11:33 Uhr

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