Neuer Pfandbecher gegen Stuttgarts Coffee-to-go-Müllberg

dpa/lsw Stuttgart. Für Stuttgarts Oberbürgermeister Kuhn ist der Coffee-to-go-Becher ein Symbol für die „Ex-und-Hopp-Gesellschaft“. Milliardenfach benutzt, landen sie auf dem Müll und können nicht recycelt werden. Nun will Stuttgart dem einen Riegel vorschieben. Andere Städte sind da weiter.

Ein Einweg-Kaffeebecher liegt auf dem Boden. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Ein Einweg-Kaffeebecher liegt auf dem Boden. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Kaufen, Trinken, Wegschmeißen. Hunderttausendfach greifen Kaffeetrinker in Deutschland zu - und werfen den Becher danach in den Müll. Rund 2,8 Milliarden Einwegbecher landen nach Berechnungen der Deutschen Umwelthilfe auf diese Weise Jahr für Jahr in Deutschland im Abfall, im Gebüsch oder auf der Straße. In Stuttgart allein sind es etwa 80 000 Stück - täglich. Mit einem Pfandbecher will die Stadt gegen diese Müllflut beim schnellen Kaffee unterwegs angehen. Ähnliche Systeme verschiedener Anbieter gibt es schon in Baden-Württemberg, unter anderem in Schwäbisch Hall, Freiburg, Heidelberg und am Bodensee.

Der Einwegbecher sei „ein Symbol für eine Ex-und-Hopp-Gesellschaft“ und ein Problem im öffentlichen Raum, sagte Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) bei der Ankündigung des Systems in der Landeshauptstadt. „Entweder vermüllen achtlos weggeworfene Becher Parks oder Grünanlagen, oder sie verstopfen öffentliche Abfalleimer, weil sie sperrig sind.“

Am geplanten Kreislaufmodell des Anbieters Recup nehmen in Stuttgart mehr als 50 Läden teil, darunter vor allem Cafés und Bäckereien. Wer seinen Kaffee unterwegs trinken möchte, bestellt ihn im Mehrweg- statt im Einwegbecher und hinterlegt ein Euro Pfand, das es gegen den leeren Becher zurückgibt in einem der beteiligten Betriebe. Die Becher werden gereinigt und anschließend direkt wieder eingesetzt.

Wie in anderen Kommunen gibt es den Pfandbecher in Stuttgart in einer eigenen Städte-Edition. Darauf zu sehen sind die Wahrzeichen der Stadt wie der Fernsehturm, die Stiftskirche oder das Mercedes-Benz- und Porsche-Museum.

Städte-Kooperationen mit Recup gibt es nach Angaben des Münchner Unternehmens im Südwesten mit Ulm/Neu-Ulm, Heidelberg, dem Allgäu, der Bodenseeregion und Böblingen. „Generell sind wir sehr zufrieden mit der Situation in Baden-Württemberg“, sagt eine Recup-Sprecherin.

Deutschlandweit arbeitet Recup mit 27 Städten oder Regionen zusammen. Die Becher werden nach Angaben der Sprecherin an 3100 Stationen angeboten. „Natürlich ist es das ferne Ziel, langfristig ein gemeinsames Netzwerk aller Anbieter dieses Pfandsystems aufstellen zu können“, sagt Recup-Geschäftsführer Fabian Eckert. Zukunftsmusik? „Man spricht miteinander.“

Andere Städte sind schon weiter als Stuttgart: Freiburg zum Beispiel ist zufrieden mit seinem vor drei Jahren eingeführten eigenen Angebot, dem „FreiburgCup“. „Der Becher hat gerade bei jüngeren Leuten einen hohen Stellenwert“, sagt Dieter Bootz, Sprecher der Abfallwirtschaft und Stadtreinigung Freiburg (ASF). Erfolgreich sei er vor allem in Szene-Cafés, im Uniklinikum und an den Hochschulen, während Kaffeetrinker in Bäckereifilialen eher noch zum Einwegmodell griffen.

Wichtig sei, dass Kunden von Verkäufern in den Teilnehmerläden angesprochen würden auf das Angebot, sagt Bootz. Eine weitere Erfahrung: Nicht selten wird der Becher nicht zurückgegeben, sondern in der eigenen Küche eingesetzt, oft auch von Touristen als Souvenir gekauft. „Von den 32 000 bislang in Umlauf gebrachten Bechern sind das vielleicht 10 bis 15 Prozent.“ Bisher hätten sich aber die großen Kaffeeanbieter wie McDonalds oder Starbucks in Freiburg noch nicht dem Pfandsystem angeschlossen.

Heidelberg hat den Fast-Food-Riesen dagegen an Bord: „Bei uns bieten 30 Betriebe den Becher an, darunter auch McDonalds“, heißt es bei der Abfallwirtschaft und Stadtreinigung. Vom Interesse der Heidelberger am Pfandsystem sei die Stadt überrascht.

Seit dem Sommer des vergangenen Jahres nimmt auch der Landkreis Schwäbisch Hall am Pfandsystem des Anbieters Recup teil. Dort landeten jährlich schätzungsweise 6,5 Millionen Coffee-to-go-Becher im Müll, teilt die Verwaltung mit. Durch das Pfandsystem würden Ressourcen und CO2 eingespart, das Abfallaufkommen reduziert.

Denn Einwegbecher sind nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe vielleicht komfortabel, sie sind aber kaum recycelbar und müssen verbrannt werden. Außerdem werden bei der Produktion Ressourcen wie Holz und Erdöl eingesetzt, aber nur für eine Viertelstunde verwendet. Die Herstellung braucht zusätzlich Energie und Wasser, Chemikalien kommen auch zum Einsatz.

Damit der Pfandbecher umweltfreundlich wird, muss allerdings laut Umweltbundesamt eine Bedingung erfüllt sein: Mindestens zehn Mal, besser öfter, müssen die Becher wiederverwendet werden. Für den Klimaschutz sollten es sogar mehr als 50 Mal sein. Einen Einweg-Deckel dürfen sie nicht haben, der verdirbt die Bilanz.

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Erstellt:
7. Oktober 2019, 17:58 Uhr

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