Neues Leben im Gnadenhof Murrquelle

Nach einem Betreiberwechsel werden die Tiergehege derzeit saniert und das zugehörige Heuhotel auf den neuesten Stand gebracht. Wirtin Višnja Lamp hofft, die Türen für Gäste bald wieder öffnen zu können.

Mit ihnen geht es nun weiter im Förderverein Gnadenhof Murrquelle (von links): Schatzmeister Martin Hörger, Oliver Lamp, Tochter Lena Weber (Vorsitzende), Višnja Lamp (Besitzerin Heuhotel) und Sandra Scheer (stellvertretende Vorsitzende). Fotos: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Mit ihnen geht es nun weiter im Förderverein Gnadenhof Murrquelle (von links): Schatzmeister Martin Hörger, Oliver Lamp, Tochter Lena Weber (Vorsitzende), Višnja Lamp (Besitzerin Heuhotel) und Sandra Scheer (stellvertretende Vorsitzende). Fotos: J. Fiedler

Von Ute Gruber

MURRHARDT. Das hölzerne Hinweisschild zum Heuhotel an der einzigen Kreuzung im überschaubaren Dorf Vorderwestermurr ist kaum noch zu erkennen. „Absicht“, erklärt Martin Hörger, Schatzmeister des Fördervereins des mit dem Heuhotel Murrquelle verbundenen Gnadenhofs. Zum einen ist die Renovierung der Anlage noch nicht ganz abgeschlossen, zum anderen ist eine Bewirtung oder Übernachtung wegen der Coronaeinschränkungen derzeit noch nicht möglich. „Aber bald“, ist sich Višnja Lamp sicher. Die quirlige 61-Jährige aus dem benachbarten Sechselberg hat vergangenen Februar das Anwesen von Vorbesitzerin Martina Theurer abgekauft, dazu ein direkt angrenzendes, altes Bauernhaus, das zum Gästehaus umgebaut werden soll. Schon seit zwei Jahren hilft die gebürtige Donauschwäbin bei der Versorgung der Tiere. „Bei dir wüsste ich, dass es den Tieren gut geht“, hatte Martina Theurer die ehrenamtliche Helferin zum Kauf motiviert, nachdem klar war, dass sie ohne ihren plötzlich verstorbenen Ehemann das Projekt alleine nicht mehr stemmen konnte. So wurde zahlungskräftigen Immobilienfirmen eine Absage erteilt und das idyllische Anwesen wird wieder auf Vordermann gebracht.

Die Gaststube im ehemaligen Kuhstall wird gerade frisch geweißelt. „Das ist doch urig“, findet Lena Weber, die seit Kurzem den Vorsitz im Förderverein innehat und fast täglich auf dem Betrieb im Einsatz ist. „Die alten Stallfenster und der Bollerofen! Und trotzdem barrierefrei inklusive Behinderten-WC.“ In der Durchfahrt der großen Scheune wird gerade die provisorische Unterkunft für die 15 geretteten Straßenkatzen demontiert, welche die Katzenhilfe letztes Jahr gebracht hat. „Wir brauchen den Platz hier, damit wir wieder Veranstaltungen anbieten können“, erklärt Martin Hörger, der weisungsgemäß die Finanzen im Blick hat, und denkt dabei zum Beispiel an Sommerfest, Weihnachtsbasar und Ostermarkt. „Der geht nächstes Jahr ja hoffentlich auch wieder.“

Die Katzen sind dafür seit Freitag im geräumigen, ehemaligen Hühnerstall des Bauernhofs untergebracht. Stolz präsentieren Lena Weber und ihre Vize Sandra Scheer, die wegen der Tiere regelmäßig extra aus Reutlingen zur Murrquelle kommt, die komfortable neue Unterkunft mit zahllosen gepolsterten Liegekisten, gut gefüllten Futterschalen, Kletterbaum, Weidenkorb zum Krallenwetzen und Katzenklos. „Wir haben auch extra eine Waschmaschine für die Bezüge und Teppiche hier.“ Durch den klassischen Hühnerschlupf können die Samtpfoten Tag und Nacht ins Freie, und so sind auch beim derzeitigen Kaiserwetter gerade alle ausgeflogen.

Ehemann Oliver ist für die Baumaßnahmen verantwortlich.

Auf dem weitläufigen Gelände hinter der Scheune gibt es viel Platz für Tiere und zweibeinige Gäste. Allerdings ist vieles hier in einem desolaten Zustand, es fehlt an geeigneten Stallungen und Gehegen. Ein abenteuerlicher Zaun aus Paletten, Leitern und einem Garagentor trennt die Schafe von den Besuchern, in der Grilljurte haben notgedrungen die Ziegen Liesl und Emma überwintert und zum Andenken Köttel hinterlassen. Jetzt konnten sie in den neu gebauten Stall umziehen und der Grillplatz kann wieder für seinen eigentlichen Zweck hergerichtet werden. Mit massiven Zaunpfählen nimmt auch die neue Umzäunung Formen an: „Das Zaunmaterial haben wir mit Spendengeldern günstig über E-Bay gekauft“, berichtet Hörger. Neben geschickten, ehrenamtlichen Helfern ist maßgeblich Oliver Lamp, seines Zeichens selbstständiger Altbausanierer und Ehegatte der neuen Besitzerin, verantwortlich für die Baumaßnahmen. „Ich bin so froh, dass mein Mann da mitgemacht hat“, strahlt Višnja Lamp.

Auch müssen die Ziegenböcke nun nicht mehr zwischen den Hasen im Vorgarten hausen. Gerade rammen sie im Wettstreit um Karotten die behörnten Köpfe gegeneinander: „Emil und Willi, das sind schon so richtige Eumel“, schüttelt Weber den Kopf. „Die machen doch alles kaputt!“ Martin Hörger, der mit dem Schicksal aller Tiere vertraut ist, erzählt, dass die beiden als Gesellschaft für Pferde gedacht waren. „Aber das hat wohl nicht so ganz geklappt...“ Naja: Vater Lamp richtet’s wieder. Ein andermal ging der Therapieesel einer Behinderteneinrichtung in Ruhestand: „Da kam ein ganzer Bus voll Bewohner mit, um zu sehen, ob’s dem hier auch gut geht.“ Manchmal werden Tiere auch in jugendlichem Leichtsinn angeschafft, wie die beiden Hängebauchschweine Hanni und Nanni, die als putzige, winzige Ferkel einem jungen Mann von seinen Kumpels zum 18. Geburtstag geschenkt wurden. „Das hat natürlich nicht funktioniert, in der Wohnung im dritten Stock.“ Jetzt liegen sie dick und träge zwischen pickenden Hühnern im Schatten eines Apfelbaums. „In solchen Fällen wird von uns nahegelegt, eine Patenschaft zu übernehmen“, erläutert Hörger die Finanzierung des Unterhalts der Tiere. Was zugleich einen pädagogischen Effekt hat.

Während also der Gnadenhof allein auf Basis von Spenden und Ehrenamt durch den Förderverein betrieben wird, müssen Heuhotel und Gastronomie als Wirtschaftsbetrieb funktionieren. Gut 20 Gäste können im Heu nächtigen. Der hölzerne Dachboden direkt unter den nackten Dachziegeln ist dafür mit aufgerichteten Dielen in fünf geräumige Kojen unterteilt, in denen je vier bis fünf Personen im Schlafsack auf duftendem Heu nächtigen können. „Nächste Woche bekommen wir frisches Heu und der Brandschutz muss auch noch aktualisiert werden“, erläutert Višnja Lamp. Die angehende Wirtin rechnet neben Wandergästen, Kindergeburtstagen und Schulklassen auch mit Ausflugsgästen zum Beispiel aus sozialen Einrichtungen. „Denen tut der Kontakt mit den Tieren so gut!“ Sie möchte aber auch Seminare und Vortragsveranstaltungen anbieten und hat dafür schon Kontakte geknüpft. Sobald die Situation es wieder zulässt, sind Gäste willkommen. Dann werde auch das marode Hinweisschild an der Kreuzung erneuert. Versprochen.

Pumba, ein schwäbisches Hausschwein, genießt Streicheleinheiten.

© Jörg Fiedler

Pumba, ein schwäbisches Hausschwein, genießt Streicheleinheiten.

Vorbesitzerin ist ausgewandert

Das Heuhotel Murrquelle liegt mitten in Vorderwestermurr an der Straße Richtung Fautspach. Derzeit bietet der angeschlossene Gnadenhof etwa 100 Tieren ein Zuhause. Es gibt Esel, Ziegen, Schafe, Hasen, Hühner, Enten, Gänse, Hunde und Katzen.

Der Gnadenhof ist für Futter und Baumaterial auf Spenden angewiesen. Die Gastronomie mit Bistro und Biergarten soll zunächst an Wochenenden geöffnet sein. Aktuelle Informationen gibt es bald wieder auf www.heuhotelmurrquelle.de.

Vorbesitzerin Martina Theurer sei derweil nach Schweden ausgewandert und wage dort mit dem Verkaufserlös einen Neuanfang. „Es geht ihr gut“, berichten die Vereinsmitglieder.

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Erstellt:
20. Mai 2020, 06:00 Uhr

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