GDL-Lokführer zu Zugunglück

Nico Rebenack kennt Unglücksstelle in Riedlingen: „Das macht was mit einem“

Bei den Lokführern hat das Zugunglück in Riedlingen Bestürzung ausgelöst. Der Bezirksvorsitzende der GDL äußert generelle Kritik – und spricht über die psychologische Komponente.

Das Zugunglück vom 27. Juni 2025 wirkt bei den Lokführern in Baden-Württemberg nach, berichtet Gewerkschafter Nico Rebenack.

© Jason Tschepljakow/dpa/privat

Das Zugunglück vom 27. Juni 2025 wirkt bei den Lokführern in Baden-Württemberg nach, berichtet Gewerkschafter Nico Rebenack.

Von Michael Bosch

Das tragische Zugunglück in Riedlingen am Südrand der Schwäbischen Alb hallt auch gut eineinhalb Wochen später nach. Drei Menschen sind ums Leben gekommen – der Lokführer, ein Auszubildender und eine 70-jährige Frau. Fast 40 Menschen wurden schwer verletzt.

Die Aufarbeitung des Unfalls ist nach wie vor im Gange. Ersten Erkenntnissen der Ermittlern zufolge war wohl ein Erdrutsch, der wegen eines übergelaufenen Abwasserschachts die Gleise teilweise verschüttet hatte, ursächlich dafür, dass der Zug entgleiste. Die Auswertung des Fahrtenschreibers dauert an, er soll weitere Details liefern.

Streckensperrung bei Riedlingen: Eine gute Sache für die Lokführer

Nico Rebenack, Vorsitzender der Lokführergewerkschaft GDL im Bezirk Süd-West, spricht von „mega-unglücklichen Umständen“ und einem „Vorfall, der so nicht im regelmäßigen Ablauf vorkommt. Es herrscht eine gewisse Sprachlosigkeit“. Der 36-Jährige saß auf der Donaubahn-Strecke, auf der sich das Unglück ereignete, auch selbst im Führerhäuschen.

Das Unglück habe bei der Lokführer-Familie Bestürzung ausgelöst. „Das macht was mit jedem, der den gleichen Beruf ausübt. Noch mehr, wenn man die Strecke selbst täglich gefahren ist – womöglich am gleichen Tag“, sagt der Gewerkschafter. „Dass die Strecke noch immer gesperrt ist, ist für die Lokführer ein Stück weit ein Segen. Wenn man direkt nach einem solchen Unglück an der Unfallstelle vorbei muss, das ist schlimm.“

Dennoch sei das Geschehen selbstverständlich präsent in den Köpfen der Kolleginnen und Kollegen. Wäre jemand in den Tagen nach dem Unfall daheim geblieben, Rebenack hätte das verstanden. Mehr Krankmeldungen habe es aber nicht gegeben. „Vermutlich ist der ein oder andere aber automatisch ein bisschen langsamer gefahren.“ Rebenack spricht in diesem Zusammenhang den generellen Druck an, der auf dem Berufsstand lastet. Dieser sei teils selbst auferlegt. Man will schließlich pünktlich sein, den Fahrplan einhalten. Die Arbeitgeber nimmt er dabei explizit aus. Unabhängig vom Unglück in Riedlingen sagt Rebenack: „Wer in Hektik arbeitet, macht schneller Fehler.“ Es sei die Entscheidung jedes einzelnen, auch mal langsamer zu fahren. Gerade bei schlechtem Wetter und in der Nacht.

Druck auf Lokführer ist groß

Wie so eine Fahrt dann vom Führerhaus aussehe, das könnten sich diejenigen, die hinten im Zug sitzen, schwer vorstellen. „Sie sehen trotz Beleuchtung fast nichts, das ist eher wie mit einer Taschenlampe, mit der sie ins Dunkel leuchten“, sagt Rebenack. „Und dann fahren sie mit 140 oder 160 in eine Kurve.“ Absolutes Vertrauen in die Technik sei nötig. „Die Lokführer sind gut ausgebildet, und wissen, was ihr Fahrzeug kann und tut – und sie wissen über die Streckenverhältnisse Bescheid.“ Die Debatte über das Alter des verunglückten Zugs hält er für verfehlt. Im Zweifel sei das Personal auf alten Zügen sogar besser geschult.

Wie das Unglück zeigt, sind sie manchmal aber machtlos. Einen tonnenschweren Zug stoppt man nicht in Sekundenschnelle. Der DB, könne er keine Vorwürfe machen. „Das springt zu weit“, sagt Rebenack. Generelle Kritik übt er dennoch.

Seit der Privatisierung der Bahn sei der Grünschnitt massiv zurückgefahren worden. „Es werden im Grund nur Arbeiten gemacht, die unbedingt nötig sind“, sagt Rebenack. Die Donaubahn – vor allem auf dem Abschnitt zwischen Blaubeuren und Sigmaringen – sei „wunderschön“, mit viel Vegetation, aber eben auch „nicht ganz ungefährlich“. Die Strecke, auf der sich in der Vergangenheit mehrere Unfälle ereignet haben, ist aus Rebenacks Sicht derzeit nicht einmal in einem kritischen Zustand, andere im Südwesten stünden deutlich schlechter da.

Aus seiner Sicht muss der Blick mehr auf die Bahn-Infrastruktur gerichtet werden, auch vor dem Hintergrund, dass noch mehr Verkehr auf die Schiene verlagert werden soll – in ein Netz, das kaputt gespart wurde und am Anschlag ist. Wenn der Unfallhergang vollends geklärt sei, müsse untersucht werden, „ob es Möglichkeiten oder Maßnahmen gibt, um solche Unfälle künftig zu verhindern“, die Bahn müsse in Bezug auf die Infrastruktur schnell „die Kurve bekommen“. Schließlich gehe es nicht nur um das Wohl der Beschäftigten, „sondern vor allem um die vielen Fahrgäste“.

Gewerkschaft sammelt für Riedlingen

Person Nico Rebenack ist 36 Jahre alt und Vorsitzender des GDL-Bezirks Südwest. Er ist ausgebildeter Lokführer, seit 2009 arbeitet er in dem Beruf.

Spendenaktion Die GDL hat intern eine Spenden für die Familien der verunglückten Mitarbeiter gesammelt. Mehr als 1500 Personen haben sich beteiligt, es kamen um die 40.000 Euro zusammen.

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Erstellt:
6. August 2025, 17:36 Uhr
Aktualisiert:
7. August 2025, 18:01 Uhr

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