Noch kein Infektionsfall Nummer 6 im Kreis

Gesundheitszustand von vier Betroffenen ist laut Landratsamt „nicht kritisch“ – Eine 70-Jährige liegt in der Intensivstation

Die Rems-Murr-Kliniken haben eingeschränkte Besuchszeiten eingeführt. Foto: Gerhard Plessing Flug und Bild

Die Rems-Murr-Kliniken haben eingeschränkte Besuchszeiten eingeführt. Foto: Gerhard Plessing Flug und Bild

Von Peter Schwarz

WAIBLINGEN. Aktuell – Stand Montagabend – gibt es im Rems-Murr-Kreis bezüglich des Coronavirus Sars-CoV-2 noch keinen Infektionsfall Nummer 6. Der Gesundheitszustand von vier bisher Betroffenen – einem 53-Jährigen aus Weinstadt, einem 57-Jährigen aus Backnang, einem 44-Jährigen aus Rudersberg und seiner Tochter – sei „nicht kritisch“, teilt das Landratsamt mit.

Eine 70-jährige Infizierte aus Remshalden liegt in der Intensivstation. Noch unklar ist, ob der Ehemann der 70-Jährigen, der vor einigen Tagen nach einem Aufenthalt im Kongo starb, dem Coronavirus erlag oder ob eine andere Todesursache dahintersteckt. Eine Obduktion wird Aufschluss bringen – sie soll demnächst in einer speziellen Einrichtung in Berlin stattfinden. Eine „verbindliche Ansage“, bis wann mit einem Ergebnis zu rechnen ist, liegt noch nicht vor.

Derweil wird immer deutlicher: Corona-Verunsicherung greift um sich, weil die Instruktionen, die von Bund und Land kommen, unvollständig und schwammig sind. Die Folgen sind absurd: Während Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Landeskollege Manne Lucha „empfehlen“ – nicht anordnen –, Veranstaltungen mit über 1000 Leuten abzusagen, fand gestern Abend das VfB-Spiel gegen Bielefeld statt und wird mit so albernen Alibi-Hygienetipps flankiert, wie sie sich kein Satiriker dämlicher ausdenken könnte: „Bei der Personenkontrolle an den Stadioneingängen“, heißt es auf der VfB-Homepage, sei dem Ordnungsdienst „der Rücken zuzudrehen, sodass kein direkter Face-to-Face-Kontakt entstehen kann“.

„Wir haben“, sagt Landrat Richard Sigel, „über Nacht ein Testzentrum aus dem Boden gestampft und dabei nicht gefragt, wer es bezahlt – wichtig war uns, dass es funktioniert.“

Die Rems-Murr-Kliniken produzieren in einer eigenen Apotheke Desinfektionsmittel. Engpässe drohen nicht. Die Abstimmung des Landratsamts Rems-Murr um Krisenstabskoordinator Stefan Heim mit Kliniken, Rotem Kreuz, niedergelassenen Ärzten „läuft hervorragend“, sagt Sigel.

„Worunter wir aber ein bisschen leiden“: Die „Ansagen und Vorgaben“ von Bund und Land sind „nicht wirklich klar“. Sigels Schwester lebt in Asien, sie hält sich derzeit in Südkorea auf und „schaut mit gewissem Kopfschütteln Richtung Europa. China kriegt die Sache langsam in den Griff, dank sehr klarer Regeln“ – in Deutschland würden viele Entscheidungen einfach an die „Ebene der Veranstalter oder die unteren Verwaltungsbehörden“ delegiert. Dass Spahn die 1000-Leute-Grenze empfiehlt, der VfB aber spielt, „ist für den Bürger schwer nachvollziehbar“.

Die Folgen:

Aktuell versucht sich jede Klinik im Land an ihrer eigenen Risikoabschätzung. Die Rems-Murr-Kliniken haben eingeschränkte Besuchszeiten eingeführt, andere Häuser zögern noch. „Eine einheitliche Linie wäre doch hilfreich.“

Beim medizinischen Bedarf gärt die Nachschubfrage: „Wie wir an die Dinge kommen, wenn wir sie brauchen, ist noch nicht geklärt.“ Jede Klinik muss sehen, wo sie bleibt, und sich „zu Marktpreisen“ eindecken – die sich teils „verdoppelt“ und teils „verzehnfacht“ haben.

Wer die Kosten trägt für das Corona-Testzentrum, mit dem der Landkreis in Vorleistung gegangen ist, sei ebenfalls „immer noch nicht geklärt“.

Es schaffe „Verunsicherung“, wenn dies und das „hier so und dort so“ gehandhabt wird. Leute beschweren sich: Warum sagt ihr Veranstaltungen ab, wenn sie im Ostalbkreis stattfinden – seid ihr hysterisch? Oder: Warum lasst ihr Veranstaltungen zu, wenn sie andernorts platzen – seid ihr naiv? Was gilt denn nun?

Schon vor Ende der Faschingsferien habe sich abgezeichnet, dass Rückkehrer aus Südtirol infiziert sein könnten. Das Kultusministerium aber hielt die Füße still. Bis der Ostalbkreis vorpreschte: „Südtiroler, bitte zu Hause bleiben!“ Worauf das Ministerium nachzog. „Alle aus Südtirol sollten auf einmal daheim bleiben“ – nachdem sie mehrere Tage lang wieder zur Schule gegangen waren.


Eine Hotline – 07151/5013000 – ist werktags besetzt von 8 bis 17 Uhr. Vier Leute sind komplett dafür abgestellt; diese Woche wird das Personal auf zwölf erhöht. Fragen kann man auch per Mail einreichen: corona@rems-murr-kreis.de. Am Wochenende berät das Landesgesundheitsamt: 0711/90439555.

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Erstellt:
10. März 2020, 06:00 Uhr

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