„Noch nie ist eine weiße Frau ins Dorf gekommen“

Sina Steer aus Unterweissach bringt Kleiderspenden zu einer Großfamilie in Tansania – Stundenlange Fahrt durch den Busch führt an den abgelegenen Ort

„Unvergessliche Weihnachten“ erlebte Sina Steer aus Unterweissach dieses Mal. Die Erzieherin verbrachte die Festtage mit den Massai in einem abgelegenen Dorf in Tansania. Als Geschenke hatte sie Kleiderspenden im Gepäck, die sie zuvor gesammelt hatte.

Glücklich über ihre Afrika-Kontakte: Sina Steer.

© Jörg Fiedler

Glücklich über ihre Afrika-Kontakte: Sina Steer.

Von Claudia Ackermann

WEISSACH IM TAL. Alles hat vor fünf Jahren mit einem Urlaub auf der ostafrikanischen Insel Sansibar angefangen. „Ich habe so liebevolle, tolle Menschen kennengelernt“, erinnert sich die heute 31-Jährige. In der Folgezeit reiste sie immer wieder dorthin. Enge Freundschaften entwickelten sich, besonders zu dem Massai Joseph, der am Strand von Sansibar arbeitete. Die Insel gehört zum Staat von Tansania.

Joseph erzählte der Urlauberin aus Deutschland von dem Dorf auf dem Festland, aus dem er stammt. Eigentlich sei es gar kein richtiges Dorf. In einer Ansammlung von Lehmhütten lebt dort der Zusammenschluss seiner Großfamilie, die aus knapp 30 Familienangehörigen besteht. Strom oder fließend Wasser gibt es nicht. Die Menschen leben traditionell, wie in uralten Zeiten.

Bei einem erneuten Aufenthalt auf Sansibar, im Sommer 2019, schlug Joseph vor, Sina Steer seine Heimat zu zeigen. Mit der Fähre setzten sie aufs Festland über. Vom Regierungssitz Daressalam ging es sechs Stunden lang mit dem Bus durchs Landesinnere. In einem Dorf wechselten sie auf ein Motorrad um, das sie in zweistündiger Fahrt über abenteuerliche, unbefestigte Pisten durch den Busch bis zu der Massai-Familie brachte, erzählt Sina Steer. Mit großer Gastfreundschaft wurde sie dort aufgenommen und eine Lehmhütte für sie geräumt.

„Wir konnten uns nur mit Händen und Füßen verständigen“, blickt sie zurück. Joseph half mit Übersetzungen ins Englische. Vor allem die Kinder seien anfangs etwas scheu gewesen. „Es ist noch nie eine weiße Frau ins Dorf gekommen“, wusste Joseph. Doch die Zurückhaltung wich schnell der Neugierde. Besonders die helle Haut und die blonden Haare hatten es den Kleinen angetan.

Nur zwei ältere Kinder der Großfamilie besuchen eine Schule in einem anderen Dorf, hat Sina Steer erfahren. Die anderen helfen bei der Sicherung des Lebensunterhalts des Familienverbands mit. Für das Hüten der Ziegen, Kühe und Schafe sind die Jungs zuständig. Die Mädchen helfen den Frauen beim Waschen und der Zubereitung der Nahrung. Um Wasser aus einer Wasserstelle zu holen, sind sie etwa drei Stunden lang zu Fuß oder mit dem Esel unterwegs. Beim Abschied reifte die Idee, Weihnachten wiederzukommen.

Zurück in Deutschland begann die Unterweissacherin in ihrer Familie und bei Freunden Kleiderspenden zu sammeln. An ihrer Arbeitsstelle, dem Kindergarten Stockrain in Unterbrüden, hängte die Erzieherin Plakate mit Fotos von der Massai-Familie auf. So kamen von den Eltern zahlreiche Kleiderspenden zusammen. Damit ging es vor Weihnachten wieder nach Sansibar und zusammen mit Joseph zu seiner Familie in den Busch von Tansania.

Groß war dann die Wiedersehensfreude. Die Familienmitglieder gehören dem christlichen Glauben an, und so wird auch dort das Weihnachtsfest gefeiert. Am frühen Morgen des 24. Dezember wurde sie aufgeweckt. Ihr sollte die Ehre zuteilwerden, bei der Schlachtung einer Ziege für das Festmahl dabei zu sein. Das war zwar für die junge Frau aus Deutschland kein besonders erfreuliches Erlebnis, aber sie wusste um die Bedeutung, denn ein Tier aus der Herde wird nur zu ganz besonderen Anlässen geschlachtet.

Den ganzen Vormittag waren die Frauen damit beschäftigt, die Zutaten wie Gemüse und Reis zuzubereiten. Das Essen im Alltag besteht meist aus einer Art Maisbrei. Nach dem Festschmaus verteilte Sina Steer die mitgebrachten Kleider und Schuhe. Mit Freude erinnert sie sich an das Strahlen in den Augen der Kinder. Ob bei ihren Besuchen in Afrika oder ihrem Beruf in Deutschland – Kinder liegen ihr immer besonders am Herzen.

Ein paar Tage blieb sie noch bei der Massai-Familie, bevor es für den restlichen Urlaub wieder auf die touristische Insel Sansibar ging. Sie möchte auf jeden Fall die Familie im Busch von Tansania wieder besuchen.

Seit Mitte Januar ist Sina Steer zurück in Deutschland und hat ihre Arbeit im Kindergarten in Auenwald wieder aufgenommen. Ein weiteres Plakat mit den Fotos von der Kleiderübergabe hat sie dort aufgehängt, damit die Kinder und Eltern sehen können, wo die Spende gelandet ist. Darüber steht: „Unvergessliche Weihnachten in Afrika.“

Besuch aus Deutschland: Die 31-jährige Erzieherin Sina Steer aus Unterweissach kommt bei der Großfamilie in Tansania an. Fotos: J. Fiedler/privat

Besuch aus Deutschland: Die 31-jährige Erzieherin Sina Steer aus Unterweissach kommt bei der Großfamilie in Tansania an. Fotos: J. Fiedler/privat

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Erstellt:
21. Januar 2020, 06:00 Uhr

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