Der Name ist Programm
Nomen est omen: Warum die Wahl des Papstnamens so wichtig ist
Seit über 1000 Jahren wählen Päpste neue Namen. Welche Tradition steckt dahinter, welche Namen gelten als tabu? Und was verrät die Namenswahl über das künftige Pontifikat?

© Uncredited/Vatican Media/AP/dpa
Auf diesem vom Vatikan zur Verfügung gestellten Bild treffen die Kardinäle in der Sixtinischen Kapelle im Vatikan zu Beginn des Konklaves zur Wahl des Nachfolgers des verstorbenen Papstes Franziskus ein.
Von Markus Brauer/KNA
Pius XII., Johannes XXIII., Paul VI., Johannes Paul I. sowie Johannes Paul II., Benedikt XVI., Franziskus: Die Namenswahl der Päpste ist weder zufällig noch beliebig oder gar nebensächlich. Nomen est omen: Die Wahl des Papstnamens ist Programm – und nicht seit 1939, als Eugenio Pacelli den Papstnamen Pius XII. annahm.
Die Namenswahl gibt eine erste Andeutung, in welche Richtung der neue Pontifex die Kirche steuern will, für was der Gewählte steht, was er in seinem Pontifikat erreichen will und welche theologischen, pastoralen und kirchenpolitischen Schwerpunkte er zu setzen gedenkt.
Rauchsignal aus der Sixtinischen Kapelle
Seit nunmehr 250 Jahren ist es bei Papstwahlen Usus, dass schwarzer oder weißer Rauch aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle im Vatikan aufsteigt. Bereits für die Papstwahl 1775 im römischen Quirinalspalast ist Rauch als Signal belegt.
Seit 1878 ist das Rauchsignal fester dramaturgischer Bestandteil des Konklaves im Vatikan. Damals wurde am 20. Februar 1878 im dritten Wahlgang Vincenzo Gioacchino Pecci als Papst Leo XIII. gewählt. Er war der Nachfolger des am 7. Februar 1878 gestorbenen Pius IX..
Weißer Rauch: „Habemus papam“
Weißer Rauch über dem Petersplatz verkündet unmissverständlich: Der Stuhl Petri ist wieder besetzt, ein neuer Papst wurde gewählt. Welchen Namen wird er annehmen? Das nächste Kirchenoberhaupt kann unter 83 Namen wählen, die seine Vorgänger getragen haben – oder wie Franziskus einen Namen annehmen, der noch nie vorkam. Die Spitzenreiter unter den Papstnamen sind:
- Johannes (23 Mal)
- Gregor (16)
- Benedikt (16)
- Clemens (14)
- Innozenz (13)
- Leo (13)
- Pius (12)
Bestimmte Namen sind tabu
Auch der neue Papst wird sich einen neuen Namen geben – eine Tradition, die seit rund 1000 Jahren untrennbar mit der Papstwahl verbunden ist. Dabei ist bis heute eine ungeschriebene, aber stets beachtete Regel, dass bestimmte Namen als tabu gelten.
Dazu zählen die Namen der zwölf Apostel, der vier Evangelisten und des heiligen Josef. Von den großen Ordensgründern wie Benedikt, Dominikus, Franziskus oder Ignatius konnte nur der Name Benedikt sich auf Dauer einen Platz im Pool der Papstnamen sichern – bis 2013 noch Franziskus dazukam.
Keine heidnischen Namen
- Tatsächlich war es dieses Tabu, das zu den ersten Namenswechseln führte. Aus Achtung und Ehrfurcht vor dem ersten Papst, dem Apostel Petrus, legten zwei seiner späteren Nachfolger ihren Taufnamen ab. Bischof Petrus von Pavia bestieg daher als Johannes XIV. (983-984) den Papstthron und Bischof Petrus von Albano als Sergius IV. (1009-1012).
- Mit dem Namen eines heidnischen Gottes als Papst das christliche Volk zu führen, erschien ebenfalls unpassend. So wurde aus dem Römer Mercurio Papst Johannes II. (533-535). Er ging in die Geschichte ein als erster Papst, der seinen Namen wechselte.
- In den folgenden Jahrhunderten setzten weitere Päpste dieses Beispiel fort. So übernahm 955 Ottaviano, dessen Vorname an den ersten römischen Kaiser Oktavian/Augustus erinnerte, als Johannes XII. das Petrusamt.
- Bruno von Kärnten, der erste Deutsche auf dem Papstthron, fand seinen Taufnamen „zu barbarisch“ und wurde 996 zu Gregor V.
- Sergius IV. (1009-1012) ließ mit seinem Papstnamen den Spitznamen „Schweinsmaul“ hinter sich, den er im Volk trug. Von da an wurde es zur Regel, dass jeder neue Pontifex einen neuen Namen annahm.
- Nur drei Ausnahmen bestätigen sie: Julius II. (1503-1513), Hadrian VI. (1522-1523) und Marcellus II. (1555) behielten ihren Taufnamen.
Bedeutende Zäsur: Papst Johannes Paul I.
Die frühen Namenswechsel gründeten weniger auf persönlichen Vorlieben als auf Respekt vor der christlichen Tradition und dem Wunsch, weltliche oder heidnische Anklänge hinter sich zu lassen. Später wollten die Kirchenführer zeigen, dass ein Unterschied zwischen ihrer vorherigen Person und der Amtsperson bestand.
Eine besondere Zäsur setzte der Patriarch von Venedig, Albino Luciani, als er im Jahr 1978 als Johannes Paul I. einen Doppelnamen wählte. Er verband damit bewusst das Erbe seiner beiden Vorgänger, nämlich Johannes XXIII. und Paul VI., und schuf so ein Novum im päpstlichen Namensrepertoire. Er starb 33 Tage nach Amtsantritt. Sein Nachfolger, Karol Wojtyla, übernahm den Namen seines Vorgängers und regierte als Johannes Paul II. 26 Jahre, 5 Monate und 17 Tage.
Eine große Überraschung
Im Jahr 2013 sorgte dann der Argentinier Jorge Mario Bergoglio für eine Überraschung. Nicht nur, dass er der erste Papst aus dem Jesuitenorden und der erste Pontifex aus Lateinamerika war. Er nahm auch einen Namen an, den wirklich niemand erwartet hatte: Franziskus.
Der Papst erklärte wenige Tage nach seiner Wahl, wie es dazu kam. Der brasilianische Kardinal Claudio Hummes habe ihm gesagt: „Vergiss die Armen nicht!“ Das habe ihn auf die Idee gebracht, sich nach dem heiligen Franz von Assisi (1181/82-1226) zu benennen. Der Heilige und Schutzpatron Italiens lebte in radikaler Armut, um Gott und den Menschen zu dienen.
Wird es demnächst einen Franziskus II., einen Benedikt XVII., einen Johannes XXIV. oder eher einen Pius XIII. geben? Wenn weißer Rauch über dem Petersplatz aufsteigt und es kurz darauf heißt: „Habemus papam“, dann wird sich zeigen, welche Wahl der neue Papst getroffen hat und in wessen Fußstapfen er treten will.
Info: Die beliebtesten Papstnamen
83 Namen
- Innozenz, Gregor, Clemens oder Leo? Viele Papstnamen, die früher immer wieder und gern angenommen wurden, sind seit einigen Jahrhunderten schon in Vergessenheit geraten. Auch Papstnamen unterliegen der Mode. Der neue Pontifex kann sich aus einem Pool von 83 Namen bedienen oder aber einen noch nie dagewesenen wählen wie sein Vorgänger Franziskus.
Johannes
- 23 Päpste trugen diesen Namen, doch tatsächlich waren es weniger. Einen Johannes XX. gab es nicht. Im Mittelalter passierte ein Zählfehler. Zudem gab es zwei Gegenpäpste mit dem Namen. Der sehr beliebte Johannes XXIII. (1958-1963) war der bislang letzte dieses Namens. Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) leitete er wichtige Reformen ein.
Gregor
- 16 Päpste: Der Name wurde seit dem Tod Gregors XVI. im Juni 1846 nicht mehr verwandt. Gregor XVI. war bis zur Wahl von Franziskus 2013 der letzte Ordensmann, der Papst wurde.
Benedikt
- 16 Päpste: Der bislang letzte war Benedikt XVI. (2005-2013) alias Joseph Ratzinger, schon vor seiner Zeit als Papst ein bedeutender Theologe eher konservativer Prägung.
Clemens
- 14 Päpste: Der Name Clemens bedeutet „der Milde“ und wurde seit fast genau 250 Jahren, dem Tod Clemens XIV. im September 1774, nicht mehr von einem Nachfolger gewählt.
Innozenz
- 13 Päpste trugen diesen Namen, darunter Innozenz III., einer der wichtigsten Päpste des Mittelalters. Doch seit dem Tod Innozenz XIII. vor 301 Jahren, im März 1724, hat sich kein Papst mehr dafür entschieden.
Leo
- 13 Päpste: Unter ihnen war Leo der Große (440-461), der als einer von nur zwei Päpsten diesen besonderen Beinamen trägt. Der bislang letzte war Leo XIII. (1878-1903), der das Papsttum in das 20. Jahrhundert führte.
Pius
- 12 Päpste: Der Name war besonders im 19. und frühen 20. Jahrhundert beliebt. Pius IX. (1846-1878) berief das Erste Vatikanische Konzil ein und ließ die päpstliche Unfehlbarkeit im Jahr 1870 zum Dogma erheben. Über die Rolle von Pius XII. (1939-1958) im Zweiten Weltkrieg wird kontrovers diskutiert.
Stephan
- 9 Päpste: Stephan IX. starb 1058. Seither kam der Name nicht mehr zum Einsatz.
Bonifatius
- 9 Päpste: Der Name ist seit über 600 Jahren nicht mehr in Gebrauch, seit Bonifatius IX. 1404 starb. Eigentlich gab es nur acht Bonifaze, denn einer, Bonifatius VII., wurde nachträglich als Gegenpapst gezählt.
Urban
- 8 Päpste: Auch dieser Name ist seit bald 400 Jahren, 1644, nicht mehr in Gebrauch.
Johannes Paul
- Als Albino Luciani, der Patriarch von Venedig im Jahr 1978 zum Papst gewählt wurde, war er der erste, der mit Johannes Paul I. (er starb nach nur 33 Tagen im Amt) einen Doppelnamen wählte und sich damit bewusst in die Tradition seiner beiden direkten Vorgänger stellte, Paul VI. und Johannes XXIII. Sein Nachfolger, Johannes Paul II. (1978-2005), zählte später zu den bedeutenden Päpsten der Neuzeit.
Franziskus
- Jorge Bergoglio war im Jahr 2013 der erste Papst seit über 1000 Jahren, der einen Namen wählte, den es vorher noch nicht gegeben hatte. Er stellte sich programmatisch in die Tradition des beliebten „Heiligen der Armen“, Franz von Assisi (1181/82-1226) und nannte sich Franziskus (2013-2025).