Nopper wirft dem Kreis Tricks bei Umlage vor

79 Millionen Euro in drei Jahren für den Kreishaushalt abgeschöpft – Finanzdezernent Schäfer: Verfahren ist transparent

Backnangs OB kritisiert eine Vorgehensweise des Kreiskämmerers, der den Landkreis mit Verwaltungssitz in Waiblingen seit Jahren zulasten der Kommunen arm rechne. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Backnangs OB kritisiert eine Vorgehensweise des Kreiskämmerers, der den Landkreis mit Verwaltungssitz in Waiblingen seit Jahren zulasten der Kommunen arm rechne. Foto: A. Becher

Von Armin Fechter

BACKNANG/WAIBLINGEN. Die Kreisumlage erhitzt einmal mehr die Gemüter: Backnangs Oberbürgermeister Frank Nopper wirft der Kreisverwaltung vor, sich jahrelang mit einem Trick arm gerechnet zu haben – und so habe man nahezu unbemerkt innerhalb der letzten drei Jahre 79 Millionen Euro an den Kommunen vorbei in den Kreishaushalt gelenkt.

Alle Jahre wieder kommt es zum Tauziehen zwischen Städten und Gemeinden einerseits und dem Landkreis andererseits. Zwar konnte Landrat Richard Sigel in seiner Haushaltsrede neulich feststellen: „Ich meine, es hat sich ausgezahlt, dass wir in den letzten Jahren nicht mehr um Zehntel bei der Kreisumlage gefeilscht haben, sondern den Fokus auf große Ziele gerichtet haben.“

Aber dennoch geht es jedes Mal von Neuem um die Frage, wie viel die Kommunen zum Kreishaushalt beisteuern müssen. Für Kontroversen sorgt dabei nicht nur die Tatsache, dass die Entscheidung darüber allein beim Landkreis liegt, der die Marke in Form eines Hebesatzes festlegt. Vielmehr kommen von kommunaler Seite auch Klagen darüber, dass sie trotz der zuletzt sinkenden Hebesätze unterm Strich mehr zahlen müssen als jeweils im Vorjahr.

Paradox? Auf den ersten Blick ja, aber bei genauerem Hinsehen ist das eine mathematische Frage. Der Hebesatz bezieht sich nämlich auf die Steuerkraft der Kommunen. Wenn nun die Steuerquellen sprudeln und die Einnahmen der Städte und Gemeinden kräftig steigen, schöpft der Landkreis trotz eines prozentualen Nachlasses mehr ab. Dieser Effekt zeigt sich gerade in Zeiten, in denen wie in den zurückliegenden Jahren die Wirtschaft brummt und die Arbeitslosigkeit zurückgeht: Davon profitieren die Kommunen. Ihre Steuerkraft steigt kräftig.

In Zahlen: Der Landkreis hat angekündigt, den Hebesatz der Kreisumlage von zuletzt 34 auf 32,3 Prozent senken zu wollen. Trotzdem greift er damit der Stadt Backnang noch tiefer in die Tasche als im Vorjahr: Die Murr-Metropole muss – wenn es bei diesem Hebesatz bleibt – insgesamt 19 Millionen Euro an den Kreis abführen. Das sind, wie Nopper in seiner Rede sagte, 1,7 Millionen Euro mehr als in diesem Jahr, nachdem die vorläufige Steuerkraft der Stadt von 49,1 auf 57,6 Millionen Euro gestiegen ist.

„Dies allein ist schon schlimm“, sagt der OB, der selbst auch dem Kreistag angehört, wo Jahr für Jahr neu über den Kreishaushalt und die Kreisumlage entscheiden wird. Noch schlimmer sei aber „der schlitzohrige Trick“, mit dem sich der Kreiskämmerer seit Jahren zulasten der Kommunen arm rechne. Und der funktioniert, auch wenn er legal sei, nach Noppers Worten so: „Der Kreiskämmerer plant im Kreishaushalt mit haushalterischer Übervorsicht ein Ergebnis, das beim Rechnungsabschluss geradezu planmäßig meilenweit übertroffen wird. Diesen von ihm in seinem tiefsten Inneren geplanten Mega-Überschuss vereinnahmt er dann in vollem Umfang zugunsten des Kreishaushalts – übrigens nur teilweise zur Schuldentilgung – und lässt sich für diese Kreisumlageerhöhung durch die kalte Küche im Kreishaus feiern.“ Summa summarum habe der Kämmerer auf diese Weise in den vergangenen drei Jahren 79 Millionen Euro in den Kreishaushalt gelenkt – nahezu unbemerkt und an den Kommunen vorbei.

Das müsse sich mit dem neuen Kreiskämmerer – Nopper spricht damit den neuen Finanzdezernenten Peter Schäfer an – zukünftig beziehungsweise schon mit dem jetzt vorliegenden Rechnungsabschluss 2018 ändern. Er fordert: „Die Haushaltsüberschüsse müssen im Interesse der Gestaltungskraft der Kommunen vor Ort bei der Festlegung der Kreisumlage berücksichtigt werden.“

„Ich kann nicht erkennen, dass mein Vorgänger trickreich und an den Städten und Gemeinden vorbei geplant und unbemerkt Geld auf die Seite gebracht hat“, kommentiert Peter Schäfer als neuer Kreiskämmerer die Aussagen in der Haushaltsrede des Backnanger Oberbürgermeisters. Das Verfahren sei im Gegenteil sogar sehr transparent. Wie auch die Städte und Gemeinden habe der Landkreis schlicht von der konjunkturellen Hochphase in den letzten Jahren profitiert. Zudem seien erfolgreich Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung unternommen worden, die das Regierungspräsidium ausdrücklich lobe. Schäfer weiter: „Auch diese Bemühungen spiegeln sich positiv in den guten Jahresergebnissen des Landkreises wider.“

Vorschläge zum zukünftigen Umgang mit hohen Jahresüberschüssen liegen auf dem Tisch, merkt der Finanzdezernent an: „Der Landrat und ich haben bereits eine faire Aufteilung angeboten.“ So will der Landkreis die dank der gestiegenen Steuerkraft höheren Erträge der Kommunen zu einem Zehntel für sich in Anspruch nehmen, neun Zehntel sollen bei den Städten verbleiben. Das stelle eine deutliche Entlastung der kommunalen Haushalte dar, wie Schäfer bei der Einbringung des Haushalts sagte, und sei „so kommunalfreundlich wie selten“. Ferner hat er eine Finanzierungsleitlinie entworfen, die den Umgang mit Überschüssen grundsätzlich regeln soll. Der Kreisverwaltung sei es „wichtig, dass nicht der Eindruck entsteht, dass gezielt eine zu hohe Kreisumlage erhoben wird, um über verbesserte Rechnungsergebnisse Schulden tilgen zu können“. Danach soll ein Teil der positiven Rechnungsergebnisse dazu dienen, die Kreisumlage in den Folgejahren zu verringern.

Kritik an den Jahr für Jahr aufgetreten Ergebnisüberschüssen hatten auch schon andere Repräsentanten von Kommunen und Kreispolitiker geübt. So beanstandete Waiblingens OB Andreas Hesky schon vor Jahren einmal, dass die Kreisumlage eigentlich vorab viel niedriger hätte angesetzt werden können.

Nopper wirft dem Kreis Tricks bei Umlage vor

© Pressefotografie Alexander Beche

„Kreisumlage ist ein Wort, das ich seit jeher mit einem gewissen Missbehagen ausspreche.“

Oberbürgermeister

Frank Nopper

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Erstellt:
12. November 2019, 06:00 Uhr

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