Nach Tagen: Die Ampel in Berlin einigt sich

Notwendig: ein Ruck für alle

Die Regierung hat den den Koalitionsvertrag in ziemlich zähen Runden neu verhandelt. Ein Team ist sie deshalb aber noch nicht geworden.

Vorneweg Christian Lindner: Vertreter der Koalitionäre in der nacht nach der Einigung in Berlin.

© dpa/Michael Kappeler

Vorneweg Christian Lindner: Vertreter der Koalitionäre in der nacht nach der Einigung in Berlin.

Von Tobias Peter

Außergewöhnliche Tage und Nächte in Berlin: Einen Koalitionsausschuss, in dem zeitweise 20 Stunden am Stück verhandelt wird, gibt es nicht oft. Die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP erinnerten in dieser Periode an Schüler, die morgens übernächtigt zum Unterricht auftauchen und sagen: „Meine Hausaufgaben habe ich nicht gemacht – aber morgen bringe ich sie ganz bestimmt mit. Oder zumindest vielleicht.“

Klar ist: In einem Koalitionsvertrag lässt sich nicht alles vorab regeln – zumal sich Geschichte, siehe den Krieg in der Ukraine und die damit verbundene Energiekrise, nicht vorhersagen lässt. Wahr ist aber auch: Die Ampel hat in ihrem Koalitionsvertrag auch deshalb Lücken und Widersprüchlichkeiten, weil sie vermutlich nie zustande gekommen wäre, wenn sie versucht hätte, alles vorab zu klären. Denn gerade Grüne und FDP sind sehr unterschiedliche Parteien.

An den Ergebnissen wird die Ampel gemessen

In diesem Sinn ist es notwendig und gut, wenn die Parteien nun einige Unklarheiten beseitigt haben. Gleichzeitig gilt: Wenn drei Koalitionspartner sich so lange streiten und so intensiv miteinander verhandeln, müssen sie sich hinterher besonders genau an den Ergebnissen messen lassen. Das gilt in der Schule und im richtigen Leben: Wenn die Hausaufgaben verspätet abgegeben werden, müssen sie wenigstens gut sein.

Jetzt gilt es also: Planungsbeschleunigung in Deutschland muss tatsächlich Realität werden. Die Notwendigkeit ist so unzweifelhaft, dass es erstaunlich ist, wie hart die Koalition um den nahe liegenden Kompromiss gekämpft hat. Angesichts der Herausforderungen durch den Klimawandel kann schließlich niemand ernsthaft bezweifeln, dass schnell und konsequent in die Schiene investiert werden muss. Auch dass marode Brücken deutlich schneller saniert werden müssen, ist lange Konsens.

Fortschritte im Klimaschutz

Festgemacht hatte sich der Streit an den Autobahnen. Warum es so lange gedauert hat, sich auf die vernünftige Linie zu einigen, sich auch dort auf einige wichtige Projekte zu verständigen, bleibt das Geheimnis der Beteiligten. Es liegt nahe: Es ging vor allem um Eigenprofilierung.

Fest steht auch: Es braucht dringend echte Fortschritte im Klimaschutz – verbunden mit einer sozialen Abfederung einer solchen Politik. Das Thema Gas- und Ölheizungen wird dabei für die Ampel-Koalition noch zur Probe aufs Exempel. Denn hier hat die Ampel zwar beschlossen, dass sie den Einbau klimafreundlicher Heizungen angehen will. Und auch, dass sie den entsprechenden Gesetzentwurf noch im April beschließen will. Wie genau die Umsetzung des Versprechens „Niemand wird im Stich gelassen“ aussieht, muss sich aber noch zeigen.

Eines darf der Ampel nun nicht passieren: dass sie sich im weiteren Verfahren im Detailstreit erneut zerlegt. Die Ampel macht in ihrem Einigungspapier, wie schon im Koalitionsvertrag deutlich, dass sie Deutschland modernisieren will – trotz zusätzlicher Herausforderungen durch diverse Krisen. Das ist ein hoher Anspruch. Gelingen kann das Projekt nur, wenn die Parteien aufhören, einander regelmäßig gegenseitig in die Speichen zu greifen. Sie müssen dem jeweils anderen Erfolge gönnen. Nur wenn die Koalition als Ganzes Erfolg hat, können die in ihr vertretenen Parteien am Ende profitieren.

Es fehlt an gegenseitigem Vertrauen

Das Schauspiel eines scheinbar unendlichen Koalitionsausschusses hat vor allem eines offen gelegt: Es fehlt an gegenseitigem Vertrauen in der Ampel. Das lässt sich auch mit einem 16-seitigen Beschlusspapier nur bedingt beheben. Da müssen sich alle einen Ruck geben. Olaf Scholz ist es vor mehr als einem Jahr gelungen, die Ampel zu bilden. Jetzt muss er sie zu einem Team machen.

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Erstellt:
28. März 2023, 23:12 Uhr

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