Nur die Hülle und das Dach bleiben

Die Sanierung des Peter-Odenwälder-Hauses an der Backnanger Plattenwaldallee gestaltet sich umfangreicher als vorgesehen. Das Vorhaben kostet die Paulinenpflege knapp 3,7 Millionen Euro. Künftig sollen 24 Bewohner in der Unterkunft leben.

Die Handwerker entkernen das Gebäude nahezu vollständig. Elektrik, Rohrleitungen, Böden samt Estrich, Fenster, Wände – fast alles wird erneuert.

© Alexander Becher

Die Handwerker entkernen das Gebäude nahezu vollständig. Elektrik, Rohrleitungen, Böden samt Estrich, Fenster, Wände – fast alles wird erneuert.

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Das Peter-Odenwälder-Haus am Rande des Backnanger Plattenwalds wird derzeit saniert. Wobei dies leicht untertrieben ist, genau genommen wird es ausgebeint. Marco Kelch, der Pressesprecher der Paulinenpflege, ist überzeugt davon, „am Ende bleiben nur der Rohbau und das Dach stehen“. Bereits seit Mitte April schafft ein spezialisiertes Unternehmen aus Aalen an der Entkernung des Gebäudes. Es werden Elektrik, Rohrleitungen, Böden samt Estrich, Fenster und ein Teil der Wände entfernt, schildert Kelch das rabiate Vorgehen des Bauherrn und der beauftragten Firma.

Lange Zeit war es still geworden um das Gebäude, das gemeinhin nur Haus Plattenwald genannt wird. Bereits im Jahr 2015 wurde das Haus, das zuvor von der Paulinenpflege als Wohnheim für 21 Menschen genutzt wurde, geräumt. Die Bewohner zogen damals in die Backnanger Bahnhofstraße um. Auslöser für die Aufgabe des Wohnheims war der Zustand des Gebäudes, vor allem der nicht mehr ausreichend vorhandene Brandschutz. Marco Kelch: „Aus damaliger Sicht war eine Sanierung und bauliche Herstellung der Brandsicherheit unwirtschaftlich.“ In den folgenden Monaten sollte das Grundstück verkauft werden. Doch diese Pläne zerschlugen sich.

Mit der Baufreigabe durch das Baurechtsamt von Mitte März dieses Jahres ist der Umbau in die heiße Phase eingetreten. Zuvor schon war im Februar und März der Garten freigeschnitten worden, schließlich war der Außenbereich während des Leerstands nicht mehr gepflegt worden, seit das Gebäude 2015 zum Verkauf stand. Unter anderem wurden jetzt mehrere kranke Eschen gerodet.

Das sanierte Gebäude wird im Sommer 2021 wieder bezogen.

Ebenfalls im April wurden die vorbereiteten Ausschreibungen für den Ausbau vorgenommen und inzwischen vergeben. Die Handwerker rücken laut Kelch Ende September an, sodass der Bezug des sanierten Gebäudes aus heutiger Sicht im Sommer nächsten Jahres erfolgen kann.

Das Projekt wird jedoch teurer als geschätzt, das steht jetzt bereits fest. Kelch spricht von einer Investition in Höhe von knapp 3,7 Millionen Euro. Die Kostensteigerung ist auf der einen Seite durch die gestiegenen Preise seit der Schätzung vor fünf Jahren begründet. Auf der anderen Seite hat sich die Paulinenpflege auch für eine wesentlich verbesserte Wärmedämmung von Dach und Fassaden entschieden.

Mithilfe eines Architekten wurden Grundrisse und Pläne erstellt, wie das Haus Plattenwald innerhalb des vorhandenen Baukörpers generalsaniert und umgebaut werden kann. Unter Einhaltung aktueller Brandschutzvorschriften sowie der Landesheimbauverordnung mit Mindestraumgrößen und Nasszellen soll Wohnraum für 24 Menschen hergestellt werden. Geplant ist, die Bewohner der Burg Reichenberg unterzubringen, da die Burg aufgrund der neuen Landesheimbauverordnung den Anforderungen nicht mehr entspricht.

Die Pläne wurden der Stadt Backnang sowie den zuständigen Behörden des Landratsamts, insbesondere der Heimaufsicht vorgestellt. Für interessierte Bürger des Wohngebiets Plattenwald wurde im Juli 2018 eine Informationsveranstaltung durchgeführt, bei der die Pläne aushingen und sowohl der Architekt als auch Vertreter der Paulinenpflege Winnenden für Fragen zur Verfügung standen. Die Reaktionen der Bürger und des „Plattenwaldvereins“ kamen bei der Paulinenpflege als durchweg positiv an, so der Eindruck von Marco Kelch.

Nach weiteren Gesprächen mit den beteiligten Behörden und besonders nach dem Erhalt der Unbedenklichkeitserklärung der Stadt Backnang bezüglich des unterzubringenden Personenkreises wurde im April 2019 der Antrag auf Baugenehmigung eingereicht. In der Folge wurden zwar mehrere Unterlagen und Pläne nachgefordert, aber die Paulinenpflege konnte alle Fragen klären. Da alle Ausschreibungsunterlagen parallel vorbereitet wurden, können die Arbeiten nun zeitnah vergeben und begonnen werden.

Die neuen Bewohner können laut Planung in einem Jahr einziehen. Dabei handelt es sich laut Kelch um psychisch erkrankte Menschen, die aus der Psychiatrie entlassen sind und in der Regel einer Arbeit nachgehen, etwa in den Backnanger Werkstätten. Es sind Menschen, die meist keine Familie haben oder aufgrund ihrer Erkrankung nicht mehr in ihrer Familie leben können. Grundsätzlich war von den Kostenträgern kritisiert worden, dass die Burg Reichenberg etwas zu abgelegen war. Vor allem in jenen Fällen, in denen die Bewohner Anschluss gesucht haben und beispielsweise auch einmal in eine Kneipe gehen wollten. Um lange Wege zu verhindern, seien Wohngruppen in der Stadt gewünscht. Andererseits gibt Kelch zu bedenken, dass es auch Menschen gibt, die die Einsamkeit suchen. Wobei er einräumt, dass diese auch im Haus Plattenwald gut aufgehoben sind.

In den vergangenen fünf Jahren stand der Gebäudekomplex leer und die Außenanlagen wurden weder genutzt noch gepflegt. Fotos: A. Becher

© Alexander Becher

In den vergangenen fünf Jahren stand der Gebäudekomplex leer und die Außenanlagen wurden weder genutzt noch gepflegt. Fotos: A. Becher

Die Pläne für eine Flüchtlingsunterkunft scheiterten

Fünf Jahre sind seit dem Auszug der letzten Bewohner vergangenen, in denen das Gebäude leer stand und nichts saniert wurde. Zwischendurch hatte es viele Pläne gegeben. So wollte die Stadt Backnang zum Beispiel vor drei Jahren auf dem Grundstück geflüchtete Menschen unterbringen. Die Verkaufsverhandlungen waren laut Paulinenpflege-Pressesprecher Marco Kelch weit vorangeschritten. Inzwischen sind diese Pläne längst schon zu den Akten gelegt. Nicht zuletzt deshalb, weil es große Proteste aus der Nachbarschaft gegen die Asylunterkunft gegeben hatte.

Im Laufe des Jahres 2017 wurden dann die Auswirkungen der neuen Landesheimbauverordnung und deren Ausführungsverordnung auf die Paulinenpflege in Verhandlungen mit der Heimaufsicht endgültig festgelegt. Das Ergebnis ist ernüchternd. Die Paulinenpflege muss mehrere Heime umbauen und wenige Standorte ganz aufgeben.

Konkret geht es darum, die jetzigen Bewohner der Burg Reichenberg unterzubringen, weil die Burg nicht nach den Vorgaben der Landesheimbauverordnung umgebaut werden kann. Die Burg ist denkmalgeschützt und die Paulinenpflege dort nur Mieter.

Die Paulinenpflege musste deshalb an anderen Standorten Wohnraum für die betroffenen Bewohner schaffen. Und das Haus Plattenwald rückte wieder ins Blickfeld. Aus dieser neuen, veränderten Sicht war die Sanierung des vorhandenen Hauses wirtschaftlicher als ein Verkauf des Grundstücks und ein Neubau an einem anderen Ort.

Die Paulinenpflege würde die Burg Reichenberg gerne weiterhin nutzen und bemüht sich, gemeinsam mit dem Landratsamt geeignete Nutzungen zu entwickeln. Kelch: „Leider ist dieser Prozess aktuell durch die Coronakrise verschoben worden, einen neuen Gesprächstermin gibt es noch nicht.“

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Erstellt:
10. August 2020, 06:00 Uhr

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