OB-Kandidaten üben sich als Obergrillmeister

Das Stadtmarketing Backnang, der BDS-Gewerbeverein Backnang und der Industrieverein für den Raum Backnang haben die acht Bewerber um das Amt des Oberbürgermeisters hinter den Herd gestellt. Gegrillt wurde bei dem virtuellen Wirtschaftspodium „Kandidatengrillen“ nicht nur der Fisch.

Mit Schürzen und Abstand stehen die OB-Kandidaten Maximilian Friedrich und Stefan Neumann im Kochwerk an ihren Kochinseln. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Mit Schürzen und Abstand stehen die OB-Kandidaten Maximilian Friedrich und Stefan Neumann im Kochwerk an ihren Kochinseln. Foto: A. Becher

Von Melanie Maier

BACKNANG. Eins steht fest: Das Kochen stand nicht im Mittelpunkt des „Kandidatengrillens“, des „etwas anderen Wirtschaftspodiums zur OB-Wahl in Backnang“, wie es im Vorspann der Sendung angekündigt wurde. Organisiert wurde die Fragerunde, die am Mittwochabend live auf YouTube übertragen wurde und coronabedingt ohne Zuschauer stattfand, vom Stadtmarketing Backnang, dem BDS-Gewerbeverein Backnang und dem Industrieverein für den Raum Backnang. Teilgenommen haben alle acht Bewerber: Jörg Bauer, Maximilian Friedrich, Roland Stümke, Stefan Neumann, Marco Schlich, Stefan Braun, Andreas Brunold und Julia Papadopoulos.

Falls sie sich auf eine entspannte Kochrunde im Backnanger Kochwerk eingestellt hatten, wurden sie enttäuscht. Obwohl der Moderator der Show, Josh Kochhann, zu Beginn ankündigte, er werde „nett nachfragen“, ging es die meiste Zeit zur Sache. Und ja: Show konnte man die Veranstaltung durchaus nennen, denn obwohl der Inhalt der Wahlprogramme deutlich im Vordergrund stand, Privates nur am Rande anklang, war der Abend kurzweilig. Nicht zuletzt dank Kochhann, der Pausen im Ablauf gut zu überbrücken wusste.

Die Bewerber hatten 15 Minuten Zeit, um ihr Gericht zuzubereiten.
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Letzterer war wie folgt: Während sich sechs Kandidaten in coronagerechtem Abstand auf ihren Barhockern ausruhen durften, standen zwei Kandidaten am Grill (beziehungsweise am Herd, denn gegrillt wurde genau genommen auf den Grillplatten von Induktionsherden). Sie hatten 15 Minuten Zeit, um ein Gericht ihrer Wahl auf die Teller zaubern, und mussten sich derweil Kochhanns Fragen stellen. Er hatte außerdem vier Schnellfragerunden vorbereitet, bei denen die Kandidaten mit einem grünen Apfel („Dafür“) oder aber einer roten Paprika („Dagegen“) abstimmen konnten.

Den Anfang der Kochrunde machten Roland Stümke und Julia Papadopoulos mit „Omas Veggie Taler an Pommes à la Roland“ beziehungsweise einem veganen Burger. „Wenn Sie hier einen richtig schönen, saftigen Rinderburger aufgelegt hätten, hätte das nicht so gepasst, oder?“, foppte Kochhann Papadopoulos, die als zweite Vorsitzende der Tierschutzpartei im Gemeinderat Waiblingens sitzt. „Wäre schlecht mit einem Schnitzel heute“, gab sie lachend zurück, betonte aber, dass sie niemanden zu einer tierfreien Ernährung missionieren möchte.

Lange blieb es nicht bei dieser Art von „netten“ Fragen. Ausgehend von einer Gemeinsamkeit im Lebenslauf von Stümke und Papadopoulos – beide waren bereits im Immobilienbereich tätig – kam Kochhann aufs Thema Wohnungsnot zu sprechen. „Was würden Sie machen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen?“ Die Frage richtete er an alle Kandidaten. Den Vorschlag Julia Papadopoulos’, die Sozialquote bei Neubauprojekten von 1200 auf 500 Quadratmeter zu senken, wies Jörg Bauer, der selbst ein Bauunternehmen leitet, zurück: „Dann müssten zum Beispiel auch Familien, die ein Mehrgenerationenhaus bauen, eine fremde Wohnung mitbauen und vermieten.“

Marco Schlich (vegetarischer Burger mit Rote-Linsen-Pattie und Karottensalat aus einer Riesenmöhre) hat dagegen vor, im gleichen Wohnraum mehr Zimmer und Personen unterzubringen: „Über Bauvorschriften könnte man regeln, ob auf 100 Quadratmetern eine Dreizimmerluxuswohnung oder eine Vierzimmerwohnung für Familien entsteht.“

Während sich die meisten Kandidaten mit Ganzkörperschürze an den Herd stellten, kam Jörg Bauer ohne Schürze, in Hemd und Sakko. Bei seiner Grillpartie (Dorade auf Zitrone) handelte er sich bei den Zuschauern einen Mini-Shitstorm ein, weil der Fisch nicht aus Backnang, sondern Bremen stammte.

Die Zuschauer, die das „Kandidatengrillen“ am Mittwochabend verfolgten, konnten im Livechat kommentieren und Fragen stellen. Das wurde auch genutzt. Sie wollten etwa wissen, welche Entscheidung Frank Noppers die Bewerber anders gefällt hätten oder wie der Weg in eine neue Normalität für den Einzelhandel und die Gastronomie in Backnang nach dem Lockdown aussehen könnte.

Kritik übten die Zuschauer nicht nur an Bauers Dorade, sondern auch an Kochhann, der Papadopoulos auf Facebook-Fotos ansprach, auf denen sie mit ausgeschnittenem Dekolleté zu sehen ist. Die reagierte cool: „Ich denke, das darf man heute als Frau auch mal und ist deswegen trotzdem seriös.“ Der Moderator entschuldigte sich später.

Seine Schnellfragerunden waren lang, aber auch aufschlussreich. Beim Thema kostenloser Nahverkehr etwa stimmten Brunold (Dorade aus dem Backnanger Supermarkt), Stümke, Schlich und Papadopoulos dafür, Neumann (Fleischspieße, gebackener Feta, Salat und Baguette), Bauer, Braun (Rindersteak, gefüllte Zucchinischeiben, Bohnen im Speckmantel) und Friedrich (Halsgrillsteak mit Kartoffelsalat und Baguette) dagegen. Auf die fiktive Frage, ob ein Oberbürgermeister es einer Backnanger Firma erlauben sollte, ins nebenanliegende Naturschutzgebiet zu expandieren, oder eine Abwanderung des Unternehmens riskieren sollte, wählten Bauer, Neumann, Braun und Friedrich den Apfel, Brunold, Stümke, Schlich und Papadopoulos die Paprika.

Auch die Ausgaben für ihren Wahlkampf gaben einige Kandidaten preis. Während Schlich mit einem höheren dreistelligen Betrag rechnet, geht Bauer von 15000 bis 20000 Euro persönlichen Ausgaben aus, Friedrich („Ich finanziere meinen Wahlkampf komplett selbst“) von bis zu 35000 Euro, Neumann mit einem ebenfalls fünfstelligen Betrag, „aber nicht in der Dimension“.

Zum Ende der Sendung, die statt der geplanten 90 Minuten satte zwei Stunden und 19 Minuten dauerte, schwenkte die Kamera noch kurz über die Teller. „Jetzt liegt es in Ihrer Hand, welche Suppe wir in Backnang auslöffeln“, kommentierte Kochhann, an die Zuschauer gerichtet. Die vor ihm stehende war’s schon mal nicht: Wegen des Coronaschutzkonzepts durften die Speisen der Kandidaten nur von den Köchen selbst gegessen werden.

Wer das „Kandidatengrillen“ nachschauen möchte, findet es bei YouTube unter https://youtu.be/-1BRX0j8Eww. Ihre Grillrezepte stellen die OB-Kandidaten auf Nachfrage gerne zur Verfügung.

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Erstellt:
26. Februar 2021, 06:00 Uhr

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