US-Truppen verlassen Stuttgart: „Strafaktion“ oder Chance?

dpa Washington/Stuttgart. Die US-Truppen sagen „Goodbye, Stuttgart“, zumindest planen das Militär und Präsident Trump ihre Verlegung. Für die Stadt wäre das ein gewaltiger Aderlass - mit wirtschaftlichen Folgen, aber auch mit neuen Chancen für ihr gewaltiges Wohnproblem.

Fritz Kuhn (Bündnis 90/Die Grünen), Oberbürgermeister von Stuttgart, trägt eine Schutzmaske. Foto: Christoph Schmidt/dpa/Archivbild

Fritz Kuhn (Bündnis 90/Die Grünen), Oberbürgermeister von Stuttgart, trägt eine Schutzmaske. Foto: Christoph Schmidt/dpa/Archivbild

Ein herber Schlag für Stuttgart: US-Präsident Donald Trump macht ernst und will Tausende amerikanische Soldaten aus der Stadt nach Belgien verlegen lassen. Zunächst trifft es die Kommandozentrale für die US-Truppen in Europa, die ins belgische Mons ziehen soll. Dort ist bereits eins der beiden militärischen Hauptquartiere der Nato angesiedelt. Nicht ausgeschlossen ist aber auch, dass die für US-amerikanische Militäroperationen auf dem afrikanischen Kontinent zuständige Zentrale „Africom“ abgezogen wird. Das kündigte der Kommandeur der US-Streitkräfte in Europa, General Tod Wolters, am Mittwoch in Washington an.

Insgesamt könnten die Pläne in Stuttgart etwa 25 000 Angehörige der Streitkräfte, Zivilisten und Angehörige betreffen. Mit den beiden einzigen Kommandozentralen außerhalb der USA - dem Eucom und dem Africom - gehört Stuttgart zu den bedeutendsten US-amerikanischen Stützpunkten in Deutschland.

Oberbürgermeister Fritz Kuhn kritisierte die Entscheidung als „Strafaktion“ und sagte: „Mit ihrer Entscheidung kündigt die US-Administration unter Präsident Trump Hals über Kopf die seit Jahrzehnten gewachsene, enge Zusammenarbeit.“ Stuttgart habe immer gute Beziehungen zu den US-Soldaten, den Zivilangestellten und ihren Angehörigen gepflegt. „Wir müssen nun abwarten, was das genau für die Standorte der US-Truppen in Stuttgart und der Region bedeuten wird und über welchen Zeitraum hinweg“, sagte er.

Auch Innenminister Thomas Strobl (CDU) zeigte sich enttäuscht über die geplante Verlegung. „Ich bin ziemlich sicher, die Soldaten, die hier in Stuttgart sind, hätten anders entschieden“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Zugleich versicherte er: „Wir waren, sind und bleiben gute Gastgeber für unsere amerikanischen Freunde.“

Handel und Politik hatten bereits im Vorfeld den Verlust Zehntausender Konsumenten befürchtet - und schwierige Zeiten für die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Allerdings könnten die gut erschlossenen Flächen der Militärs von 187 Hektar die große Wohnungsnot in Stuttgart lindern helfen.

Nach Angaben von US-Verteidigungsminister Mark Esper soll die Zahl der US-Truppen in Deutschland um ein Drittel reduziert werden. Von den rund 36 000 Soldaten sollen 6400 in die USA zurückgeholt werden, weitere 5600 sollen in andere Nato-Länder verlegt werden. Bislang hatte die US-Regierung von einem Abzug von rund 10 000 Soldaten in Deutschland gesprochen.

Trump hatte den Teilabzug im Juni angekündigt und ihn mit den aus seiner Sicht zu geringen Verteidigungsausgaben Deutschlands begründet. Die Bundesregierung in Berlin war vor der Bekanntgabe nicht informiert worden.

Zur Umsetzung des geplanten - und wahrscheinlich aus logistischen Gründen langwierigen - Teilabzugs dürfte aber noch nicht das letzte Wort gesprochen sein. Im US-Kongress hat sich bereits bei Trumps Republikanern und den Demokraten Widerstand formiert. Der Plan wird dort vor allem kritisch gesehen, weil er das Verteidigungsbündnis Nato schwächen und Russland in die Hände spielen könnte. Im Senat und im Repräsentantenhaus gibt es daher Pläne, den Teilabzug über das Gesetz zum kommenden Militärhaushalt zu verhindern. Zudem bewirbt sich Trump im November um eine zweite Amtszeit. Falls er die Wahl verlieren sollte, könnte der neue Präsident die Pläne auf Eis legen.

Darin sieht auch der Stuttgarter OB Kuhn ein Hintertürchen: „Noch ist unklar, ob sich der Kongress diesem Truppenabzug bis zum November, wenn in den USA Präsidentschaftswahlen sind, entgegenstellen wird“, sagte er.

Zum Artikel

Erstellt:
29. Juli 2020, 17:28 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen