Online-Party über soziale Netzwerke

Eine Stunde lang coronakonforme Schlagerparty mit DJ Buzzi im Sonnenhof in Kleinaspach am Samstag. Manuela Warth und Andreas Schlegel vom Tanzclub Sonnenhof bringen dabei ein wenig Bewegung ins Spiel.

In surreal-gespenstischer Szenerie legt DJ Buzzi in der Dorfdiele im Hotel Sonnenhof in Kleinaspach auf. Viele Menschen in der Welt da draußen feiern mit. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

In surreal-gespenstischer Szenerie legt DJ Buzzi in der Dorfdiele im Hotel Sonnenhof in Kleinaspach auf. Viele Menschen in der Welt da draußen feiern mit. Foto: A. Becher

Von Renate Schweizer

ASPACH. Es gibt Helden, denen sieht man’s nicht an und sie sind trotzdem welche. Der doch eher gemütlich aussehende Herr mit ohne Haare da hinter dem Tresen zum Beispiel, der mit dem DJ-Buzzi-Herzchen-T-Shirt, grundsympathisch, bodenständig, im allerentspanntesten Mannesalter, der zum Beispiel: Er ist ein Held, echt wahr.

Treffpunkt ist in der hiesigen Hochburg deutschen Schlagers, in der Dorfdiele im Sonnenhof in Aspach. Er sei eine Legende, hieß es, absolut Kult, jedes Wochenende bringt er ein paar Tausend Menschen zum Tanzen und Toben, Singen und Gröhlen, zum Lachen und Weinen und Glücklichsein. Von überall her kommen die Freunde dieser Musik, von Kirchenkirnberg und Ulm und Hamburg, und sie freuen sich wochenlang drauf. Da entwickelt man Fantasien, googelt ein bisschen rum, greift zum Telefon, macht ein Date, was ganz einfach geht, stimmt ja, ist ja Corona, da hat er ja Zeit – und nun also das: Strahlend erleuchtet das Foyer des Sonnenhofs in Kleinaspach, Heimstatt Andrea Bergs, der Schlagerkönigin. Es ist Samstagabend und kein Mensch zu sehen, oder doch da, eine freundliche junge Dame am Empfang: Backnanger Kreiszeitung? Selbstverständlich, DJ Buzzi erwartet Sie schon.

Und los geht’s durch die langen Gänge zu ihm, DJ Buzzi. Fühlt sich an wie hinten unten in diesem weitläufigen Komplex, auf einmal stehen wir in einer entschieden urigen Kneipe, Holz überall, an der Decke, den Wänden und den grobschlächtigen Tischen sowieso: die Dorfdiele, Buzzis Königreich. (Nebenan übrigens ist der „Almenrausch“, da spielen sie Rock/Pop der 80er- und 90er-Jahre und die Hits von heute.) Wie ich ihn nennen solle, frage ich. „DJ Buzzi natürlich, wie sonst?“ Da draußen, in einem früheren Leben, hieß er Erwin Weitbrecht, aber hier ist er DJ Buzzi und eine Marke. Einsam steht er hinter dem Tresen in einem Raum, in dem sonst unzählige Menschen Schulter an Schulter auf und ab und hin und her wogen – und jetzt? Leere. Sorgfältig abgestaubt.

Ein DJ der alten Schule, der auf die Wünsche der Gäste reagiert und keine Playlist abarbeitet.

Wie es ihm gehe, will ich wissen. „Wie soll’s mir schon gehen?“, knurrt er. „Beschissen geht’s mir.“ Von Mittwoch bis Samstag ging hier die Party ab, mittwochs überwiegend Vertreter und Geschäftsreisende, Donnerstag bis Samstag Wochenend-und-Sonnenhof-Feiergäste von abends halb acht bis kurz vor dem Frühstück. Er legte auf, richtig altmodisch von Hand, CDs, da wurde keine Playlist vom Laptop runtergedudelt, das ging von Moment zu Moment, und wer Geburtstag oder Hochzeitstag hatte, der durfte sich was wünschen. Und natürlich wünschten sich immer und alle Andrea Berg. „Du hast mich tausendmal belogen“, erzählt er, „das hätte ich jeden Tag fünfmal spielen können, wenigstens einmal war es so gut wie immer dabei.“ Er erzählt, wie aus dem Autoverkäufer Weitbrecht DJ Buzzi wurde, vor 17 Jahren war das. Uli Ferber hatte die Dorfdiele eröffnet und fragte, ob er nicht mal am Wochenende auflegen könne, er mache das doch bei den Skiausfahrten auch immer. Ja, nein, kann ich doch gar nicht, hin und her, und am Ende machte er’s doch, nur mal so am Freitag und Samstag. Es muss ein Erweckungserlebnis gewesen sein, denn am Montag danach hat er seinen Job gekündigt. Seitdem ist er Buzzi und bringt die Welt zum Kochen.

Bis zum Lockdown jedenfalls, der inzwischen ‚der erste‘ heißt. Danach, im letzten Sommer, gab’s ja vorübergehende Entwarnung, „vorsichtige Lockerung“, Party auf Abstand und im Sitzen hieß das, und auf einmal war es seine Aufgabe geworden, die Menschen runterzubremsen und sie noch vor Mitternacht nach Hause zu schicken. Ist ja jetzt auch schon wieder Geschichte. Samstagabends gibt es jetzt Online-„Party“ via Facebook und Instagram von halb acht bis halb neun, eine Stunde lang, auf die er sich freitags akribisch vorbereitet, Thema und Titel wählt und doch jederzeit bereit bleibt, umzuschmeißen und Wünsche zu erfüllen. „Wir haben Zuschauer dabei“ grinst er, „die gefühlt jede Woche Geburtstag haben.“ Drei Minuten vor halb acht, gleich geht’s los, Ruhe bitte und nix mehr fragen. Im Hintergrund nehmen Manuela Warth und Andreas Schlegel vom Tanzclub Sonnenhof Aufstellung, um ein wenig Bewegung ins Spiel zu bringen.

Marcel El-Banany, der Aufnahmeleiter, zählt die Sekunden runter, die einzigen Partygäste sind die zwei von der BKZ und – gib ihm! – „Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht“ dröhnt los – das kennt nun wirklich jeder, und es funktioniert, und sofort will man tanzen. Roland und Astrid haben Hochzeitstag, Buzzi reagiert auf den Chat, gratuliert, legt das Wunschlied auf, im Chat regnet’s Herzchen und Kussmündchen und geschriebene Seufzer, es ist herzzerreißend. Nik P. singt „Das mit uns ist was ganz Großes“ und im Chat schnaufen sie kollektiv auf und hämmern auf ihre Tastaturen ein: „Das mit dir auch, Buzzi!!!!!“ „Ich will raus und tanzen!“, schreiben sie und „ich will frei sein!“ und „danke, Buzzi, für diesen wunderbaren Abend! Danke!“. Und Buzzi steht einsam und allein hinter seinem Tresen und macht Ein-Mann-Party in surreal-gespenstischer Szenerie, damit ein paar Hundert Leute eine Stunde lang glücklich sind und weiter durchhalten. Bis nächsten Samstag wenigstens noch. Der Mann ist ein Held, wie gesagt.

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Erstellt:
22. März 2021, 06:00 Uhr

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