Opposition fordert mehr Koordination bei Masken-Produktion

dpa Berlin. Mundmasken, Schutzkleidung, Medikamente: Vieles muss Deutschland auf dem Weltmarkt einkaufen. Der Ruf nach einer eigenen Produktion wird immer lauter. Die Kritik an Wirtschaftsminister Peter Altmaier ebenfalls.

Ein Automobilzulieferer in Bayern hat auf die Produktion von Mundschutzmasken umgestellt. Foto: Armin Weigel/dpa

Ein Automobilzulieferer in Bayern hat auf die Produktion von Mundschutzmasken umgestellt. Foto: Armin Weigel/dpa

Angesichts der Beschaffungsprobleme bei Schutzkleidung und Medikamenten werfen die Grünen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) schwere Versäumnisse in der Corona-Krise vor.

„Deutschland könnte in Zusammenarbeit mit unseren europäischen Nachbarn binnen kürzester Zeit eine Pandemiewirtschaft auf den Weg bringen, weil so viele Firmen Gewehr bei Fuß stehen“, sagte Grünen-Chefin Annalena Baerbock der Deutschen Presse-Agentur. „Es wäre eigentlich der Job des Bundeswirtschaftsministers, die Akteure zusammenzutrommeln, ihre Initiative zu unterstützen und mit Abnahme-Garantien auch für die Zukunft für Investitionssicherheit zu sorgen.“ Doch Altmaier komme „anscheinend gar nicht vor“.

FDP-Fraktionsvize Michael Theurer schloss sich der Grünen-Kritik an. Viele Unternehmen wollten helfen, scheiterten aber schon bei der Suche nach einem Ansprechpartner. „Das Bundeswirtschaftsministerium muss da koordinierend und unterstützend tätig werden, über Bedarfe und Rahmenbedingungen aufklären sowie konstruktive Vorschläge machen, um hinderliche Bürokratie zu beseitigen.“

Das Ministerium dagegen verwies auf eine klare Zuständigkeitsverteilung innerhalb der Bundesregierung. Die Federführung für die zentrale Beschaffung von Schutzausrüstung und die Koordinierung von Unterstützungsangeboten der Bundesregierung bei der Produktionsumstellung liege beim Gesundheits- und beim Innenministerium, die für den Krisenstab zuständig seien.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak plädierte dafür, „dass wir nach der Krise genau überlegen, was wir in Deutschland selbst herstellen müssen, um im Ernstfall noch handlungsfähiger zu sein“. Man müsse „an der ein oder anderen Stelle industriepolitisch noch einmal grundsätzlich neu nachdenken“, sagte er dem „Iserlohner Kreisanzeiger“ (Samstag).

Engpässe gibt es vor allem bei Schutzkleidung und Atemmasken. Sie müssen zu großen Teilen auf dem Weltmarkt beschafft werden, auf dem enorme Konkurrenz herrscht. Immer wieder gibt es auch Berichte, dass die USA anderen Staaten bestelltes Schutzmaterial zum mehrfachen Preis vor der Nase wegkaufen.

Erst am Freitag hatten der „Tagesspiegel“ und der Sender rbb berichtet, dass für die Berliner Polizei bestimmte Masken in die USA umgeleitet worden seien. Die bestellten Masken seien in einem chinesischen Werk des US-Unternehmens 3M produziert worden und beim Umladen in Bangkok statt nach Deutschland in die USA geflogen worden. 3M teilte mit, das Unternehmen habe „keine Beweise, die darauf hindeuten, dass 3M-Produkte beschlagnahmt worden sind“.

Baerbock sagte: „Es gilt jetzt, in einer gemeinsamen Kraftanstrengung die Voraussetzungen für Schritte raus aus dem Shutdown zu schaffen.“ Es brauche mehr Produktionskapazitäten für Masken, Beatmungsgeräte und Schutzkleidung. „Wirtschafts- und Gesundheitsministerium sollten sich in einer Task Force gemeinsam mit den Ländern um mehr Produktionskapazitäten und eine koordinierte Beschaffung kümmern.“

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte am Freitag angekündigt, eine heimische Produktion von Schutzmasken aufbauen zu wollen. Die Regierung habe ein Angebot an die heimische Wirtschaft gemacht, um sie beim Aufbau einer Masken-Produktion zu unterstützen. Es gehe dabei um eine Sicherheit bei Abnahme und Preis. Derzeit liefen Gespräche mit Firmen aus Maschinenbau und Textilindustrie.

Die Bundeswehr-Denkfabrik GIDS erwartet in Folge der Corona-Pandemie einen Wiederaufbau strategischer Reserven. Die Krise decke immer deutlicher „das Fehlen substanzieller, eigentlich gesetzlich vorgeschriebener Ressourcen auf der Ebene der Kommunen und der Länder sowie den Mangel an strategischen Reserven bei Personal, Material und Infrastruktur beim Bund auf“, schreibt das zur Führungsakademie der Bundeswehr gehörende Hamburger Institut in einem Papier.

Engpässe bei lebenswichtigen Gütern wie Medikamenten und Schutzausrüstung zeigten, wie abhängig Deutschland von globalen Lieferketten sei „und dies schon bei Produkten, die für eine weltweit bewunderte Industrienation kein Thema sein sollten“. „Um strategische Autonomie zurückzugewinnen, muss in Zukunft mehr auf die Diversität der Zulieferer, auf Vorratshaltung und die Vermeidung von Redundanzen geachtet werden.“

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Erstellt:
4. April 2020, 12:25 Uhr

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