Orientierungslos und brüllend umhergegangen

Im Großerlacher Totschlagsprozess beschreiben Zeugen das seltsame Verhalten der Beschuldigten in den Tagen vor der Tat

Von Bernd S. Winckler

GROSSERLACH. Für den Staatsanwalt, die Gutachter und die Vertretung der Nebenklage wie auch den Verteidiger ist in diesem Verfahren jetzt schon klar, wie es enden wird: Da die Angeklagte, die im Großerlacher Totschlagsprozess nur als „Beschuldigte“ geführt wird, schon seit Längerem an einer schweren psychischen Psychose leidet, wird sie nicht in einer Haftzelle des Gefängnisses landen, sondern in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses. Diesen Antrag hat der Staatsanwalt am Stuttgarter Landgericht bereits am ersten Verhandlungstag schon gestellt. Die 62-jährige Angeklagte soll am frühen Morgen des 5. Januar dieses Jahres in dem Großerlacher Stift die in einer Wohnung über ihr wohnende 91-jährige Witwe getötet haben. Dass sie die 91-Jährige in deren Schlafzimmer mit einem spitzen Gegenstand zuerst schwer im Gesicht und der Stirn verletzt und dann in ihrem Bett erschlagen und erstickt hat, ist unstreitig. Die 62-Jährige hat es gegenüber Richterin Ute Baisch eingeräumt. Sie wollte damit den Teufel vernichten, der sich ihrer Ansicht nach im Körper des Opfers festgesetzt hatte.

Im Großerlacher Alexander-Stift verrichteten damals mehrere Pfleger und Pflegerinnen ihren Dienst an den betagten Bewohnern. So auch eine 44-Jährige, die im Pflegedienst tätig war und die von den Richtern der Schwurgerichtskammer gestern zu den Begebenheiten des Hauses befragt wurde. Die Richter wollen von der Zeugin vor allem wissen, wie das Verhältnis zwischen Täterin und Opfer war und wie die Wohnverhältnisse sich gestalteten. Immerhin soll die Beschuldigte an jenem 5. Januar sich heimlich Zugang in die Wohnung ihres Opfers verschafft, dann von innen abgeschlossen haben und zur Tat geschritten sein. Gesehen hat dies allerdings diese Zeugin nicht. Eine Reinigungskraft hatte eine „große Frau mit hellen Locken“ im oberen Flur schleichen gesehen, die etwas von einer „Macht“ vor sich hinsagte und herumschrie. Und sie habe dabei große Angst vor der Frau bekommen. Die jetzt gehörte Zeugin sagt zwar aus, dass die Beschuldigte öfters orientierungslos im Haus herumgegeistert sei und auch gebrüllt habe. Zwei Tage vor der Tat habe sie sich auf dem Balkon aufgehalten und von dort aus selbst den Notruf der Polizei gewählt. Ansonsten jedoch sei sie unauffällig gewesen.

Das 91-jährige Opfer und die Angeklagte aber hätten sich gar nicht gekannt, sagte die Zeugin gestern. Das Opfer beschreibt sie als höflich, geistig klar und freundlich. Bezüglich des Tattages erinnert sie sich nur daran, dass sie und eine Kollegin die von innen verschlossene Tür der 91-Jährigen bemerkten und sich Sorgen machten. Sie habe „das Schlimmste befürchtet“, sagt sie, und habe Polizei und Feuerwehr alarmiert. Die hätten die Tür aufgeschlagen. Die Angeklagte habe seelenruhig auf einem Tisch gesessen, ihre Hände und Gesicht blutverschmiert. Im Schlafzimmer fand die Feuerwehr die leblose 91-Jährige.

Am nächsten Verhandlungstag, dem 16. Juli, sollen die Sachverständigen zu Wort kommen. Dabei wird die gutachterliche Frage beantwortet, ob die Beschuldigte in ihrem krankhaften Wahnzustand eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt, sich sozusagen Teufelsaustreibungen durch Töten eines Menschen wiederholen könnten. Das Urteil ist für den 2. August vorgesehen.

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Erstellt:
14. Juli 2018, 06:00 Uhr

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