Tropische Krankheiten
Oropouche-Virus: Neue Gefahr für Europa?

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Ein Südliche Hausmücke (culex quinquefasciatus) hat es sich auf einem menschlichen Finger gemütlich gemacht und versucht Blut abzuzapfen.
Von Markus Brauer
Das Oropouche-Virus (OROV)gehört zu den sogenannten Arboviren - also Viren, die durch blutsaugende Arthropoden (Gliederfüßer) übertragen werden. Als ein solcher Überträger (sogenannter Vektor) waren bislang nur Gnitzen bekannt, die Rolle von Stechmücken war ungeklärt. Seit Anfang 2024 kam es in mehreren Ländern Mittel- und Südamerikas zu einem massiven Anstieg von OROV-Infektionen.
11.000 Fälle in Südamerika allein 2025
Die Panamerikanische Gesundheitsorganisation verzeichnete über 11.000 bestätigte Fälle bis Ende des Jahres, darunter erstmals auch Todesfälle sowie Hinweise auf eine mögliche Übertragung während der Schwangerschaft mit schwerwiegenden Folgen wie Fehlgeburten und Mikrozephalie (kleinen Kopfumfang).
Angesichts dieser Entwicklung stufte die Weltgesundheitsorganisation WHO das Risiko im betroffenen Raum als hoch ein. In Europa wurden bereits einzelne importierte Fälle bei Reiserückkehrern festgestellt. Unklar war bislang, ob Stechmücken überhaupt als Überträger des Oropouche-Virus in Frage kommen.
Fünf Mückenarten im Fokus
Die jetzt im „The Journal of Infectious Diseases“ veröffentlichte Studie von Forschern des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNITM) und der Universität Hamburg liefert erste Antworten und eine Risikobewertung für Europa.
Das Forscherteam untersuchte fünf auf dem europäischen Kontinent verbreitete Stechmückenarten im Labor: sowohl heimische (Culex pipiens biotyp pipiens und C. torrentium) als auch invasive Arten wie Aedes aegypti, A. japonicus und A. albopictus.
Die Tiere wurden mit Oropouche-Viren infiziert und bei unterschiedlichen Temperaturen gehalten. Die Forscher analysierten, ob sich die Stechmücken tatsächlich mit OROV infizieren lassen (eine Voraussetzung für die Übertragung auf den Menschen) und ob eine Übertragung durch den Speichel stattfinden kann.
Die Ergebnisse zeigen, dass nur Aedes albopictus bei Temperaturen von 24 bis 27 Grad Celsius eine geringe Übertragungsrate für OROV aufwies. Bei niedrigeren Temperaturen und bei den anderen getesteten Stechmückenarten ließ sich keine Virusübertragung nachweisen.
Nur eine Art zeigte bei Wärme Übertragung
Um die epidemiologische Relevanz dieser Beobachtung einzuordnen, kombinierten die Forscher ihre Labordaten mit Klimadaten und aktuellen Verbreitungskarten von Aedes albopictus. Die Analyse zeigt, dass insbesondere Regionen rund um das Mittelmeer klimatische Bedingungen aufweisen, die eine saisonale Virusübertragung im Sommer begünstigen könnten.
Besonders betroffen wären dabei Gebiete in Spanien, Süditalien, Griechenland und der Türkei. Regionen, in denen Aedes albopictus bereits etabliert ist.
„Ein realistisches, aber begrenztes Risiko“
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Oropouche prinzipiell auch in Europa übertragen werden könnte, wenn infizierte Reisende auf Populationen von Aedes albopictus in wärmeren Regionen treffen“, sagt Anna Heitmann. „Die Vektorkompetenz ist zwar niedrig, aber nicht gleich null – das macht Wachsamkeit und weitere Forschung notwendig.“
Derzeit lasse sich nicht vorhersagen, ob es in Europa jemals zu autochthonen Ausbrüchen komme, erklärt Anna Heitmann. Also zu Infektionen, die nicht durch Reiserückkehrer eingeschleppt, sondern direkt vor Ort durch heimische Stechmücken übertragen werden. „Aber wie bei Dengue, Zika oder Chikungunya sehen wir, dass eingeschleppte Viren durch invasive Stechmückenarten unter bestimmten Bedingungen auch bei uns zirkulieren können.“