Streitgespräch in Tübingen
Palmer gegen Frohnmaier – wo liegt das Risiko?
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer kennt das AfD-Programm wohl besser als die AfD selbst. Trotzdem sind nicht alle überzeugt, dass er die Partei entzaubern kann.

© Bernd Weißbrod/dpa
Boris Palmer will AfD-Landeschef Markus Frohnmaier inhaltlich stellen. „Man muss reden mit den Leuten.“
Von Eberhard Wein
Die AfD wird entzaubert – und muss auch noch dafür zahlen. So in etwa lautet der Plan des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer (parteilos) für die am Freitag geplante Podiumsdiskussion in der Tübinger Hermann-Hepper-Halle mit ihm und dem AfD-Landeschef Markus Frohnmaier. Die Partei zu ignorieren, das habe nichts gebracht. Im Gegenteil: sie sei immer weiter gewachsen. Zehn Millionen Menschen hätten ihr bei der Bundestagswahl zuletzt ihre Stimme gegeben, inzwischen liege die Partei in den Umfragen auf Platz eins. „Die bisherige Strategie ist komplett ins Leere gelaufen“, lautet Palmers Analyse.
Wie kommt es zu der Veranstaltung?
Eigentlich wollte die AfD in Tübingen eine Demonstration veranstalten. Viele wären wohl nicht gekommen. In der Stadt ist sie kaum verankert, bei der Gemeinderatswahl 2024 hatte sie nicht einmal eine eigene Liste. Bei der Bundestagswahl erreichte sie nur in Merzhausen bei Freiburg eine geringere Zustimmung. Doch es hätte Gegendemonstrationen gegeben. Die Stadt wäre im Ausnahmezustand gewesen. Der Einzelhandel fürchtete am wichtigen Einkaufssamstag vor den Ferien kräftige Umsatzrückgänge. Um dies zu verhindern, willigte Palmer in die Teilnahme an dem Streitgespräch ein.
Inwiefern zahlt die AfD für die Veranstaltung?
Darauf legt Palmer wert: der Aufwand für Material werde der Partei in Rechnung gestellt, ebenso die Personalkosten, die für die Vorbereitung nötig sind. „Das bringt der Stadtverwaltung mehrere tausend Euro“, behauptet der OB. Nur seine eigene Arbeitskraft ist nicht käuflich. „Ich bin für alle Bürger da“, sagt Palmer. Seine Teilnahme sei selbstverständlich kostenlos. Und die Kosten für das Polizeiaufgebot muss wie bei Fußballspielen oder Großveranstaltungen das Land, also der Steuerzahler tragen.
Was halten die Tübinger von der Veranstaltung?
Die Meinungen zum Sinn der Veranstaltung gehen auseinander. Viele befürchten, der OB biete der Rechtsaußenpartei ohne Not ein Podium. Palmer ist da anderer Meinung. Die Veranstaltung habe Außenwirkung, gibt er zu. „Aber das darf man nicht mit Werbung gleichsetzen.“ Sein Ziel sei Antiwerbung für die AfD.
Mehrere Gruppen, darunter „Fridays for Future“, die „Omas gegen rechts“ und „Tübingen gemeinsam solidarisch“ wollen lieber auf der Straße ein Zeichen setzen und haben zu einer Demonstration aufgerufen. 1500 Menschen werden erwartet, sagt der Ordnungsamtschef Lukas Haderlein. Palmer befürwortet die Demo und hat sich sogar als Redner angeboten. „Wir haben ja ein gemeinsames Ziel.“ Bisher traf das Angebot allerdings auf eisiges Schweigen der Organisatoren.
Wie soll die Veranstaltung ablaufen?
Als Moderator hat Palmer den Tübinger Rhetorikprofessor Joachim Knape vorgeschlagen, die AfD hat zugestimmt. Er will in mehreren Themenblöcken mit den beiden Kontrahenten ins Gespräch kommen und auch Bürger aus dem Publikum das Wort erteilen. Zwei Stunden hat er eingeplant. Jeder durfte sich Themen wünschen, Frohnmaier votierte unter anderem für Meinungsfreiheit und Innere Sicherheit/Migration, auf Palmers Wunsch hin wird über Klimaschutz und Wohnungsbau gesprochen.
Wie hat sich Palmer vorbereitet?
Für Palmer steht fest: „Die AfD ist in vielen Bereichen inkompetent und schadet gerade auch den Interessen ihrer eigenen Wähler.“ Kaum jemand schaue sich die Programme der Parteien genauer an. Er habe das bei der AfD getan. Seinen Followern auf Facebook habe er die Absurditäten vieler Vorhaben der AfD vor der Bundestagswahl schon vorgeführt. Womöglich kennt er das Programm sogar besser als sein Gegenpart. Für ihn steht jedenfalls fest: „Man muss reden mit den Leuten.“
Was erhofft sich die AfD von der Veranstaltung?
Rund 100 der 750 Karten hat sich die Partei für das Streitgespräch gesichert. Ob sie so viele Parteigänger in Tübingen überhaupt hat, ist unklar. Doch es könnten ja mehr werden. Frohnmaier gilt jedenfalls durchaus als geschickter Redner, der je nach Anforderung radikal oder gemäßigt auftreten kann. Zudem will die Partei das Gespräch im Internet übertragen.