Papst-Mahnung: Solidarität statt Egoismus

dpa Berlin/Rom. Ostern - das ist sonst ein großes, buntes Fest der Christen in aller Welt. Diesmal, mitten in der globalen Corona-Krise, spricht der Papst im fast leeren Petersdom. Aber er findet mahnende Worte auch für die Zeit danach.

Gläubige nehmen an der von Papst Franziskus geleiteten Ostermesse im fast leeren Petersdom teil. Foto: Andreas Solaro/AFP/AP/dpa

Gläubige nehmen an der von Papst Franziskus geleiteten Ostermesse im fast leeren Petersdom teil. Foto: Andreas Solaro/AFP/AP/dpa

Gegen Eigennutz und für Solidarität in Europa: Angesichts der weltweiten Corona-Pandemie hat Papst Franziskus in seiner Osterbotschaft einen Kurswechsel gefordert.

„Gleichgültigkeit, Egoismus, Spaltung und Vergessen sind wahrlich nicht die Worte, die wir in dieser Zeit hören wollen“, sagte das katholische Kirchenoberhaupt am Sonntag im fast leeren Petersdom. Anschließend spendete Franziskus den Segen „Urbi et Orbi“ - der Stadt und dem Erdkreis. Derweil stiegen die Zahlen der Corona-Infektionen und -Todesopfer weiter an - sehr deutlich in den USA und Großbritannien.

FRANZISKUS MAHNT EUROPA IM FINANZHILFEN-STREIT

Die Zeremonie mit dem Papst im Petersdom wurde, wie auch die Messe, im Internet und von TV-Sendern übertragen - wegen der Corona-Krise waren Pilger in diesem Jahr nicht zugelassen. An die Adresse der verantwortlichen EU-Politiker sagte Franziskus: „Lasst uns nicht die Gelegenheit versäumen, einen weiteren Beweis der Solidarität zu erbringen, auch wenn wir dazu neue Wege einschlagen müssen.“ In der Europäischen Union hatte es zuletzt wieder harte Debatten über Finanzhilfen gegeben, um die Folgen der Krise zu bewältigen. Die Regierungen erzielten vergangene Woche eine Einigung - doch Rom und Berlin sind etwa über gemeinsame EU-Anleihen weiter uneins.

KIRCHEN IN DEUTSCHLAND: HOFFEN UND MAHNEN

In Deutschland sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, die Corona-Pandemie könne sogar zum „Glücksfall der Geschichte“ werden. „Hoffentlich lehrt uns diese Krise, wie sehr wir aufeinander angewiesen sind.“ Die Krise, so schlimm sie sei, habe viel Gutes hervorgebracht. „So viel Freundlichkeit und Humor habe ich selten erlebt“, sagte Bätzing. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Heinrich Bedford-Strohm, verteidigte das Verbot von Gottesdiensten mit Gläubigen. Ein Ostergruß per Handschlag oder eine herzliche Umarmung seien „zum Feind des Lebens geworden“.

ÜBER 120 000 INFEKTIONEN - ABER VIELE SIND GENESEN

In Deutschland sind bis Sonntagmorgen mindestens 121 368 Infektionen mit dem neuen Coronavirus registriert worden. Mindestens 2679 mit dem Erreger Sars-CoV-2 infizierte Menschen sind den Angaben zufolge bundesweit gestorben. Das geht aus einer Auswertung der Deutschen Presse-Agentur hervor, die die neuesten Zahlen der Bundesländer berücksichtigt. Nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts haben in Deutschland rund 60 200 Menschen die Infektion überstanden. Damit gelten etwa die Hälfte der bisher erfassten Infizierten als genesen.

USA UND GROSSBRITANNIEN ALS HOTSPOTS DER PANDEMIE

Die USA haben in absoluten Zahlen weltweit inzwischen die meisten Toten durch die Corona-Epidemie zu verzeichnen - und somit Italien überholt. Das geht aus Zahlen der amerikanischen Universität Johns Hopkins hervor. In den Vereinigten Staaten starben demnach bis zum Sonntag mehr als 20 600 Menschen in Folge der Corona-Pandemie - in Italien wurden 19 468 Tote registriert. Großbritannien könnte nach Einschätzung der Wellcome-Stiftung in der Bilanz das am schlimmsten von der Pandemie betroffene Land in Europa werden. Die Zahl der in britischen Statistiken erfassten Todesfälle bei corona-infizierten Menschen drohte noch am Sonntag die 10 000er-Marke zu überschreiten.

VON DER LEYEN SETZT AUF BALDIGEN IMPFSTOFF

Für die weltweite Suche nach einem Corona-Impfstoff zeigt sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen optimistisch. Sie hofft, dass Ende des Jahres ein Impfstoff entwickelt sein könnte. Mit der Corona-Ausbreitung ist ein Wettbewerb zwischen Biotech-Firmen und Forschungsinstituten weltweit entbrannt, um einen wirksamen Impfstoff herstellen. Dennoch rechnen die wenigsten Experten damit, dass es noch dieses Jahr einen gut wirksamen, sorgsam abgesicherten und in immensen Mengen verfügbaren Impfstoff geben kann.

STEINMEIER UND KARLICZEK FÜR MEHR GEMEINSAME FORSCHUNG

In Berlin hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Fernsehansprache am Samstag mit Blick auf die Corona-Krise gefordert, Wissen und Forschung sollten geteilt werden, damit man schneller zu Impfstoff und Therapien gelange. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek will bei ihren EU-Kollegen für mehr Geld werben. „Die reichsten Länder der Welt müssen sich viel stärker für die Impfstoffentwicklung gegen das neue Corona-Virus engagieren“, sagte die CDU-Politikerin der dpa in Berlin.

WIRTSCHAFTSEXPERTEN VERLANGEN KLARE REGELN DER POLITIK

Die Wirtschaftsweisen haben sich in der Debatte über eine Lockerung der Corona-Beschränkungen gegen starre Bestimmungen für einzelne Wirtschaftsbranchen ausgesprochen. „Die Politik sollte klare Regeln vorgeben, die helfen, die Virusausbreitung einzudämmen und eine Überlastung des Gesundheitssystems durch schwere Krankheitsverläufe zu vermeiden“, fordern die fünf Ökonomen. Die Regeln könnten zum Beispiel Einschränkungen der Bewegungsfreiheit beinhalten, einen Mindestabstand zwischen Personen, eine maximale Personenzahl pro Quadratmeter oder notwendige Schutzbekleidung.

MERZ EINIG MIT MERKEL: VORSICHTIGER AUSSTIEG

Der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz hat sich klar hinter den Kurs von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für einen vorsichtigen und schrittweisen Ausstieg aus den harten Beschränkungen im Kampf gegen die Corona-Krise gestellt. „Die Infektionsgefahr ist nicht über Nacht gebannt, und auch viele Unternehmen kann man nicht einfach am Tag X wieder einschalten wie eine Wohnzimmerlampe“, sagte der Kandidat für den CDU-Vorsitz der dpa in Berlin. „Mit gewissen Einschränkungen werden wir also noch eine ganze Weile leben müssen.“ Er gehe davon aus, dass Bund und Länder nach Ostern erklären werden, in welcher Schrittfolge das Land zur Normalität zurückkehren könne.

WENIGER VERKEHR IN ZÜGEN UND AUF DEN STRASSEN

Die Zahl der Zugreisen ist an diesem Osterfest wegen der Beschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie deutlich geringer gewesen als im Vorjahr. Die Deutsche Bahn registrierte für die Ostertage knapp 300 000 Buchungen im Fernverkehr, wie ein Unternehmenssprecher mitteilte. Im vergangenen Jahr seien es 1,5 Millionen gewesen. Auf den Straßen war es ebenfalls spürbar ruhiger.

CORONA-KRISE BRINGT AUCH FUSSBALL-EM 2021 INS WACKELN

Die UEFA-Pläne für die auf 2021 verlegte Fußball-EM könnten ins Wanken geraten. Der Wunsch des Dachverbands, das europäische Turnier wie eigentlich geplant auch im nächsten Jahr in den gleichen zwölf Spielorten auszurichten, droht zu platzen. Medienberichten zufolge haben mehrere Städte Probleme mit dem neuen Termin. Auch aus dem einzigen deutschen Spielort München gibt es noch keine endgültige Zusage an die UEFA.

WENIGER KONTAKT ZU NACHBARN ALS CORONA-NEBENEFFEKT

Jeder dritte Bundesbürger bekommt seit Beginn der Corona-Krise weniger von seinen engsten Nachbarn mit. „Ich habe weniger Kontakt“, sagten 24 Prozent in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der dpa. Von „viel weniger Kontakt zu den engsten Nachbarn“ sprechen weitere 10 Prozent der Befragten. Ältere Menschen erleben die Folgen der Krise in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft stärker als Jüngere.

Papst Franziskus leitet eine feierliche Osternacht im Petersdom. Foto: Remo Casilli/Reuters Pool/AP/dpa

Papst Franziskus leitet eine feierliche Osternacht im Petersdom. Foto: Remo Casilli/Reuters Pool/AP/dpa

Papst Franziskus küsst zu Beginn der Ostermesse den Altar des fast leeren Petersdomes. Foto: Andreas Solaro/AFP/AP/dpa

Papst Franziskus küsst zu Beginn der Ostermesse den Altar des fast leeren Petersdomes. Foto: Andreas Solaro/AFP/AP/dpa

Carabinieri stehen neben ihren Fahrzeugen vor dem leeren Petersplatz. Foto: Andrew Medichini/AP/dpa

Carabinieri stehen neben ihren Fahrzeugen vor dem leeren Petersplatz. Foto: Andrew Medichini/AP/dpa

Papst Franziskus hält das Heilige Evangelium während der Ostermesse in die Höhe. Foto: Andreas Solaro/AFP/AP/dpa

Papst Franziskus hält das Heilige Evangelium während der Ostermesse in die Höhe. Foto: Andreas Solaro/AFP/AP/dpa

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Erstellt:
12. April 2020, 11:48 Uhr

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