Neues Buch
Patti Smith und das Rockstar-Revival
Erst besingt Taylor Swift sie, jetzt erscheint ihr neues Buch: Patti Smith ist ein Beispiel dafür, warum alte Rockstars junge Leute begeistern.
© Hannah Mckay/EPA/dpa
Patti Smith wurde mit dem Musikalbum "Horses" bekannt (Archivbild).
Von Von Lisa Forster, dpa
Berlin - Ob Taylor Swift ein Exemplar von Patti Smiths neuen Memoiren vorab bekommen hat? Denkbar wäre es - hat der Popstar der Rock-Ikone doch kürzlich mit einer Erwähnung im Song "The Tortured Poets Department" eine ganze Reihe neuer Fans beschert.
Zu den prominenten Hörerinnen von Patti Smith zählen nicht nur Swift, sondern auch die Popmusikerin Olivia Rodrigo (22) und Rosalía (33). Die 78-Jährige ist nur eine der Musiklegenden, die aktuell ein Revival bei jungen Leuten erleben.
Auch Bob Dylan und Bruce Springsteen landen dank neuer Biopics in Spotify-Playlisten junger Fans - und erfreuen sich wie Patti Smith in den sozialen Medien größerer Beliebtheit.
"Alte Musik ist die neue Musik", schrieb das Magazin "GQ" schon vor ein paar Jahren. Da passt es, dass die US-Musikerin und Autorin Smith jetzt ihre neuen Memoiren "Bread of Angels" herausbringt. Das Werk lädt dazu ein, genauer hinzuschauen: Was finden junge Fans womöglich an alternden Rockstars interessant?
Aufrichtigkeit statt Ironie
Zuerst fällt auf: Smith steht - ähnlich wie Springsteen - für eine radikale Aufrichtigkeit, die in der Popkultur von 2025 besonders wirkt. "Bread of Angels" zeichnet Smith als Künstlerin, die Alltägliches mit Hingabe betrachtet. Eine Schildkröte, der sie im Wald begegnet, nimmt sie genauso ernst wie die erste Begegnung mit ihrem späteren Freund Bob Dylan. Ironie oder Zynismus, wie sie heute in den sozialen Netzwerken vorherrschen, sind ihr fremd.
Smith erzählt von einer Kindheit, die von Armut geprägt war. In ihren ersten vier Lebensjahren zog ihre Familie elfmal um. Ihre Mutter arbeitete als Kellnerin, ihr Vater übernahm Nachtschichten in einer Fabrik. Sich selbst porträtiert sie als traumwandlerisches Kind, das in der Schule Außenseiter ist und im Wald "Peter Pan" liest.
Ein bisschen geht es im Buch wieder um ihre Zeit in New York, die Smith bereits in ihren hochgelobten Memoiren "Just Kids" beschrieben hat. Außerdem erzählt sie vom Familienleben mit dem einstigen MC5-Gitarristen Fred Smith (1948-1994), für den Smith nach Detroit zog und mit dem sie in den 80er Jahren zwei Kinder bekam. Ihr Rockstar-Leben tauschte sie gegen Häuslichkeit.
Später verlor sie nicht nur ihren Ehemann, sondern auch enge Weggefährten vergleichsweise früh. Und dennoch schaffte sie es, sich das alltägliche Staunen zu bewahren. Die Kunst hat Patti Smith immer wieder zum Leben erweckt.
Popmusik als Religion
Während viele ihrer Zeitgenossen den Rock als Pose verstehen, überhöht Smith ihn zur Religion. Das wird in "Bread of Angels" immer wieder deutlich. Kunst ist für die Musikerin etwas Heiliges. Das passt in eine Zeit, in der einige Popstars wie Götter verehrt werden - vielleicht als Reaktion auf eine kollektive Krisenstimmung, gegen die der Pop Ablenkung und Halt bietet.
Smith ist für ihre Bühnenpräsenz bekannt, die etwas von einer Predigerin hat. Im Buch erzählt sie von verschiedenen künstlerischen Erweckungserlebnissen. Vom ersten Blick auf die Gemälde Picassos, die Entdeckung einer Geschichte von Oscar Wilde, der Gedichte von Yeats. Ihr geliebter Dichter Arthur Rimbaud, über den Smith immer wieder schreibt, wird ihr von den "Engeln serviert".
Im Buch erzählt Smith auch, dass sie in einer gläubigen Familie aufwuchs, ihre Mutter und Schwester schlossen sich den Zeugen Jehovas an. Sie selbst sang einst die berühmte Zeile "Jesus died for somebody's sins but not mine" und entdeckt ihre Offenbarungen anderswo.
Künstlerische Qualität, die überdauert
Ihre Liebe für die Musik, die Literatur, die Natur und ihre künstlerischen Gefährten wird im Buch deutlich. Oft bleibt das Geschriebene aber abstrakt, wirklich Persönliches erfährt man kaum. Ein zweites "Just Kids" ist "Bread of Angels" nicht geworden.
Dennoch sind die Memoiren inspirierend - man schaut danach mit einem anderen, offenen Blick auf sein Umfeld. Und ist eingeladen, Smiths künstlerisches Werk wiederzuentdecken.
Ihr Kultalbum "Horses" von 1975, den erfolgreichen Nachgänger "Easter" mit dem von Bruce Springsteen geschriebenen Hit "Because the Night". Und das unübertroffene Memoir "Just Kids" über ihre Liebe zu dem Fotografen Robert Mapplethorpe und die gemeinsame Zeit in den 70er Jahren in New York.
Ein Grund dafür, warum sich auch junge Fans für Patti Smith und ihre musikalischen Weggefährten begeistern, dürfte genau hier liegen. In einem künstlerischen Werk, das bis heute beeindruckend ist. Und sich gut als Zitat auf Instagram oder Tiktok macht.
