Hintergrund

Pelz tragen und Arten schützen?

Projekt für nachhaltigen Pelz aus heimischer Jagd

Rund 500000 Füchse werden im Jahr deutschlandweit im Rahmen der Bestandsregulierung geschossenen. Bisher gab es keine sinnvolle Verwertung für die Tiere. Mit „Fellwechsel“ soll sich das nun ändern: Das Projekt soll einen Markt für nachhaltigen Pelz aus heimischer Jagd schaffen. Bei den hiesigen Jägern stieß das Projekt auf reges Interesse, Tierschützer hingegen sprechen von einem „Etikettenschwindel auf Kosten der Tiere“.

Für manchen Modefan sind Stirnband und Muff aus Fuchspelz ein echter Hingucker. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Für manchen Modefan sind Stirnband und Muff aus Fuchspelz ein echter Hingucker. Foto: J. Fiedler

Von Ute Gruber

SULZBACH AN DER MURR. Der Mann ist schwer zu erreichen. In der neu gegründeten Firma ist Frederik Daniels derzeit Mädchen für alles: Prokurist, Erfasser, Marketingmanager, Pressesprecher, Adressenverwalter und – Abbalger. Ab- was? In der seit einem Jahr bestehenden Fellwechsel GmbH in Rastatt werden seit Juni Pelztiere aus heimischer Jagd abgebalgt, abgezogen, gestreift – sprich: Es wird ihnen das Fell (beginnend am Schwanz) über die Ohren gezogen.

Seit Jahren sucht man im Land nach Wegen, um das sogenannte Niederwild zu schützen, vor allem Feldhasen und Bodenbrüter wie das selten gewordene Rebhuhn. Die schlauen Füchse (ebenso wie die geschickten Waschbären übrigens) vermehren sich als Kulturfolger inzwischen besser als in freier Wildbahn. Viele Füchse aber sind des Hasen Tod, denn im Gegensatz zu seinem Vetter, dem Kaninchen, baut der Feldhase keine unterirdischen Gänge, in die er sich flüchten könnte. Auch Bodenbrüter wie Rebhuhn, Kiebitz oder Brachvogel bringen ihre Jungen so nicht aufgezogen.

Im Südschwarzwald läuft seit fast zehn Jahren der Aktionsplan Auerhuhn, bei dem das vom Aussterben bedrohte, wilde Auerhuhn durch stärkere Bejagung der Prädatoren geschützt werden soll. Auf den Fildern südlich von Stuttgart bemüht sich seit 2017 die Allianz für Niederwild über die Bejagung der Füchse hinaus um die Schaffung von Rückzugsarealen wie Hecken. Bei diesem Modellprojekt arbeiten Jäger, Landwirte, Naturschützer und Kommunen zusammen.

Problem: Für die im Rahmen der Bestandsregulierung in deutschen Wäldern geschossenen Füchse – in ganz Deutschland sind das 500000 pro Jahr – gab es bisher keine sinnvolle Verwertung. Seitdem das Tragen von echtem Pelz durch Skandale um tierquälerische Pelztier-farmen (zu Recht) in Verruf geraten war, traut sich niemand mehr im Pelzmantel auf die Straße. Die toten Tiere aus freier Wildbahn landeten mitsamt herrlichem Fell im Müll.

Jedes Fell bekommt eine ID-Nummer mit der die Herkunft nachverfolgbar ist

„Uns Jäger befriedigt das nicht“, stellt der Sulzbacher Hegeringleiter Uwe Birkendorff fest, man fühle sich zunehmend zum Schädlingsbekämpfer degradiert. Aktuell stünden wegen der Afrikanischen Schweinepest die Wildschweine im Fokus, das nächste Problem komme mit dem invasiven Waschbär. „Das erlegte Tier hat dabei gar keinen Wert mehr.“

Mutig startete der Baden-Württembergische Jagdverband zusammen mit dem Deutschen Jagdverband (DJV) 2017 das Pilotprojekt „Fellwechsel“, das einen Markt für nachhaltigen Pelz aus heimischer Jagd schaffen soll: Mit genauem Herkunftsnachweis versehen, werden die frisch geschossenen Tiere vor Ort eingefroren und gesammelt; ab 15 Tieren kommt ein Fellwechsel-Mitarbeiter auf seiner Tour vorbei und bringt sie zum Abbalgen nach Rastatt. Man lässt in deutschen Fachbetrieben umweltschonend gerben und kümmert sich dann um die Vermarktung, lückenlos nachverfolgbar durch die ID-Nummer am Fell.

Unter der Jägerschaft fand das Projekt großen Anklang: „Klasse, endlich nachhaltige Verwertung statt feierliche Bestattung“ oder „So macht Jagen wieder Sinn“ ist auf der Homepage des DJV zu lesen.

Auch der Murrhardter Jungjäger Kai Krauß fand „das Projekt so toll, weil die Jagd auf Füchse dadurch wieder sinnvoll wird“ und meldete sich freiwillig als sogenannter Balgbeauftragter. Als Truhenwart stellt er damit dem Hegering den lokalen Sammelplatz zur Verfügung. Damit ist er einer von aktuell 432 Sammelstellen in Deutschland. Vor einem halben Jahr waren es noch 260. Die Jäger bekommen pro Balg acht bis zehn Euro oder spenden ihre Beute gleich dem Projekt. Oder aber sie lassen sich das Fell gegen Gebühr umarbeiten. Zum Beispiel zu einem Kombi-Muff wie der Murrhardter Hegeringleiter Luis Willkomm: „Den hab ich im Winter auf dem Hochsitz statt Handschuhen – Fuchs ist so wunderbar warm!“ Bei Bedarf verwandelt sich das gute Stück flugs in ein Sitzkissen.

Erst ab 7000 bis 10000 Fellen pro Jahr lohnt sich das

kontroverse Pilotprojekt

Freilich stößt das Projekt nicht allerorten auf Gegenliebe: Der sogenannte Ökopelz sei „Etikettenschwindel auf Kosten der Tiere“, meint der Deutsche Tierschutzbund, denn auch für diese Pelze müssten Tiere leiden und sterben. Die Jäger kontern: Die natürliche Regulation der Überbevölkerung geschehe beim Fuchs über Staupe und andere Krankheiten. Das wochenlange Dahinsiechen bis zum Tod sei auch nicht gerade tierfreundlich. Seit fünf Jahren grassiert die Seuche tatsächlich in der Region Stuttgart, im Rems-Murr-Kreis inzwischen flächendeckend.

Letztlich steht und fällt das Projekt mit der Vermarktung: Erst ab 7000 bis 10000 Fellen pro Jahr rechnet sich das Ganze für die Fellwechsel GmbH. „Ein tot geborenes Kind“ sei das Vorhaben laut dem Verein Wildtierschutz Deutschland und prophezeit einen „grandiosen Schiffbruch“. Organisator Frederik Daniels dagegen hofft auf einen Bewusstseinswandel, denn „Echtpelz ist nicht gleich Schlechtpelz“.

Einer, der schon länger Erfahrung auf dem Gebiet hat, ist der Kürschner Oliver Ries, der in seinem traditionsreichen Qualitätsgeschäft in Bonndorf neben italienischer und französischer Ledermode auch selbst gefertigte Kleidung aus „Schwarzwälder Rotfuchs“ aus dem genannten Auerwildprojekt anbietet. „Unsere jungen Kunden hinterfragen, von wo das Fell ist“, stellt er fest, „die stehen dahinter und sind dann gegen Anfeindungen gewappnet.“ Bei seinem Stand auf dem Landwirtschaftlichen Hauptfest habe er wider Erwarten zu 95 Prozent positive Reaktionen erfahren.

Vielleicht wird Pelz ja doch wieder salonfähig. Dann könnte man sich getrost auch mal wieder Tante Kläres guten, alten Fuchs um den Hals legen, der beißt sich per Knopfdruck in den eigenen Schwanz.

Hintergrund
Alles rund um den Pelz
Balg ist der Fachausdruck für eine abgezogene Tierhaut mit Haaren beziehungsweise Federn. Seit vergangenem Donnerstag wird wieder gesammelt, denn „ab Mitte November sind die Bälge der Raubsäuger reif“, wie Daniels von der Abbalgstation erklärt. Dann nämlich ist der Haarwechsel abgeschlossen und der Winterpelz am schönsten. Mitte Februar ist dann wieder Schluss mit Sammeln, denn dann beginnt der nächste Haarwechsel hin zum Sommerfell. Angenommen werden neben Rotfuchs, Marderhund, Waschbär, Stein- und Baummarder, Iltis und Mink auch Nutria und Bisam. Sammelstellen können über die Fellwechsel GmbH erfragt und auch angemeldet werden. A-Ware an gegerbten Bälgen „mit Lunte und Maske“, sprich Schwanz und Gesicht, kosten bei der Fellwechsel GmbH aktuell zwischen 70 und 90 Euro. Verarbeitete Teile, die deutlich darüber liegen, vertreibt der Online-Shop des DJV und erstmals die Blaser GmbH in Isny. Echtpelz ist teurer als Kunstpelz , dafür aber natürlich, langlebig und kann vom Kürschner umgearbeitet werden. Eine Konkurrenz zu Massenware mit zweifelhafter Herkunft strebt die Fellwechsel GmbH nicht an.

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Erstellt:
27. November 2018, 06:00 Uhr

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