Permanente Überwachung des Pegels

Ein erster Einsatztrupp des Technischen Hilfswerks ist zurück von seinem Einsatz im Krisengebiet, ein neuer Trupp ist seit einigen Tagen in Nordrhein-Westfalen. Vor Ort haben sie vor allem die Pegelstände an der Steinbachtalsperre im Blick behalten und die Einsatzleitung beraten.

Frank Hess bei der Kontrolle des Pegels. Dieser musste rund um die Uhr überwacht werden. Fotos: THW-Ortsgruppe Backnang

© THW Ortsverband Backnang

Frank Hess bei der Kontrolle des Pegels. Dieser musste rund um die Uhr überwacht werden. Fotos: THW-Ortsgruppe Backnang

Von Kristin Doberer

Backnang. Eine Woche lang waren Einsatzkräfte des THW Backnang in Nordrhein-Westfalen, um gemeinsam mit weiteren Einsatzkräften die Steinbachtalsperre auf dem Gebiet der Stadt Euskirchen vor dem Brechen zu bewahren. Mittlerweile wurden sie von Kameraden abgelöst und sind zurück in Backnang. Einsatzleiter Uwe Henne berichtet von der Situation und der Arbeit im Krisengebiet.

Uwe Henne ist Einsatzleiter des Trupps Mobiler Hochwasserpegel. Der Mobile Hochwasserpegel ist ein Gerät, das den Wasserstand mit einer Sonde erfasst und die Daten dann an einen Server weitergibt. „Das wurde vor Ort dringend benötigt, das Messgerät an der Steinbachtalsperre war einfach nicht mehr vorhanden“, sagt Henne. Als er mit seinem Team dort eintraf, wurde bereits seit zwei Tagen Wasser aus der Talsperre gepumpt, sie drohte aber noch immer zu brechen und die darunterliegenden Dörfer zu überfluten. Viele Menschen waren zu diesem Zeitpunkt auch evakuiert worden. „Wir mussten unbedingt wissen, wie schnell der Wasserstand sinkt, damit man weiß, ab wann man über der Evakuierungsschwelle ist.“ Den Mobilen Hochwasserpegel gibt es bisher nur achtmal in Deutschland. Er wurde vom THW speziell für Hochwasserfälle entwickelt. Der Backnanger Trupp verfügt über mehrere solcher Messstationen, spezielle Vermessungstechnik, Zubehör und Verbrauchsmaterial sowie die entsprechende Software zur Auswertung der Messdaten.

Der Pegelstand war wichtig für viele weiteren Entscheidungen vor Ort

Zuerst wurde das Team um Uwe Henne am 17. Juni mit einem Helikopter von Heiningen nach Nordrhein-Westfalen geflogen. Dort arbeiteten sie rund um die Uhr in Zwölfstundenschichten, um den Wasserpegel der gefährdeten Talsperre im Blick zu behalten. Mit den ermittelten Daten haben sie verschiedene Hochrechnungen erstellt und die Einsatzleitung vor Ort beraten: Wie lange braucht es noch, bis alles abgepumpt ist? Und wie steht es um die umliegenden Flüsse und Gewässer? „Gerade als wieder Regen angekündigt wurde, konnten wir genau überwachen, wie hoch der Pegel der Zuflüsse aktuell war“, sagt Henne.

Uwe Henne auf der Steinbachtalsperre.

Uwe Henne auf der Steinbachtalsperre.

Der Einsatz habe hohe Konzentration gefordert, das Team habe sich während einer Schicht extrem auf die Arbeit fokussieren müssen. „Da merkt man nicht so viel, was links oder rechts von einem passiert. Ganz anders war die Situation dann nach einem Schichtwechsel.“ Zwar seien alle Beteiligten sehr erfahren mit solchen Hochwasser- und Krisensituationen und haben schon viel gesehen – sowohl in Deutschland wie auch im Ausland –, doch besonders die Gespräche mit Anwohnern haben auch sie betroffen gemacht. Untergebracht waren die Helfer nämlich in einer Jugendherberge in der Nähe. Die Versorgung der Rettungskräfte wurde von Anwohnern übernommen, die noch nicht in ihre Häuser zurückkonnten. „Sie wollten helfen, konnten an ihren eigenen Häusern aber noch nichts machen“, beschreibt Henne. „Manche sind in einen Nachbarort zum Helfen gefahren, andere haben eben für die Einsatzkräfte gekocht.“ Diese Gespräche mit den Betroffenen und deren Geschichten haben auch die so erfahrenen Einsatzkräfte nicht kaltgelassen. Besonders betroffen machten Erzählungen von vermissten oder verstorbenen Familienmitgliedern, Nachbarn und Freunden.

Der Mobile Hochwasserpegel.

© THW Ortsverband Backnang

Der Mobile Hochwasserpegel.

Nach einer Woche wurden die Einsatzkräfte am vergangenen Samstag von einem Zugtrupp abgelöst. „Das Hochwasser lässt nach und die mobilen Pegel werden nicht mehr so stark gebraucht“, sagt Henne. Arbeit gibt es aber noch reichlich für das THW. Deshalb sind nun vier THWler als Einsatzabschnittsleitung in Arloff, einem Stadtteil von Bad Münstereifel im Kreis Euskirchen, eingesetzt. Dort müssen sie rund 50 bis 60 Einsatzkräfte sowie weitere freiwillige Helfer koordinieren. Bei deren Einsatz geht es vor allem darum, Straßenzüge zu reinigen, Gebäude zu durchsuchen und Schäden festzustellen. Im Einsatz sind schweres Gerät wie Bagger und Radlader, aber auch Pumpenarbeiten fallen an, Notstromversorgung muss hergestellt werden. Auch Sandsackverbau, Brückenbau und vielfältige Erkundungsarbeiten mit Baufachberatern gehören zu den aktuellen Aufgaben. Dieser Trupp soll voraussichtlich am Freitag zurück nach Backnang kommen, erzählt Ortsgruppenleiter Alexander Krumbach. Für das Backnanger THW sei der Einsatz damit aber nicht beendet. Er rechnet damit, dass noch vier bis sechs Wochen lang immer wieder Einsatzkräfte der Ortsgruppe und auch umliegender Ortsgruppen im Krisengebiet helfen werden.

Einsätze sind nur durch die Flexibilität der Backnanger Arbeitgeber möglich

Aber nicht nur die eingesetzten Kräfte geben ihr Bestes im jeweiligen Einsatzgebiet, auch zu Hause in Backnang läuft die Einsatzstruktur im 24-Stunden-Betrieb. Zum Beispiel werden viele Telefonate geführt, Verfügbarkeiten geklärt, Einsatzmaterial vorbereitet und Arbeitgeber informiert. Die Ehrenamtlichen des THW haben für gewöhnlich einen regulären Vollzeitjob, bei dem sie während ihres Einsatzes sehr kurzfristig fehlen. Gerade den flexiblen Arbeitgebern ist Uwe Henne sehr dankbar. „Es gab ja auch kein Handynetz, man konnte nicht mal schnell seinen Arbeitgeber anrufen“, meint der Einsatzleiter. „Mit dem Arbeitgeber steht und fällt der Einsatz. Zum Glück sind viele in Backnang sehr verständnisvoll und sagen: Klar, ihr müsst da helfen.“ Trotzdem sei eine einwöchige Freistellung gerade bei sehr kleinen Betrieben mit wenigen Mitarbeitern ein beachtlicher Ausfall.

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Erstellt:
29. Juli 2021, 06:00 Uhr

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