Peta fordert Verbot für Pferdekutschen

Tierrechtsorganisation schaltet sich nach tragischem Unfall bei Murrhardt ein – Landratsamt sieht keine rechtliche Handhabe

Die Tierrechtsorganisation Peta nimmt den Kutschenunfall vom vergangenen Wochenende zum Anlass, von Landrat Richard Sigel ein Verbot von Pferdekutschen im Landkreis zu fordern. Pferdesportverbände verweisen dagegen auf Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit bei Kutschfahrten und betonen, dass viele Unfälle nicht von den Kutschenfahrern ausgehen.

Der tödliche Kutschenunfall vom vergangenen Sonntag hat jetzt die Tierrechtsorganisation Peta auf den Plan gerufen: Die Risiken solcher Fahrten seien unkalkulierbar. Foto: 7aktuell/Lermer

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Der tödliche Kutschenunfall vom vergangenen Sonntag hat jetzt die Tierrechtsorganisation Peta auf den Plan gerufen: Die Risiken solcher Fahrten seien unkalkulierbar. Foto: 7aktuell/Lermer

Von Andreas Ziegele

MURRHARDT. Nach dem tragischen Kutschenunfall zwischen Hörschhof und Waltersberg am Sonntag, bei dem ein Mensch und ein Pferd gestorben sind (wir berichteten), hat sich nun die Tierrechtsorganisation Peta eingeschaltet.

Peta appelliert angesichts dieses Vorfalls an Landrat Richard Sigel, ein Verbot von Pferdekutschen im Rems-Murr-Kreis zu prüfen. „Dieser Vorfall zeigt, dass die Risiken bei Kutschfahrten unkontrollierbar sind. Pferde sind Fluchttiere und können selbst bei geringen Störungen leicht in Panik geraten“ so Jana Hoger, Fachreferentin bei Peta. Nach Ansicht von Hoger ist „die einzige Lösung zum Schutz von Mensch und Tier ein Verbot von Pferdekutschen“.

Bereits Anfang dieses Jahres veröffentlichte Peta eine Pferdekutschen-Unfallchronik und warnte dabei eindringlich vor solchen Fahrten: 2017 seien bei insgesamt 41 Unfällen drei Menschen getötet und 67 verletzt worden, viele von ihnen schwer. Dabei seien drei Pferde verendet, 17 weitere hätten sich verletzt. Die Tierrechtsorganisation weist darauf hin, dass die Unfälle vor allem auf fehlende Sicherungsvorrichtungen wie Gurte und Airbags sowie unzureichende Bremssysteme zurückzuführen seien.

Nach der Statistik des Polizeipräsidiums Aalen gab es im Rems-Murr-Kreis zwischen 2009 und 2018 insgesamt acht Unfälle mit „bespannten Fuhrwerken“, wie die Fahrzeuge im Amtsdeutsch genannt werden, wobei der aktuelle Unfall hier noch nicht eingerechnet ist. „Sechs davon hatten Personenschäden zur Folge, in zwei Fällen gab es je zwei Schwerverletzte“, erläutert Polizeisprecher Bernd Märkle auf Nachfrage. In einem Fall gab es auch ein Todesopfer. Das Unglück ereignete sich 2010 und nach seinem Wissen ebenfalls in Murrhardt.

Dass es immer wieder zu Unfällen kommt, das ist auch der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) bekannt. Deshalb hat der Verband die Einführung eines Kutschenführerscheines zum 1. Juni 2017 beschlossen. Dieser Führerschein soll helfen, den Ausbildungsstand der Fahrer zu heben. „Denn jeder Unfall ist einer zu viel“, betont die Fachverbandssprecherin Anna-Sophie Röller. Ausgestellt werden zwei Führerscheine: einer für Privatpersonen und einer für gewerbliche Fahrer. Allerdings hat die Sache einen Haken: „Der Führerschein ist keine Pflicht“, räumt FN-Sprecherin Röller ein, da er bisher noch nicht gesetzlich verankert ist. Nach Einschätzung des Verbandes müssten aber nicht nur Gespannfahrer, sondern auch Autofahrer bezüglich der gemeinsamen Straßennutzung ausgebildet werden. „Wir haben Videos produziert, die auf das Thema Pferde im Straßenverkehr aufmerksam machen sollen“, sagt Röller weiter. Diese werden von Fahrschulen im Rahmen der Führerscheinschulungen eingesetzt und sollen die Autofahrer sensibilisieren.

Beschaffenheit der Kutsche unterliegt regelmäßiger Prüfung

Für ein sicheres Fahrvergnügen ist aber auch die Beschaffenheit der Kutsche von Bedeutung. Ob eine Kutsche den Vorschriften entspricht, wird durch eine Prüfung beim Tüv oder der Dekra festgestellt. Nach Aussage der Geschäftsführerin des Pferdesportverbands Baden-Württemberg, Miriam Abel, müssen gewerblich eingesetzte Kutschen abgenommen sein. Sie werden einmal jährlich überprüft und erhalten dann einen FN-Wagenpass und eine Plakette.

Das Landratsamt im Rems-Murr-Kreis bedauert den tragischen Unfall am Sonntag zutiefst und erklärt, die Gedanken seien jetzt bei den Angehörigen. Zum Ruf nach einem Fahrverbot betont das Amt, dass es keine Möglichkeit gebe, ein Kutschenfahrverbot zu erlassen.

„Weder über die Straßenverkehrsordnung noch über andere Verordnungen ist es möglich, ein kreisweites, generelles Fahrverbot für Kutschen auszusprechen“, erklärt Steffen Kienzle von der Pressestelle des Landratsamts. Er betont in diesem Zusammenhang, dass gewerbliche Fahrbetriebe eine Erlaubnis nach dem Tierschutzgesetz benötigen. Dabei werden vom Veterinäramt nicht nur die Sachkunde und die Zuverlässigkeit der Person überprüft, sondern auch die Haltung und der Einsatz der Pferde. „Derzeit haben im Rems-Murr-Kreis 26 Fahrbetriebe nach umfangreicher Prüfung eine Erlaubnis nach Paragraf 11 des Tierschutzgesetzes erhalten“, sagt Kienzle.

Einen neuen Ermittlungsstand zum Unfall vom Sonntag gibt es nach Aussage von Bernd Märkle vom Polizeipräsidium Aalen im Moment nicht. Bei dem 85-jährigen Mann, der bei dem Unfall ums Leben gekommen ist, handelt es sich um einen sehr erfahrenen und geprüften Kutscher aus Sulzbach an der Murr. Seit über 30 Jahren veranstaltet sein Unternehmen Erlebnisfahrten mit Kutschen. Neben seiner Turniererfahrung hatte er auch die Fahrabzeichen in Silber und Gold sowie die erforderlichen Genehmigungen für gewerbliches Fahren.

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Erstellt:
19. Dezember 2018, 06:00 Uhr

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