Pilze suchen, aber sicher

Im Schwäbischen Wald wachsen viele verschiedene Pilzarten, vom delikaten Speisepilz über ungenießbare Exemplare bis hin zu hochgiftigen Kandidaten. Pilzexperte Manfred Krautter informierte die Besucher der vierten großen Pilzausstellung in Grab.

Imposante Ausstellung: In der Schwalbenflughalle in Grab gab es viele Pilze zu bestaunen, darüber hinaus erfuhren die Besucher noch viel Wissenswertes. Fotos: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Imposante Ausstellung: In der Schwalbenflughalle in Grab gab es viele Pilze zu bestaunen, darüber hinaus erfuhren die Besucher noch viel Wissenswertes. Fotos: J. Fiedler

Von Annette Hohnerlein

GROSSERLACH. Es hört sich nach einem gelungenen Sonntagsausflug an: Einen Spaziergang durch den herbstlichen Wald unternehmen, mit einem Korb voller Pilze nach Hause kommen und abends daraus eine köstliche Mahlzeit zubereiten. Damit diese Unternehmung nicht zum Himmelfahrtskommando wird, weiß Manfred Krautter eine goldene Regel: „Wenn ich Pilze essen will, muss ich zu 100 Prozent sicher sein. 99 Prozent reicht nicht. Dann lasse ich den Pilz im Wald oder gehe zu einer Pilzberatung.“

Krautter ist Naturparkführer und Pilzsachverständiger der Deutschen Gesellschaft für Mykologie. Zusammen mit seiner Kollegin Beate Siegel hat er in Kooperation mit der Gemeinde Großerlach und dem Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald die vierte große Pilzausstellung organisiert, die am Wochenende in der Schwalbenflughalle in Großerlach-Grab stattfand. „Diese naturnahe Präsentation ist etwas Besonderes, das ist was fürs Auge“, lobt Großerlachs Bürgermeister Christoph Jäger das Arrangement, bei dem die rund 170 Pilzsorten auf den Tischen in ihrem natürlichen Umfeld aus Moos, Ästen und Sträuchern gezeigt werden.

Das Wetter ist derzeit ideal für Pilze: immer wieder Regen und Temperaturen zwischen 10 und 20 Grad. So hatte Krautter keine Schwierigkeiten, genügend Exponate in der Umgebung zu finden. Gerade hier im Naturpark sorgen die verschiedenen Böden für eine große Vielfalt an Farben und Formen dieser Organismen, die weder den Tieren noch den Pflanzen zugeordnet werden.

Monika Schneider ist mit ihrem Mann Ralph aus Backnang gekommen und erkundigt sich bei Krautter über einen großen trichterförmigen Pilz, den sie im Urlaub in Schweden gesehen hat, aber nicht zuordnen konnte. Sie erfährt, dass es sich um einen Wolligen Milchling handelt, der nicht giftig, aber ungenießbar ist. Amüsiert lesen die Besucher der Ausstellung die vielen seltsamen Bezeichnungen auf den Namensschildern: Flockenstieliger Hexenröhrling, Bärtiger Ritterling, Ziegelgelber Schleimkopf, Stäubender Zwitterling. Der Liedermacher Ulrich Roski hat einige der schauerlich-schönen Pilznamen in seinem Lied „Des Pudels Kern“ verewigt.

Was aber rät der Experte Krautter Pilzfreunden, die die Exemplare in ihrem Korb selbst bestimmen und dabei auf Nummer sicher gehen wollen? Immerhin gibt es in Baden-Württemberg rund 6000 Arten von Großpilzen, das sind diejenigen, die man mit bloßem Auge sehen kann. Da fällt es schwer, den Überblick zu behalten. „Apps empfehle ich nicht, die eignen sich nicht zum Bestimmen für die Pfanne. Dazu braucht man Literatur. Und zwar nicht Opas Pilzbuch, sondern ein neues“, erklärt Krautter. Denn die Wissenschaft entdecke immer wieder Giftstoffe in Pilzen, die bis dahin als harmlos galten. Eine Möglichkeit, seine Kenntnisse über Pilze zu vertiefen, sei auch der Besuch von Pilzseminaren, zum Beispiel bei dem Mykologen Lothar Krieglsteiner, oder die Teilnahme an Pilzführungen von Naturparkführern.

Gefahr droht aber nicht nur, wenn der giftige Doppelgänger eines Speisepilzes ins Ragout gerät. Der häufigste Fehler, den Pilzsucher machen, besteht darin, die geernteten Exemplare zu lange aufzubewahren. „Einen Pilz, der sich weich und schlabberig anfühlt, sollte man nicht essen, der ist nicht mehr frisch“, mahnt Krautter. Am besten sei es, die Ernte noch am gleichen Tag zu verarbeiten. Ansonsten drohe eine Eiweißvergiftung, die etwa eine halbe Stunde nach der Mahlzeit einsetze. Komme es dagegen sechs Stunden nach dem Verzehr von Pilzen zu Übelkeit und Erbrechen, könne eine Vergiftung mit Knollenblätterpilzen dafür verantwortlich sein, die nach weiteren sechs Stunden zum Tod führe. Immer wieder werde er auch nach der radioaktiven Belastung von Pilzen gefragt, berichtet der Sachverständige. Er zieht einen Geigerzähler aus der Tasche und hält ihn an ein Exemplar. Die vereinzelten Signale, die zu hören sind, erklären sich aus der natürlich vorkommenden Strahlung, so Krautter. „Hier im Schwäbischen Wald sind die Pilze nicht belastet. Man kann sie auch in größeren Mengen bedenkenlos essen.“

Der Sammler sollte seine Schätze am besten in einem Korb verstauen. Diejenigen Exemplare, die er bei einer Pilzberatung bestimmen lassen will, sollte er mitsamt der Knolle aus dem Boden herausdrehen, damit alle Merkmale erhalten bleiben. Die anderen kann er mit einem Messer abschneiden. Pilze, die geschützt sind, wie zum Beispiel Steinpilze, darf man für den Eigenverbrauch ernten; ein Kilogramm pro Person und Tag ist erlaubt. Streng geschützte Sorten wie Trüffel dürfen dagegen nicht gepflückt werden. Und der umweltbewusste Pilzsammler sollte darauf achten, dass er möglichst keine Pilze zertritt. Denn sie haben eine wichtige Funktion im Ökosystem des Waldes, weil sie für die Zersetzung von Laub und abgestorbenem Holz zuständig sind.

Naturparkführer Manfred Krautter bei der Begutachtung frischer Pilze in der Schwalbenflughalle in Grab. Die Pilze wurden angeliefert von Bernhard Drixler (Naturpark-Geschäftsführer). Mit dabei Bürgermeister Christoph Jäger sowie ein interessierter Besucher (von links).

© Jörg Fiedler

Naturparkführer Manfred Krautter bei der Begutachtung frischer Pilze in der Schwalbenflughalle in Grab. Die Pilze wurden angeliefert von Bernhard Drixler (Naturpark-Geschäftsführer). Mit dabei Bürgermeister Christoph Jäger sowie ein interessierter Besucher (von links).

Bücher und Seminare

Manfred Krautter empfiehlt für Anfänger das Buch mit dem Titel „Speisepilze erkennen und genießen“ von Gudrun und Manfred Hennecke, erhältlich beim Verlag Manfred Hennecke, Staufenstraße 8, 73630 Remshalden-Buoch.

Ein ausführliches Werk für Pilzfreunde mit Vorkenntnissen ist „Der große BLV Pilzführer für unterwegs“ von Ewald Gerhardt, BLV-Buchverlag.

Pilzseminare bietet die Pilzschule Schwäbischer Wald von Lothar Krieglsteiner an (www.pilzkunde.de).

Die Naturparkführer und Pilzsachverständigen Manfred Krautter und Beate Siegel veranstalten Pilzführungen. Informieren und anmelden kann man sich per E-Mail an eudea@gmx.de beziehungsweise siegeljb4@t-online.de.

Im Naturparkzentrum in Murrhardt gibt es noch bis einschließlich 1. November immer sonntags zwischen 16 und 18 Uhr eine Pilzberatung. Informationen gibt es unter www.murrhardt.de/de/Aktuelles/Veranstaltungskalender.

Zum Artikel

Erstellt:
12. Oktober 2020, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!
Achtung: Diese Aufnahme stammt nicht aus Bartenbach, sondern ist ein Symbolfoto. Jene Fotos, die am Mittwoch im Sulzbacher Teilort aufgenommen worden sind, wurden bisher nirgendwo veröffentlicht. Sie werden erst noch von Experten überprüft. Quelle: FVA Baden-Württemberg
Top

Stadt & Kreis

Zeigt die Wildtierkamera einen Wolf?

Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg untersucht derzeit die Aufnahmen eines Tiers, die am Mittwoch auf der Gemarkung des Sulzbacher Teilorts Bartenbach entstanden sind. Vor Abschluss der Untersuchung hüllen sich die Experten in Schweigen.

Stadt & Kreis

„Ich bin ein altes Zirkuspferd“

Als Moderator der SWR-Talkshow „Nachtcafé“ war Wieland Backes ein bekanntes Fernsehgesicht. Heute ist der 77-Jährige schriftstellerisch tätig: Am Montag präsentiert er in Backnang sein neues Buch. Im Interview verrät Backes, warum es für ihn auch eine Rückkehr zu seinen Wurzeln ist.

Stadt & Kreis

Aus Abfall entstehen Strom und Wärme

Energiewende vor der Haustür (5) Die Biovergärungsanlage der AWRM in Backnang-Neuschöntal verwertet Bioabfall aus dem Kreis und gewinnt daraus Energie. Der Strom der Anlage deckt den Jahresbedarf von etwa 3000 Haushalten.