Pocken gelten weltweit als ausgerottet

Die hochgefährliche Krankheit wurde mittels einer Impfpflicht besiegt. Im 18. Jahrhundert starben in Europa Hunderttausende an den Pocken.

Susanne Zomotor leitete von 1987 bis 1998 im Gesundheitsamt Waiblingen den Bereich Kinder- und Jugendmedizin.Foto: M. Melchert

Susanne Zomotor leitete von 1987 bis 1998 im Gesundheitsamt Waiblingen den Bereich Kinder- und Jugendmedizin.Foto: M. Melchert

Von Armin Fechter

Backnang. Noch erfolgreicher als der Kampf gegen Polio entwickelte sich die Impfung gegen Pocken. Es war die erste Impfung, die es überhaupt gab – und die Krankheit gilt heute weltweit als ausgerottet. Sonst ist das bisher nirgends gelungen. Ein wesentlicher Unterschied zur Polioimpfung: Die Pockenimpfung war Pflicht. Von 1874 an schrieb ein auch in der späteren Bundesrepublik noch gültiges Gesetz für das Deutsche Reich vor, dass alle sich immunisieren lassen müssen. Zuvor hatte schon Bayern 1807 als weltweit erstes Land eine Impfpflicht eingeführt.

Die Krankheit, die durch das Variolavirus verursacht wird, ist hochgefährlich. Sie ist leicht von Mensch zu Mensch übertragbar, sehr ansteckend und endet häufig tödlich. In einer nicht geimpften Bevölkerung sterben 30 bis 40 Prozent der Erkrankten. Allein in Europa forderten die Pocken im 18. Jahrhundert jährlich Hunderttausende Todesopfer. Durch konsequentes Impfen konnte die Welt im Jahr 1980 von der WHO als pockenfrei erklärt werden. Der letzte Pockenfall in Deutschland trat 1972 auf. Ab 1975 wurden deshalb die Impfungen in Deutschland schrittweise ausgesetzt.

Geimpft wurde zweimal: das erste Mal in dem auf das Geburtsjahr folgenden Jahr und das zweite Mal im zwölften Lebensjahr. Auch bei der Pockenimpfung war das Gesundheitsamt gefordert, das zur Zweitimpfung die Schulen mit einband. So marschierten Ende der Sechzigerjahre ganze Schulklassen, etwa aus dem Max-Born-Gymnasium auf der Maubacher Höhe, geschlossen in die Scheffelstraße, wo sich die Jugendlichen den kleinen Schnitt in den Oberarm abholten, der später noch als Narbe sichtbar blieb.

In der Geschichte der Pockenschutzimpfung war die Entdeckung eines englischen Landarztes entscheidend, dass eine Infektion mit dem relativ harmlosen Kuhpockenerreger lebenslang vor einer Ansteckung mit den echten Pocken schützt. Der menschliche Körper bildet dabei die entsprechenden Abwehrstoffe aus. Die Pocken-Impfpflicht und das Verfahren mit dem Kuhpockenerreger lösten allerdings vielfach Proteste und Bedenken aus. Dabei ging es einerseits um das Recht, über den eigenen Körper selbst bestimmen zu können, andererseits auch um irrationale Befürchtungen wie etwa die Vorstellung, dass sich mit diesem Pockenimpfstoff plötzlich alle Menschen in Kühe verwandeln.

Unterschiedlichste Vorbehalte gibt es auch aktuell bei den Covid-19-Impfungen. „Wenn um uns herum alle geimpft sind, sind auch die wenigen Ungeimpften geschützt“, sagt Susanne Zomotor mit Blick einen „harten Kern“ an Zweiflern, die sich nicht impfen lassen wollen.

Die Leute erleben nicht mehr, welche Folgen solche Krankheiten haben können

Eine Impfpflicht hält die Frau, die in ihrem Bekanntenkreis als „die Impfpäpstin“ gilt, jedoch nicht für geeignet, um die Kampagne voranzubringen. „Das wird in Deutschland nicht gehen – man muss andere Wege finden“, macht sie klar. Man müsse die Leute erreichen, indem man mit ihnen redet und ihnen alles gut erklärt, „sodass es für jeden nachvollziehbar ist“. Vorbehalte gegen das Impfen generell hätten auch damit zu tun, dass „die Menschen nicht mehr erleben, welche Folgen solche Krankheiten haben können“.

Für sich selbst lässt Zomotor jedenfalls keine Zweifel zu: Sie hat sich bereits den dritten Corona-Piks, den Booster, geholt und zudem die Grippe-Impfung. Denn: „Ich möchte ja noch ein Weilchen leben.“

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Erstellt:
11. November 2021, 06:00 Uhr

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