Landtagswahl Baden-Württemberg
Politik und privat: Das macht den Grünen-Spitzenkandidaten Cem Özdemir aus
Bei der Landtagswahl am 8. März tritt Cem Özdemir für die Grünen an. Der Spitzenkandidat im Kurzporträt.
© LICHTGUT
Cem Özdemir wenige Tage nach Bekanntgabe seiner Kandidatur vor der Württembergischen Grabkapelle.
Von Annika Grah
Würde Cem Özdemir (59) aufzählen, wo er schon der erste seiner Art war, wäre die Liste wohl lang. Zwei Gelegenheiten stechen heraus. Özdemir, der sich selbst als „anatolischer Schwabe“bezeichnet, war der erste Bundestagsabgeordnete und der erste Bundesminister mit türkischem Migrationshintergrund. Nun tritt er an, um Ministerpräsident Baden-Württembergs zu werden vor mehr als einem Jahr machte er die Kandidatur öffentlich mit den Worten: „Ich möchte Ihnen als Ministerpräsident dienen“.
Politik
Der Grüne-Spitzenpolitiker blickt auf eine breite politische Karriere zurück. Als Özdemir 1994 in den Bundestag kam, verwehrte ihm sein Parteikollege Joschka Fischer zwar zunächst den Platz im Innenausschuss. Vier Jahre später wurde Özdemir aber innenpolitischer Sprecher. Nachdem er sich wegen der Bonusmeilen-Affäre aus der Bundespolitik zurückgezogen hatte, kandidierte er für das Europaparlament. Als Grüner Parteivorsitzender begleitete er 2011 Merkels Atomausstieg.
Nachdem die Verhandlungen zu einer Jamaika-Koalition 2017 gescheitert waren, übernahm er den Vorsitz im Verkehrsausschuss. In der Ampel-Region wurde er 2021 entgegen aller Vorhersagen Bundeslandwirtschaftsminister und stellte sich Ende 2023 auf zahlreichen Bühnen den wütenden Bauernprotesten. Landespolitisch muss er allerdings noch an Profil gewinnen.
Plan
Schon bei Bekanntgabe seiner Kandidatur zeichnete Özdemir einen eher konservativen Politikstil im Duktus von Winfried Kretschmann. Das ist keine Überraschung. Özdemir bezeichnet sich selbst als „wertkonservativ“, was vor allem in seinen Positionen zur Migrationspolitik deutlich wird. Aber auch beim Verbrenner-Aus. Das halte er „für nicht erreichbar“, sagte er jüngst in der Talksendung „Maischberger“. Und er betont das Anderssein der Grünen in Baden-Württemberg – die seien so etwas wie die CSU der Grünen, sagte er dieses Jahr. Und meint damit: ein deutlich konservativerer Arm der Partei.
Privates
Özdemir erwähnt gern und häufig seine Wurzeln in Bad Urach am Fuße der Schwäbischen Alb – dort ist er aufgewachsen, hat sich vom Gastarbeiter-Kind hochgearbeitet und hat seine ersten politischen Gehversuche unternommen. Der Grüne brennt für Handball, bei dem er sich jüngst zwei Finger gebrochen hat, ebenso wie für den VfB. Özdemir hat zwar seinen Wahlkreis in Stuttgart, seine Familie wohnte aber immer in Berlin. Weshalb es auch sehr lange als unklar galt, ob er wirklich als Ministerpräsident im Land antreten würde. Mit der Journalistin Pia Castro hat Özdemir einen Sohn und eine Tochter. Inzwischen lebt er mit seiner neuen Partnerin, der 20 Jahre jüngeren Anwältin Flavia Zaka, in Stuttgart. Dort hat er bereits politische Freunde. Özdemir war der Trauzeuge von Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne).
